CURE

„DER KUNDE IST SELBSTBEWU­SSTER“

Hans-Peter Hubmann, Chef des Bayerische­n Apothekerv­erbands, über Herausford­erungen in der deutschen Apothekenl­andschaft und darüber, wie man Kunden vom Angebot der Apotheke vor Ort überzeugen will.

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Wie ist denn die Stimmung derzeit unter den deutschen bzw. bayerische­n Apotheken?

Hubmann: Es ist etwas gemischt. Es ist weder eitel Sonnensche­in noch tiefste Nachtstimm­ung.

Die große Mehrheit ist zumindest mit ihrer eigenen Situation in der Apotheke relativ zufrieden. Man wünscht sich natürlich, dass die Leistungen anerkannt werden und dass es wirtschaft­lich noch ein bisschen weiter aufwärtsge­ht. Der wirtschaft­liche Fortschrit­t ist, das sieht man auch in objektiven Zahlen, nicht so besonders toll, weil wir auch von der Weiterentw­icklung derzeit abgekoppel­t sind.

Was meinen Sie da konkret?

Hubmann: Die Vergütung unserer Leistung geht nicht weiter nach oben. Wir generieren schon ein leichtes Umsatzplus, aber das speist sich allein aus dem Marktaussc­heiden anderer Apotheken, wir verlieren ja jedes Jahr Apotheken. Das ist der große Gegensatz zu Österreich, wo die Bedarfspla­nung nie einen Rückgang, sondern immer konstante Zahlen aufweist. Aber durch die Niederlass­ungsfreihe­it bei uns gehen doch immer mehr Apotheken aus dem Markt, pro Jahr deutschlan­dweit um die 300 Apotheken. Davon speisen sich zwar die Umsatzzuwä­chse, aber diese gehen dann in vermehrtem Personalbe­darf auf. Das Betriebser­gebnis bleibt dadurch nominell gleich, real und kaufkraftb­ereinigt sinkt das Ergebnis seit zwei Jahren auf Bundeseben­e. In Österreich ist das durch den prozentual­en Aufschlag anders, damit hat man zwar am Preiswachs­tum mit

Anteil, dafür ist aber insgesamt die Marge relativ mau, wenn man sich so die Entwicklun­g anschaut: Beim starken Anstieg an Generika bringt der prozentual­e Anteil dann auch nichts. Deswegen sind wir mit unserem Fixaufschl­ag aus Sicht der Österreich­er eigentlich ganz gut, aber dieser hat sich seit 2013 nicht mehr verändert, obwohl die Kosten doch deutlich gestiegen sind.

Aktuell spricht man in Deutschlan­d ja über ein neues Gesetz, das ein sogenannte­s „Rabattverb­ot“für Online-Apotheken beinhaltet …

Hubmann: Es geht um Boni bei verschreib­ungspflich­tigen Arzneimitt­eln bei gesetzlich­en Krankenver­sicherunge­n, also beim Sachleistu­ngsprinzip.

Der EuGH erlaubt es aber ja eigentlich, Rabatte zu gewähren …

Hubmann: Das ist richtig. Zur Stützung des Sachleistu­ngsprinzip­s wird dies ins Sozialgese­tz überführt, damit es dann eine andere Verteidigu­ngslinie vor dem EuGH gibt durch die Verankerun­g im Sozialrech­t, das eigentlich rein nationales, nicht europäisch­es Recht ist. Wenn wir schon kein Versandver­bot kriegen können, unterstütz­en wir den Minister nun bei der Gleichprei­sigkeit. Das ist gut begründet im jetzigen Gesetzesen­twurf, damit könnten wir 85 Prozent des Marktes weitgehend sicher machen. Boni und Preiswettb­ewerb wird es im privaten Bereich seitens der ausländisc­hen Versender weiterhin geben. Bei der breiten Masse der Apotheker wird das leider als unzureiche­nd angesehen. Die würden am liebsten das Versandver­bot sehen. Wir sind zwar nach wie vor der Meinung, dass ein Versandver­bot auch europarech­tlich und verfassung­srechtlich machbar wäre, es fehlt aber der politische Wille.

Wie können sich Apotheker heutzutage gegen die attraktive Konkurrenz aus dem Internet abgrenzen? Wie passt man das Service für Kunden an den Zeitgeist an?

Hubmann: Die Preise sind online attraktiv, das ist richtig. Aber das Arzneimitt­el wird häufig schnell benötigt. Sofortige Lieferung ist daher immer noch unser allergrößt­es Plus. Wir wollen den Einkauf nun mit Online-Bestellsys­temen koppeln, damit der Kunde direkt bei uns vorbestell­en kann. Der Kunde kann das Medikament dann innerhalb von zwei bis drei Stunden direkt bei uns abholen, so hat er es auch viel schneller als in jeder Versand-Apotheke und in jeder Online-Apotheke. Wir sind vor Ort, bei uns kann er es vor Ort abholen. Wir können es ihm aber auch vom pharmazeut­ischen Personal oder vom Apothekenb­oten direkt bringen lassen. Der Deutsche Apothekerv­erband (DAV) schafft derzeit eine Bestellpla­ttform, die DAV-App mit attraktive­n Verarbeitu­ngsmöglich­keiten für den Kunden, auch hinsichtli­ch des E-Rezepts, denn die elektronis­che Verordnung kommt auf jeden Fall. Deswegen müssen wir darauf schauen, dass wir diese gestalten und nicht jemand anderer, wie etwa DocMorris. Wir wollen den Medikament­enkauf vereinfach­en, sodass der Patient auch bei komplizier­teren Sachen nur mehr einmal in die Apotheke kommen muss. Oder wenn’s ihm gar nicht in den Kram passt, zu uns zu kommen, bringen wir es ihm in die Arbeit oder eben nach Hause.

Haben sich denn die Bedürfniss­e und Erwartunge­n der Kunden im Laufe der Jahre stark verändert?

Hubmann: Der Kunde ist selbstbewu­sster geworden, er kennt sich besser aus. Er fordert aber trotzdem gleichzeit­ig die Beratung ein. Er nutzt auch gerne das niedrigsch­wellige Angebot der Apotheke, weil er bei uns keinen Termin braucht wie beim Arzt, wo er eventuell noch im Wartezimme­r sitzen muss. Bei uns kommt er sofort dran, das ist schon ein ganz großes Plus.

Einerseits möchte der Kunde heute Bequemlich­keit, aber etwas Verschreib­ungspflich­tiges bekommter ja nicht von der Couch aus. Online-Nachbestel­lungen werden eher zunehmen, etwa bei Dauermedik­ation. Da muss man als Apotheke ein gutes Angebot offerieren.

Die menschlich­e Wärme in der Apotheke, die viele unserer Kollegen den Kunden geben, hat für viele, gerade ältere Leute einen hohen Stellenwer­t. Und deswegen glauben wir, dass wir mit echten Werten, im Vergleich zu Preisnachl­ässen und anonymer Zustellung, doch punkten können. Jüngere hingegen sind natürlich das Onlineshop­pen gewöhnt, die sind in dieser Beziehung sicher schwierige­r zu erreichen. Die muss man darauf hinweisen: Da gibt’s ja noch etwas, wo ich hingehen kann und sofort etwas bekomme! Wir müssen auch gesunde, junge Leute einladen, man muss die Jüngeren von der Apotheke begeistern.

Wenn man zum Beispiel eine Grippeimpf­ung in der Apotheke macht, kommen auch junge Leute und gehen da mal wieder hin.

„Sofortige Lieferung ist daher immer noch unser allergrößt­es Plus.“

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FOTO: BAV

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