BIG DOCTOR IS WATCHING YOU
Der Gesundheitsdialog Diabetes der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau ist ein Paradebeispiel für den sinnvollen Einsatz von Telemedizin.
War es bei George Orwell in seinem visionären Roman „1984“noch der große Bruder, der die Menschen beobachtet, so ist es heute, 35 Jahre später, der mit Telemedizin vertraute Arzt. Die Bild- und TonKommunikation via Smartphone und Computer ist in der Mitte unseres Alltags angekommen. Der technologische Fortschritt und die rapide Entwicklung zielgerichteter Computerprogramme als wertvolle Bestandteile der Betreuung führen dazu, dass nicht jedes Mal die Ordination des behandelnden Arztes besucht werden muss. Telemedizinische Lösungen ermöglichen es chronisch kranken und in ihrer Mobilität oft eingeschränkten Menschen, auch ohne großen logistischen Aufwand medizinischen Rat zu erlangen.
Sie sind somit ein wichtiger Baustein bei der Bereitstellung effizienter Versorgungsstrukturen für die Bewältigung der Zunahme von Patienten mit chronischen Krankheiten. Die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau (VAEB) hat – als erster Sozialversicherungsträger in Österreich – das Potenzial der Telemedizin schon vor vielen Jahren erkannt. Seit April 2010 wird – ausgehend von einem Pilotprojekt im steirischen Mürztal – für VAEB-Versicherte der sogenannte Gesundheitsdialog Diabetes angeboten. Ein modernes Online-Tool, das es DiabetesPatienten ermöglicht, mithilfe eines Smartphones in orts- und zeitunabhängigen Kontakt mit dem behandelnden Arzt zu treten. Ein Projekt, das den Umgang und die Behandlung von Diabetes sowie die Vermeidung von Folgekrankheiten maßgeblich unterstützen kann.
Es funktioniert folgendermaßen: Die Teilnehmer werden von der VAEB mit einer speziellen HandyApp versorgt, in der sie täglich ihre Gesundheitswerte eintragen. Dazu zählen Blutzucker- und Blutdruckwerte, das Gewicht, körperliche Aktivitäten und Angaben zum Wohlbefinden. Insulinpflichtige Diabetiker müssen ihren Blutzuckerwert täglich – morgens, mittags und abends – messen. Nicht insulinpflichtige Diabetiker an einem Tag pro Woche, ebenfalls morgens, mittags und abends. Ergeben sich in diesem Wertetagebuch, Diab-Memory genannt, Auffälligkeiten, so wird Kontakt vom behandelnden Arzt aufgenommen. Dieser kontrolliert die Daten und gibt dem Patienten Feedback. Je nach Bedarfslage wird die Therapie angepasst oder es werden weitere Behandlungsschritte vereinbart.
1087 VAEB-Patienten sind derzeit beim Gesundheitsdialog Diabetes angemeldet, betreut von 22 aktiven Ärzten. Die Teilnahme am Gesundheitsdialog ist für die VAEB-Versicherten gratis.
Dr. Monika Mustak-Blagusz, seit Jänner 2019 neue Chefärztin der VAEB, ist von der Sinnhaftigkeit und dem großen Potenzial derartiger Telemedizin-Projekte überzeugt: „Projekte wie der Gesundheitsdialog Diabetes sollen den Patienten das Leben erleichtern und ermöglichen es dem behandelnden Arzt, unabhängig vom Ort, weil digital unterstützt, Diabetiker zu betreuen. Der Patient muss nicht mehr so oft mitunter lange Anfahrten auf sich nehmen, um Arzttermine wahrzunehmen und der Arzt kann sich die Zeit, in der er sich um seine Patienten kümmert, anders einteilen. Eine Win-win-Situation für beide Seiten.“
Eine Compliance-Studie der VAEB, durchgeführt in der Gesundheitseinrichtung Breitenstein, die den Zeitraum 2010 bis 2018 abdeckt, belegt die langfristig positive Wirkung des Gesundheitsdialogs Diabetes. Mustak-Blagusz: „Es hat sich anhand der vorliegenden Daten erwiesen, dass der Gesundheitsdialog Diabetes mellitus ein Behandlungsmodell ist, das eine nachhaltig relevante Verbesserung der Diabetes-Einstellung ermöglicht. Die Untersuchung der Compliance-Daten bestätigt einen signifikanten Vorteil bezüglich der Einstellung des Langzeitzuckerwerts HbA1c für jene Personen, die konsequent am Dialog teilnehmen.“
Zur Zeit entwickelt die VAEB gemeinsam mit Ärzten ein Struktur- und Prozessmodell, das die Integration der Telemedizin in den Ordinationsalltag ermöglicht – Ordination 4.0. Dass die VAEB die Krankheit Diabetes für ihr Pionierprojekt im E-Health-Bereich ausgewählt hat, ist kein Zufall: Diabetes ist eine Volkskrankheit. 6 Prozent der österreichischen Bevölkerung, in absoluten Zahlen zwischen 600.000 und 700.000 Menschen, sind an Diabetes erkrankt. Die Zahl der Erkrankten bei den über 65-Jährigen beträgt bereits 15 Prozent. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist bis 2025 mit einem Anstieg der Erkrankten um 45 Prozent (!) zu rechnen. Diabetische Spätfolgen verursachen sehr hohe Kosten, wobei rund die Hälfte dieser Gesamt-Diabeteskosten durch stationäre Aufenthalte verursacht wird. Und: 25 bis 30 Prozent entfallen allein auf Medikamente.
