«Kleidung hat eine Wirkung, das müssen Teenager lernen»
ZÜRICH. Die Autorin Michèle Binswanger verteidigt die Kleiderempfehlungen des Gymnasiums Oberaargau.
Frau Binswanger, was halten Sie von den Kleiderregeln für Mädchen am Gymnasium Oberaargau?
Es ist ungeschickt, ein Flugblatt nur für Mädchen herauszugeben, weil der SexismusVorwurf kommt. Aber viele Schulen haben eine Hausordnung, die auch Kleider betrifft. Ich finde das legitim.
Wieso braucht es Kleiderregeln?
Schulen als eine Art Gemeinschaft haben Regeln. Wenn Leute sich durch Verhalten oder Kleidung gestört fühlen, müssen sich Schüler Gedanken machen, welche Wirkung sie auf andere haben.
Dafür sind doch jene verantwortlich, die sich daran stören.
Die Mädchen sind nicht dafür verantwortlich, was ihre Kleidung auslöst. Sie sind auch nicht schuld, wenn sich andere an ihrer Kleidung aufgeilen. Es geht eher darum, zu sagen: Wenn du dich so ankleidest, hat das eine Wirkung.
Macht man junge Frauen so nicht verantwortlich für Übergriffe auf sie?
Was wäre die Gegenposition? Jeder darf nackt kommen?
Genau.
Von der Idee her kann man da- rauf nichts entgegnen. Ich sehe es aber als Mutter: Wenn meine 16-jährige Tochter etwas anzieht, das zu kurz ist, verbiete ich es.
Wieso?
Kleidung hat eine grosse Wirkung. Das müssen Teenager lernen. Sexuelle Gewalt hat nie etwas damit zu tun, wie sich Opfer kleiden. Aber je nachdem, wie man sich kleidet, bekommt man mehr oder weniger Reaktionen. Das ist ja auch oft das Motiv.
Einige wollen sich nun zum Trotz freizügig kleiden.
Trotzreaktionen führen erst zu einer Diskussion. Erst in der Debatte merkt man, welche Rolle Themen wie Verantwortung oder Sexualität spielen.
Kleidervorschriften bewegen unsere Leser stark. Wieso?
Kleidungsvorschriften scheinen in uns etwas zu zünden. Das hat viel mit dem vorherrschenden Individualismus zu tun. Aber wir sind auch Gruppenwesen. Die Meinung anderer ist uns wichtig.