Wieder fit werden nach Covid-19
Muskelaufbau, Atemtraining, Traumabewältigung – wenn eine Corona-Infektion schwer verläuft, braucht der Körper ein gezieltes Aufbauprogramm. Was Post-Covid-19-Patienten mit Reha erreichen können.
Das Tückische am neuen Coronavirus ist seine Unberechenbarkeit. Es gibt Infizierte fast ohne Beeinträchtigungen, aber auch Patienten, die extrem schwer erkranken. Es gibt solche, die sich danach rasch erholen, und andere, die den Infekt scheinbar nur schwer überwinden und nicht zu ihrer alten Form finden. Von welchen Faktoren das abhängen könnte, ist derzeit noch unklar.
„Wir hatten Patienten und Patientinnen in allen Altersstufen, bei weitem nicht alle gehörten zu Risikogruppen“, kann Roland Winkler, Primarius am Rehabilitationszentrum Hochegg und Chefarzt der PVA, berichten. Das heißt: Es gibt auch eine Reihe jüngerer Patienten ohne jede Vorerkrankung, die durch die Sars-CoV-2-Infektion stark geschwächt sind.
Nach einer schweren Erkrankung haben Menschen in Österreich die Möglichkeit, sich im Rahmen einer Rehabilitation voll und ganz auf ihr Gesundwerden zu konzentrieren. Das gilt auch für Post-Covid-19-Patienten. Allein: Während des Lockdowns waren die Möglichkeiten für Rehabilitation eingeschränkt. Mittlerweile haben sich alle Einrichtungen auf die schwierige Situation eingestellt. Das heißt: Sie haben in ihren Häusern Testroutinen für Personal und Patienten etabliert und ihre Räume so adaptiert, dass die Infektionsrisiken so klein wie möglich gehalten werden können. Am Rehazentrum Hochegg haben die ersten 35 Patienten gerade vier Wochen Stärkungsprogramm hinter sich. „Wir sehen bei den meisten sehr gute Erfolge“, kann Primarius Roland Winkler bestätigen. Post-Covid-19-Patienten sind keine einheitliche Gruppe, die Beschwerden können sehr unterschiedlich sein. Eine große Gruppe sind jene, die im Zuge ihres Spitalsaufenthalts beatmet werden mussten.
Sehr geschwächt
Sie kommen meist direkt aus dem Spital zur Rehabilitation. Patienten, die längere Zeit beatmet wurden, sind stark geschwächt. Ein Aufenthalt in der Intensivstation führt zu einem massiven Abbau der Muskeln, vor allem auch der Atemmuskulatur, die beim Ein- und Ausatmen eine wichtige Rolle spielt. „Sie muss wieder auftrainiert werden“, sagt Internist Horst Oexle vom Reha-Zentrum Münster in Tirol. Schritt um Schritt werden unter Anleitung von Physiotherapeuten die Kräftigungsübungen auf sämtliche Bereiche des Körpers ausgedehnt, auf diese Weise wird die Gesamtkonstitution gestärkt. Für Oexle war erstaunlich, wie viele jüngere Patienten in den ersten Wochen da waren. „Wir sehen hier in der Reha natürlich nur eine Selektion der Patienten, nämlich diejenigen, die einen schweren Verlauf hatten“, schränkt er ein. Er bestätigt, was auch Winkler in Hochegg beobachtet: Eine Covid-19-Erkrankung befällt zwar mehrheitlich die Lunge, kann aber durchaus auch andere Organe betreffen, je nachdem, an welchen ACE-2-Rezeptoren im Körper das Virus angedockt hat.
Die Reha-Ärzte haben auch neurologische Beeinträchtigungen beobachtet, auch psychisch geht es vielen nicht gut. „Sie sind so wie traumatisiert“, formuliert es
Winkler – eine psychologische Behandlung ist dann Teil des Regenerationsplans. Was den Reha-Ärzten auf den CT-Bildern mancher PostCovid-19-Patienten auffällt, sind die fibrotischen Veränderungen in den Lungen, die das Resultat einer Lungenentzündung und der überschießenden Immunreaktion sind.