Um die Sicherheit ihrer Daten müssen sich die Teilnehmer am Gesundheitsdialog Diabetes keine Sorgen machen: Gemeinsam mit dem Austrian Institute of Technology (AIT) wurde eine Lösung entwickelt, die mit modernen Cloud- und Verschlüsselungstechnologien Datenmissbrauch verhindert. Außerdem müssen die Patienten erst einmal genehmigen, dass ihre Daten für sich und für die Ärzte sichtbar sind.
Weitere E-Health-Projekte
Nachdem sich der Gesundheitsdialog Diabetes so gut bewährt hat und die VAEB damit wichtige Erfahrungen in der Praxis gesammelt hat, wurde das erlangte Wissen in weitere Telemedizin-Projekte eingebracht. In Kooperation mit dem Land Tirol, den Innsbrucker Verkehrsbetrieben und dem AIT wurde das Projekt Bluthochdruck gestartet. Damit soll den Gefahren unbehandelten Bluthochdrucks begegnet und mögliche Folgeschäden vermieden werden. Unbehandelter Bluthochdruck kann zu lebensgefährlichen Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall führen. Auch hier tragen die Teilnehmer tägliche Gesundheitswerte – allen voran den Blutdruckwert – in die App ein und erhalten somit einen Überblick über ihren Gesundheitszustand. Wie beim Gesundheitsdialog Diabetes ist die ständige Kontaktmöglichkeit zum betreuenden Arzt gegeben.
TeleReha
Die VAEB-Gesundheitseinrichtung Bad Schallerbach hat als erste Einrichtung in ganz Österreich die TeleReha, eine TelemedizinAnwendung im Bereich Orthopädie, etabliert. Ziel ist eine Steigerung der Nachhaltigkeit der physiotherapeutischen Anwendungen nach dem Aufenthalt. Die Patienten werden während ihres Aufenthalts in Schallerbach auf das OnlineSystem eingeschult und können so auch nach ihrer Rückkehr nach Hause mit ihrem Therapeuten verbunden bleiben. Somit stellt sich ein erwiesenermaßen nachhaltiger Erfolg bei der Behandlung ein – wichtige Übungen werden auch nach Verlassen der Einrichtung nicht vernachlässigt.
PRAEDIAS
ist ein bewährtes und bereits mit Gesundheitspreisen ausgezeichnetes kostenloses Schulungsprogramm der VAEB zur Gewichtsreduktion. Mit Hilfe von gezielten Schulungen in den Gesundheits- und Betreuungszentren, aber auch mit Hilfe eines digitalen Gesundheitsplaners werden die Abnehmwilligen über einen Zeitraum von fünf Jahren bei der Umsetzung eines gesünderen Lebensstils im Alltag begleitet. Damit soll verhindert werden, dass bei Risikopatienten mit Übergewicht Diabetes oder sonstige lebensstilbedingte Erkrankungen ausbrechen.
VAEB-Service-Point
Gemeinsam mit der Firma Ricoh Austria GmbH wurde für das VAEB-Gesundheits- und Betreuungszentrum Wien am Praterstern eine Terminallösung entwickelt, die es den Versicherten erlaubt, auch außerhalb der normalen Öffnungszeiten Anträge zu stellen und die dafür notwendigen Dokumente zu scannen. Die Anmeldung erfolgt über die E-Card, die Daten werden über eine sichere Leitung übermittelt. Wartezeiten können so vermieden werden.
Die Telemedizin hat ihr Potenzial jedenfalls noch lange nicht ausgeschöpft: Neben chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck und Herzinsuffizienz sind die orthopädische, aber auch die neurologische Rehabilitation – etwa bei Schlaganfallpatienten – sinnvolle Einsatzgebiete. In der neurologischen Rehabilitation wird Telemonitoring bei Schlaganfallpatienten bereits mit gutem Erfolg eingesetzt.
Die VAEB wird weiter diesen
Weg beschreiten und innovative E-Health-Lösungen zum Wohle ihrer Versicherten entwickeln. Chefärztin Mustak-Blagusz: „Ziel von verantwortlichen Stakeholdern im Gesundheitsbereich muss es sein, für die Patienten Strukturen zu schaffen, die eine aktive Beteiligung und Mitwirkung möglich machen. Mit modernen Informations- und Kommunikationstechnologien wird die sektorenübergreifende Zusammenarbeit aller Beteiligten möglich. Effizienz und Effektivität von Therapien soll mit Telemedizin-Projekten nachhaltig gesteigert werden.“