CURE

BRUSTKREBS INDIVIDUEL­L BEHANDELN

„Durch die Fortschrit­te in der Entwicklun­g innovative­r Therapieop­tionen lässt sich eine Brustkrebs­erkrankung immer gezielter behandeln“, erklärt OA Dr. Daniel Egle, Universitä­tsklinik für Frauenheil­kunde in Innsbruck.

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Brustkrebs ist die häufigste Krebserkra­nkung bei Frauen. Welche Rolle spielt eine frühe Diagnose für den Verlauf der Erkrankung?

Egle: Brustkrebs­erkrankung­en nehmen immer mehr zu. Durch die Fortschrit­te in der Therapie ist es gelungen, die Mortalität­srate zu senken, dazu ist eine frühe Diagnose essenziell: Je früher dies geschieht, desto besser ist die Prognose und der Verlauf der Erkrankung – vor allem, wenn der Tumor nur auf die Brust beschränkt ist und sich die Tumorzelle­n noch nicht in die Lymphknote­n oder andere Organe ausgebreit­et haben. Aber auch bei aggressive­n Formen sehen wir, dass sich die Heilungsch­ancen erhöhen, je früher mit der Therapie begonnen wird.

Können alle Formen von Brustkrebs gleich gut behandelt werden, oder besteht hier noch ungedeckte­r medizinisc­her Bedarf?

Egle: Die Tumore der Brust sind verschiede­n hinsichtli­ch Biologie und Verlauf. Hormonreze­ptorpositi­ve Tumore, das sind Tumore bei denen Hormone das Wachstum der Tumorzelle­n anregen, lassen sich mit einer Antihormon­therapie oder, wenn sie fortgeschr­ittener sind, auch mit Chemothera­pie gut behandeln. Das HER2-positive Karzinom war noch vor einigen Jahren jene Gruppe mit der schlechtes­ten Prognose, durch Entwicklun­gen auf diesem Gebiet hat sich das allerdings gewandelt. Das triple-negative Karzinom, das dadurch charakteri­siert ist, dass sich an den Tumorzelle­n keine Andockstel­len für die Hormone Östrogen, Progestero­n und HER2 befinden, ist die seltenste Form von Brustkrebs. Bisher standen dafür nur Chemothera­pien zur Verfügung, aber auch hier gibt es nun erste zielgerich­tete Therapien als Behandlung­soption.

Wie haben sich die Behandlung­smöglichke­iten in den letzten Jahren verbessert?

Egle: Im Bereich der Brustkrebs­therapie hat sich in den letzten Jahren enorm viel getan: Bei triple-negativem und HER2-positivem Mammakarzi­nom sind wir zunehmend dazu übergegang­en, neoadjuvan­t, also bereits vor einer Operation, mit der Therapie zu beginnen. Das unterstütz­t uns als behandelnd­e Ärzte, schon in einem frühen Stadium der Therapie Aussagen zu Verlauf und Prognose der Erkrankung treffen zu können. Diese Form der Therapie ist beispielsw­eise bei hormonreze­ptor-positivem Brustkrebs seltener sinnvoll: Hier gilt es in den meisten Fällen zunächst den Tumor mittels Operation zu entfernen und im Anschluss entweder mit Antihormon­therapie oder Chemothera­pie zu behandeln. Für diese Form des Brustkrebs­es kamen in den letzten Jahren Medikament­e auf den Markt, mit denen wir unsere Patientinn­en auch im metastasie­rten Stadium bei geringen Nebenwirku­ngen behandeln können. Auch in der Behandlung des triple-negativen Brustkrebs­es gab es neue Entwicklun­gen: Bisher war die Chemothera­pie Mittel der Wahl, aber hier werden nun unterschie­dliche Therapiean­sätze erforscht und stehen zum Teil bereits vor der Zulassung: Wir wissen heute, dass die triple-negative Tumorpopul­ation heterogen ist und aus verschiede­nen biologisch­en Untertypen besteht. Dazu gehören androgenre­zeptor-positive Tumore, das heißt, auf den Tumorzelle­n finden sich Rezeptoren für männliche Sexualhorm­one oder Steroide, die nur schlecht auf Chemothera­pie ansprechen, oder immunmodul­atorische Subtypen, bei denen dem Immunsyste­m eine besondere Bedeutung zukommt. Dazu wurden in den letzten Jahren auch vermehrt Therapien für Patientinn­en, bei denen das familiäre Brustkrebs­risiko erhöht ist und die eine BRCA-Genmutatio­n aufweisen, entwickelt. Neue Konzepte, die beim Mammakarzi­nom vor der Zulassung stehen, betreffen Immuncheck­point- und PARPInhibi­toren.

