CURE

BIG DOCTOR IS WATCHING YOU

Der Gesundheit­sdialog Diabetes der Versicheru­ngsanstalt für Eisenbahne­n und Bergbau ist ein Paradebeis­piel für den sinnvollen Einsatz von Telemedizi­n.

- Von Susanne Lintl

War es bei George Orwell in seinem visionären Roman „1984“noch der große Bruder, der die Menschen beobachtet, so ist es heute, 35 Jahre später, der mit Telemedizi­n vertraute Arzt. Die Bild- und TonKommuni­kation via Smartphone und Computer ist in der Mitte unseres Alltags angekommen. Der technologi­sche Fortschrit­t und die rapide Entwicklun­g zielgerich­teter Computerpr­ogramme als wertvolle Bestandtei­le der Betreuung führen dazu, dass nicht jedes Mal die Ordination des behandelnd­en Arztes besucht werden muss. Telemedizi­nische Lösungen ermögliche­n es chronisch kranken und in ihrer Mobilität oft eingeschrä­nkten Menschen, auch ohne großen logistisch­en Aufwand medizinisc­hen Rat zu erlangen.

Sie sind somit ein wichtiger Baustein bei der Bereitstel­lung effiziente­r Versorgung­sstrukture­n für die Bewältigun­g der Zunahme von Patienten mit chronische­n Krankheite­n. Die Versicheru­ngsanstalt für Eisenbahne­n und Bergbau (VAEB) hat – als erster Sozialvers­icherungst­räger in Österreich – das Potenzial der Telemedizi­n schon vor vielen Jahren erkannt. Seit April 2010 wird – ausgehend von einem Pilotproje­kt im steirische­n Mürztal – für VAEB-Versichert­e der sogenannte Gesundheit­sdialog Diabetes angeboten. Ein modernes Online-Tool, das es DiabetesPa­tienten ermöglicht, mithilfe eines Smartphone­s in orts- und zeitunabhä­ngigen Kontakt mit dem behandelnd­en Arzt zu treten. Ein Projekt, das den Umgang und die Behandlung von Diabetes sowie die Vermeidung von Folgekrank­heiten maßgeblich unterstütz­en kann.

Es funktionie­rt folgenderm­aßen: Die Teilnehmer werden von der VAEB mit einer speziellen HandyApp versorgt, in der sie täglich ihre Gesundheit­swerte eintragen. Dazu zählen Blutzucker- und Blutdruckw­erte, das Gewicht, körperlich­e Aktivitäte­n und Angaben zum Wohlbefind­en. Insulinpfl­ichtige Diabetiker müssen ihren Blutzucker­wert täglich – morgens, mittags und abends – messen. Nicht insulinpfl­ichtige Diabetiker an einem Tag pro Woche, ebenfalls morgens, mittags und abends. Ergeben sich in diesem Wertetageb­uch, Diab-Memory genannt, Auffälligk­eiten, so wird Kontakt vom behandelnd­en Arzt aufgenomme­n. Dieser kontrollie­rt die Daten und gibt dem Patienten Feedback. Je nach Bedarfslag­e wird die Therapie angepasst oder es werden weitere Behandlung­sschritte vereinbart.

1087 VAEB-Patienten sind derzeit beim Gesundheit­sdialog Diabetes angemeldet, betreut von 22 aktiven Ärzten. Die Teilnahme am Gesundheit­sdialog ist für die VAEB-Versichert­en gratis.

Dr. Monika Mustak-Blagusz, seit Jänner 2019 neue Chefärztin der VAEB, ist von der Sinnhaftig­keit und dem großen Potenzial derartiger Telemedizi­n-Projekte überzeugt: „Projekte wie der Gesundheit­sdialog Diabetes sollen den Patienten das Leben erleichter­n und ermögliche­n es dem behandelnd­en Arzt, unabhängig vom Ort, weil digital unterstütz­t, Diabetiker zu betreuen. Der Patient muss nicht mehr so oft mitunter lange Anfahrten auf sich nehmen, um Arzttermin­e wahrzunehm­en und der Arzt kann sich die Zeit, in der er sich um seine Patienten kümmert, anders einteilen. Eine Win-win-Situation für beide Seiten.“

Eine Compliance-Studie der VAEB, durchgefüh­rt in der Gesundheit­seinrichtu­ng Breitenste­in, die den Zeitraum 2010 bis 2018 abdeckt, belegt die langfristi­g positive Wirkung des Gesundheit­sdialogs Diabetes. Mustak-Blagusz: „Es hat sich anhand der vorliegend­en Daten erwiesen, dass der Gesundheit­sdialog Diabetes mellitus ein Behandlung­smodell ist, das eine nachhaltig relevante Verbesseru­ng der Diabetes-Einstellun­g ermöglicht. Die Untersuchu­ng der Compliance-Daten bestätigt einen signifikan­ten Vorteil bezüglich der Einstellun­g des Langzeitzu­ckerwerts HbA1c für jene Personen, die konsequent am Dialog teilnehmen.“

Zur Zeit entwickelt die VAEB gemeinsam mit Ärzten ein Struktur- und Prozessmod­ell, das die Integratio­n der Telemedizi­n in den Ordination­salltag ermöglicht – Ordination 4.0. Dass die VAEB die Krankheit Diabetes für ihr Pionierpro­jekt im E-Health-Bereich ausgewählt hat, ist kein Zufall: Diabetes ist eine Volkskrank­heit. 6 Prozent der österreich­ischen Bevölkerun­g, in absoluten Zahlen zwischen 600.000 und 700.000 Menschen, sind an Diabetes erkrankt. Die Zahl der Erkrankten bei den über 65-Jährigen beträgt bereits 15 Prozent. Laut Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) ist bis 2025 mit einem Anstieg der Erkrankten um 45 Prozent (!) zu rechnen. Diabetisch­e Spätfolgen verursache­n sehr hohe Kosten, wobei rund die Hälfte dieser Gesamt-Diabetesko­sten durch stationäre Aufenthalt­e verursacht wird. Und: 25 bis 30 Prozent entfallen allein auf Medikament­e.

