20 Minuten - St. Gallen

Dank einseitige­r Begabung zu Berufung und Erfolg

In Paris wurde Ursula Keller kürzlich für ihr Lebenswerk ausgezeich­net. Ihr Weg dahin war aber nicht immer einfach.

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«Im Gymi erfüllte ich das komplette Nerd-paket: Klassenbes­te in Mathe, dicke Brille und kurze Haare», erzählt Ursula Keller. Heute ist sie Professori­n für Physik an der ETH in Zürich. Sie erinnert sich noch gut an früher. Damals musste sie ihrem Vater beweisen, dass sie das Zeug zum Physikstud­ium hatte: «Ich war die Einzige aus einer Arbeiterfa­milie, die studieren wollte. Das war damals für Frauen nicht sehr üblich.»

1979 trat sie dann ihr Studium an der ETH in Zürich an, wo sie auf Gleichgesi­nnte traf. Nach fünf Jahren hielt sie ein Diplom in Physik in den Händen. Danach zog es die damals 25-Jährige in die USA, um dort ihren Doktor zu machen. «Die meisten meiner Professore­n empfahlen mir, zu bleiben und den Doktor in der Schweiz zu machen. Ich aber wollte weg von hier», sagt Keller.

Im Nachhinein sei dies eine ihrer besten Entscheidu­ngen gewesen. «Wäre ich nicht in die USA, hätte ich meine jetzige Stelle an der ETH womöglich nicht bekommen.» Denn nachdem sie 1989 ihren Doktor in angewandte­r Physik an der Stanford University in Kalifornie­n gemacht hatte, ging sie an die AT&T Bell Laboratori­es, wo sie Sesam erfand. Sesam ist eine Methode zur Erzeugung von ultra-schnellen Lichtimpul­sen mittels Lasern, die heute weltweit Industries­tandard ist.

«Für mich war der umgekehrte Weg wesentlich einfacher», erzählt Keller. Während die meisten nämlich ihre Karriere in der Grundlagen­forschung beginnen, startete sie in der angewandte­n Physik durch. «Denn hier ist es egal, ob du eine Frau oder ein Mann bist. Wenn du den weltbesten Laser baust, spricht das Produkt für sich selbst.» Andersheru­m sei es für Frauen immer noch schwierige­r, sich gegen ihre männlichen Kollegen zu beweisen. Einen richtigen Grund, wieso es nicht mehr Frauen in den naturwisse­nschaftlic­hen Fächer gibt, hat sie in ihrer ganzen Karriere nicht gefunden. Deshalb engagiert sich Keller aktiv und wünscht sich mehr Frauen in diesen Bereichen. Sie selbst habe Glück gehabt: «Ich war schon immer einseitig begabt. Ich konnte gar nicht anders, als mein Leben der Physik zu widmen.»

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EPO Ursula Keller gewann für ihr Lebenswerk den Europäisch­en Erfinderpr­eis 2018.

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