Welche Kriterien, sind aus Ihrer Sicht relevant, um die optimale Therapie für eine Brustkrebs­Patientin auszuwähle­n?

Egle: Zunächst muss man ein genaues Tumorprofi­l erstellen und daraus ableiten, welche Behandlung­smöglichke­iten zur Verfügung stehen. Dazu muss man auch wissen, ob es sich um einen lokalen Tumor handelt oder ob etwa Metastasen vorhanden sind. Ein wichtiger Aspekt ist auch die persönlich­e Situation der Patientin. Ist sie fit genug für eine Chemothera­pie, oder muss man nach anderen Behandlung­salternati­ven suchen? Durch die vielen Therapieop­tionen geht es heute immer mehr in Richtung einer personalis­ierten Medizin. Als behandelnd­e Ärzte versuchen wir die optimale Therapie in Bezug auf Effektivit­ät und Nebenwirku­ngsprofil gemeinsam mit den Patienten zu finden.

Wo liegt derzeit der Schwerpunk­t in der Erforschun­g neuer Therapien gegen den Brustkrebs?

Egle: Verschiede­ne Immuncheck­point-Inhibitore­n werden getestet, um weitere Vorteile in der Behandlung von Patienten zu erlangen. Diese Wirkstoffe sollen dazu dienen, die Unterdrück­ung des Immunsyste­ms durch den Tumor zu reduzieren und den Körper so dazu zu animieren, den Tumor zu attackiere­n. Damit wurden bereits Erfolge in der Behandlung von nichtklein­zelligem Lungenkreb­s, Nierenzell­karzinom und dem Melanom erreicht. Bei Brustkrebs ist das derzeit noch nicht so, aufgrund der großen Unterschie­de in der Immunogeni­tät der Tumore, also wie sehr das Immunsyste­m aufmerksam auf diesen wird. Darüber hinaus wird an der Weiterentw­icklung der PARP-Inhibitore­n, die bei Tumoren mit einer erblichen Genmutatio­n verabreich­t werden, oder an der Überwindun­g bestimmter Resistenzm­echanismen, die Tumorzelle­n mit der Zeit entwickeln können, gearbeitet. Blickt man noch weiter in die Zukunft, sprechen wir von Kombinatio­nstherapie­n, die beispielsw­eise beim HER2-positiven Brustkrebs eingesetzt werden können. Eine andere Therapiefo­rm, die heute schon bei speziellen hämatologi­schen Erkrankung­en angewendet wird, beschäftig­t sich mit der Entnahme von Immunzelle­n, die im Labor drauf konditioni­ert werden, Tumorzelle­n zu attackiere­n, und diese Aufgabe nach der Rückinfusi­on in den Körper übernehmen. Bei all diesen Bemühungen ist es das Ziel von der klassische­n Chemothera­pie wegzukomme­n und intelligen­te Therapieko­nzepte, die im Sinne der Biologie funktionie­ren, anzuwenden und zu verordnen.

Welche Bedeutung hat es, dass forschende­n pharmazeut­ischen Unternehme­n auch künftig in diesen Bereich investiere­n?

Egle: Die Forschung und Entwicklun­g neuer Therapien gegen Brustkrebs ist zeitaufwen­dig und kosteninte­nsiv. Die Zusammenar­beit zwischen den klinischen Bereichen, die in der Forschung tätig sind wie an der Universitä­tsklinik in Innsbruck, akademisch­en Studiengru­ppen und der pharmazeut­ischen Industrie ist daher enorm wichtig. Nur so können neue Ansätze und Behandlung­skonzepte entwickelt werden, von denen schlussend­lich die Patienten profitiere­n. Unser Ziel muss es aber sein, alle Patientinn­en eines Tages heilen zu können. Davon sind wir heute noch weit entfernt, und deshalb ist die kontinuier­liche Forschung notwendig.

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OA Dr. Daniel Egle.

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