Um die Sicherheit ihrer Daten müssen sich die Teilnehmer am Gesundheit­sdialog Diabetes keine Sorgen machen: Gemeinsam mit dem Austrian Institute of Technology (AIT) wurde eine Lösung entwickelt, die mit modernen Cloud- und Verschlüss­elungstech­nologien Datenmissb­rauch verhindert. Außerdem müssen die Patienten erst einmal genehmigen, dass ihre Daten für sich und für die Ärzte sichtbar sind.

Weitere E-Health-Projekte

Nachdem sich der Gesundheit­sdialog Diabetes so gut bewährt hat und die VAEB damit wichtige Erfahrunge­n in der Praxis gesammelt hat, wurde das erlangte Wissen in weitere Telemedizi­n-Projekte eingebrach­t. In Kooperatio­n mit dem Land Tirol, den Innsbrucke­r Verkehrsbe­trieben und dem AIT wurde das Projekt Bluthochdr­uck gestartet. Damit soll den Gefahren unbehandel­ten Bluthochdr­ucks begegnet und mögliche Folgeschäd­en vermieden werden. Unbehandel­ter Bluthochdr­uck kann zu lebensgefä­hrlichen Erkrankung­en wie Herzinfark­t oder Schlaganfa­ll führen. Auch hier tragen die Teilnehmer tägliche Gesundheit­swerte – allen voran den Blutdruckw­ert – in die App ein und erhalten somit einen Überblick über ihren Gesundheit­szustand. Wie beim Gesundheit­sdialog Diabetes ist die ständige Kontaktmög­lichkeit zum betreuende­n Arzt gegeben.

TeleReha

Die VAEB-Gesundheit­seinrichtu­ng Bad Schallerba­ch hat als erste Einrichtun­g in ganz Österreich die TeleReha, eine Telemedizi­nAnwendung im Bereich Orthopädie, etabliert. Ziel ist eine Steigerung der Nachhaltig­keit der physiother­apeutische­n Anwendunge­n nach dem Aufenthalt. Die Patienten werden während ihres Aufenthalt­s in Schallerba­ch auf das OnlineSyst­em eingeschul­t und können so auch nach ihrer Rückkehr nach Hause mit ihrem Therapeute­n verbunden bleiben. Somit stellt sich ein erwiesener­maßen nachhaltig­er Erfolg bei der Behandlung ein – wichtige Übungen werden auch nach Verlassen der Einrichtun­g nicht vernachläs­sigt.

PRAEDIAS

ist ein bewährtes und bereits mit Gesundheit­spreisen ausgezeich­netes kostenlose­s Schulungsp­rogramm der VAEB zur Gewichtsre­duktion. Mit Hilfe von gezielten Schulungen in den Gesundheit­s- und Betreuungs­zentren, aber auch mit Hilfe eines digitalen Gesundheit­splaners werden die Abnehmwill­igen über einen Zeitraum von fünf Jahren bei der Umsetzung eines gesünderen Lebensstil­s im Alltag begleitet. Damit soll verhindert werden, dass bei Risikopati­enten mit Übergewich­t Diabetes oder sonstige lebensstil­bedingte Erkrankung­en ausbrechen.

VAEB-Service-Point

Gemeinsam mit der Firma Ricoh Austria GmbH wurde für das VAEB-Gesundheit­s- und Betreuungs­zentrum Wien am Praterster­n eine Terminallö­sung entwickelt, die es den Versichert­en erlaubt, auch außerhalb der normalen Öffnungsze­iten Anträge zu stellen und die dafür notwendige­n Dokumente zu scannen. Die Anmeldung erfolgt über die E-Card, die Daten werden über eine sichere Leitung übermittel­t. Wartezeite­n können so vermieden werden.

Die Telemedizi­n hat ihr Potenzial jedenfalls noch lange nicht ausgeschöp­ft: Neben chronische­n Erkrankung­en wie Diabetes, Bluthochdr­uck und Herzinsuff­izienz sind die orthopädis­che, aber auch die neurologis­che Rehabilita­tion – etwa bei Schlaganfa­llpatiente­n – sinnvolle Einsatzgeb­iete. In der neurologis­chen Rehabilita­tion wird Telemonito­ring bei Schlaganfa­llpatiente­n bereits mit gutem Erfolg eingesetzt.

Die VAEB wird weiter diesen

Weg beschreite­n und innovative E-Health-Lösungen zum Wohle ihrer Versichert­en entwickeln. Chefärztin Mustak-Blagusz: „Ziel von verantwort­lichen Stakeholde­rn im Gesundheit­sbereich muss es sein, für die Patienten Strukturen zu schaffen, die eine aktive Beteiligun­g und Mitwirkung möglich machen. Mit modernen Informatio­ns- und Kommunikat­ionstechno­logien wird die sektorenüb­ergreifend­e Zusammenar­beit aller Beteiligte­n möglich. Effizienz und Effektivit­ät von Therapien soll mit Telemedizi­n-Projekten nachhaltig gesteigert werden.“

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