Überreagiert
Davon sind nicht alle, aber ein Teil der Patienten betroffen. Mit Leistungsdiagnostik und genauen Lungenfunktionstest versucht man die Einschränkungen zu erfassen. Interessant bei diesen Patienten mit Covid-19 sei auch die Tatsache, dass sie verstärkt Thrombosen, Embolien oder Herzinfarkte entwickeln, ein Hinweis dafür, dass sich eine Corona-Infektion auch im Herz-Kreislaufsystem breitmachen kann. Man wolle diese Phänomene genau beobachten und die Post-Covid-19-Patienten auch nach der Reha regelmäßig weiter kontrollieren. Denn: „Es ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar, ob Schäden zurückbleiben“, sagt Michael Muntean, Lungenfacharzt am Humanomed-Zentrum in Althofen. Man habe Erfahrung mit Lungenentzündungen, jedes Jahr nach der Influenza-Saison kommen Patienten, die wegen der viralen Erkrankung schwere Verläufe durchgemacht haben.
Lungenschäden, so Muntean, müsse man sich als Vernarbungen vorstellen. Sie können grundsätzlich bei jeder Lungenentzündung entstehen. Die Frage ist, wie sehr diese Vernarbungen die Sauerstoffaufnahme des Körpers langfristig mindern.
Darm sanieren
Auch am vornehmen Lanserhof in Tirol hat man sich auf die Covid19-Patienten gerüstet. Als Medical Spa Resort will man den Patienten hier ein optimales medizinisches Angebot bieten können und kooperiert mit der Medizinischen Universität Innsbruck. Katharina Sandtner, die ärztliche Direktorin, betont, dass zur Stärkung des Organismus auch die Darmgesundheit Teil des Reha-Programmes sein sollte. „Darmgesundheit und Immunsystem sind eng verbunden“, sagt sie. Untersuchungen des Mikrobioms zeigen, wie wichtig Einfachzucker und komplexe Kohlenhydrate seien. Am Lanserhof will man mit einer antientzündlichen Diät die Darmflora wiederherstellen.
„Wir wissen auch, wie wichtig Bewegung für die Abwehrkraft im Körper sind.“Mit einer Reihe von Maßnahmen wolle man die Gäste zu einer Umstellung der Lebensgewohnheiten motivieren. „Aber klar, die Leute müssen das dann auch im Alltag weitermachen.“Gerade in Zeiten einer Pandemie sei ein gesunder Lebensstil ein wichtiger Baustein für die Prävention gegen sämtliche Infektionserkrankungen.
Ambulante Reha
Post-Covid-19-Patienten haben in Wien auch die Möglichkeit einer ambulanten Rehabilitation in der Therme Wien Med. „Wir sehen Patienten ganzheitlich“, sagt der Leiter der Lungenrehabilitation, Ralf Harun Zwick, der während des Lockdowns ein detailliertes Konzept zur sicheren Betreuung von Post-Covid-19Patienten erarbeitet hat und somit sicherstellen kann, dass die Therme Wien ein sicherer Ort ist. Patienten kommen zwei- bis dreimal die Woche und absolvieren mehrere Stunden lang ein maßgeschneidertes Trainingsprogramm.
„An sich ist die Vielfalt von Symptomen bei viralen Erkrankungen nichts Außergewöhnliches, sie verlaufen generell von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich“, sagt er. Man wolle bis Ende des Jahres in den Reha-Einrichtungen substanziell wichtige Erfahrungen gesammelt haben“, sagt er, bestätigt die Erfahrungen seiner Kollegen und ergänzt: „Auch vermeintlich leichte Verläufe haben bei manchen Spuren hinterlassen.“Deshalb ermutigt er Leute, die sich nach einer Sars-Cov-2-Infektion beim Bergaufgehen schwertun oder sich sonst nicht gut fühlen, diese Symptome abklären zu lassen. „Wir sind ein Trainingszentrum“, sagt er und meint ein wissenschaftlich fundiertes Programm. Der Post-Covid-19Functional-Status-Scale ist ein Tool, das eine genaue Vermessung der Situation möglich macht.
Mut fassen
Zwick sagt auch, dass die CoronaPandemie viele Menschen einsam und ängstlich gemacht hat. Viele hätten Angst, in Gesundheitseinrichtungen zu kommen, und vertun sich damit eine Chance. Professionelle Reha wirkt, doch man brauche Spezialisten, die einen dabei unterstützen. Wichtig ist vor allem auch die Motivation, die vielen Post-Covid-19-Patienten abhandengekommen ist. In der Therme Wien Med werden Ziele definiert. „Und wenn es Rasenmähen ist: Wenn Patienten sehen, dass sie wieder Kraft schöpfen, dann ist das für den allgemeinen Genesungsprozess förderlich.“Zum Gesundwerden gehört ein Plan. Dass Reha auch in der weiteren Pandemie funktionieren muss, davon ist Zwick überzeugt, weil er den Fortschritt täglich auch an den PostCovid-19-Patienten sehen kann.