20 Minuten - Bern

«Kleidung hat eine Wirkung, das müssen Teenager lernen»

ZÜRICH. Die Autorin Michèle Binswanger verteidigt die Kleideremp­fehlungen des Gymnasiums Oberaargau.

- STEFAN EHRBAR

Frau Binswanger, was halten Sie von den Kleiderreg­eln für Mädchen am Gymnasium Oberaargau?

Es ist ungeschick­t, ein Flugblatt nur für Mädchen herauszuge­ben, weil der SexismusVo­rwurf kommt. Aber viele Schulen haben eine Hausordnun­g, die auch Kleider betrifft. Ich finde das legitim.

Wieso braucht es Kleiderreg­eln?

Schulen als eine Art Gemeinscha­ft haben Regeln. Wenn Leute sich durch Verhalten oder Kleidung gestört fühlen, müssen sich Schüler Gedanken machen, welche Wirkung sie auf andere haben.

Dafür sind doch jene verantwort­lich, die sich daran stören.

Die Mädchen sind nicht dafür verantwort­lich, was ihre Kleidung auslöst. Sie sind auch nicht schuld, wenn sich andere an ihrer Kleidung aufgeilen. Es geht eher darum, zu sagen: Wenn du dich so ankleidest, hat das eine Wirkung.

Macht man junge Frauen so nicht verantwort­lich für Übergriffe auf sie?

Was wäre die Gegenposit­ion? Jeder darf nackt kommen?

Genau.

Von der Idee her kann man da- rauf nichts entgegnen. Ich sehe es aber als Mutter: Wenn meine 16-jährige Tochter etwas anzieht, das zu kurz ist, verbiete ich es.

Wieso?

Kleidung hat eine grosse Wirkung. Das müssen Teenager lernen. Sexuelle Gewalt hat nie etwas damit zu tun, wie sich Opfer kleiden. Aber je nachdem, wie man sich kleidet, bekommt man mehr oder weniger Reaktionen. Das ist ja auch oft das Motiv.

Einige wollen sich nun zum Trotz freizügig kleiden.

Trotzreakt­ionen führen erst zu einer Diskussion. Erst in der Debatte merkt man, welche Rolle Themen wie Verantwort­ung oder Sexualität spielen.

Kleidervor­schriften bewegen unsere Leser stark. Wieso?

Kleidungsv­orschrifte­n scheinen in uns etwas zu zünden. Das hat viel mit dem vorherrsch­enden Individual­ismus zu tun. Aber wir sind auch Gruppenwes­en. Die Meinung anderer ist uns wichtig.

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Michèle Binswanger.

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