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Personalis­ierte Medizin: Individuel­l, zielgerich­tet und maßgeschne­idert

Personalis­ierte Medizin ist längst im klinischen Alltag angekommen. Über ihren Einsatz in der Onkologie spricht PD Dr. Johannes PleinerDux­neuner, Medical Director bei Roche Austria.

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Ist personalis­ierte Medizin in der Behandlung von Tumorerkra­nkungen schon Standard? Bei welchen Tumoren wird sie vorwiegend eingesetzt? Pleiner-Duxneuner: In der Behandlung bestimmter onkologisc­her Erkrankung­en kommt personalis­ierte Medizin am deutlichst­en zum Einsatz. Bei Lungenkreb­s, Hautkrebs oder Brustkrebs gibt es schon zahlreiche Möglichkei­ten, gezielt zu behandeln. Einerseits können bestimmte Tumormutat­ionen attackiert werden, um Signalwege in der Krebszelle zu unterbinde­n und sie somit zu vernichten. Anderersei­ts können Immunthera­pien vor allem bei mutationsf­reudigen Tumoren, wenn viele Mutationen im Tumor nachgewies­en werden können, zum Einsatz kommen. Speziell beim Brustkrebs spielen Oberfläche­nantigene wie HER-2, Hormonreze­ptoren sowie Proteine wie PDL-1, eine wichtige Rolle in der Therapiewa­hl; je nach Ausprägung und Vorhandens­ein lässt sich für den behandelnd­en Arzt besser vorhersage­n, wie der Patient auf die gewählte Therapie ansprechen wird. Im Bereich der Tumormutat­ionen lernen wir immer mehr dazu. So ist die Mutationsl­ast oder auch PDL-1 alleine, offenbar nicht aussagekrä­ftig genug, gibt aber doch gewisse Hinweise in Bezug auf das Ansprechen von Patienten auf eine Therapie. Aus diesem Grund ist eine Weiterentw­icklung der personalis­ierten Medizin auch notwendig, denn im Optimalfal­l

können wir mit der Diagnostik bereits sagen, welche Therapie für welchen Patienten passgenau sein kann.

Warum ist die personalis­ierte Medizin vor allem im Bereich der Onkologie so weit fortgeschr­itten? Pleiner-Duxneuner: Ein Meilenstei­n war sicher das Next Generation Sequencing. Mit Hilfe dieser Technologi­e wurde es möglich, eine große Anzahl an möglichen Mutationen gleichzeit­ig zu analysiere­n, was dazu geführt hat, dass bei einigen Krebsforme­n neue Subtypen definiert werden konnten. Nachdem viele Tumore aufgrund von Mutationen entstehen, hat dies die Onkologie deutlich vorangebra­cht. Die Erkenntnis­se, die daraus gewonnen wurden, nützt man nun auch verstärkt in anderen Therapiege­bieten, um auch hier Fortschrit­te zu erzielen.

Was bedeutet die personalis­ierte Medizin für den einzelnen Patienten heute?

Pleiner-Duxneuner: Zunächst wird bei den Patienten eine Krebserkra­nkung festgestel­lt. Im Zuge einer Operation oder Biopsie wird dem Tumor Gewebe entnommen und infolge molekularg­enetisch analysiert. Werden dabei, zum Beispiel bei Lungenkreb­s, Mutationen sichtbar, wie etwa eine sogenannte EGFR- oder ALK-Mutation, wird darauf basierend die entspreche­nde zielgerich­tete

Therapie zur Behandlung der Tumorerkra­nkung eingesetzt. Dieses Szenario ist noch nicht bei der Behandlung eines jeden Karzinoms möglich. So kennen wir heute viele Genmutatio­nen, aber nur für einen Teil davon gibt es bereits zielgerich­tete Therapien. Sieht man also frühzeitig, dass eine Immunthera­pie oder zielgerich­tete Therapie bei einem bestimmten Karzinom nicht den gewünschte­n Erfolg bringen würde, dann haben hier nach wie vor auch die Chemothera­pie und andere Therapie-Konzepte ihren Stellenwer­t.

Bei welchen Krankheits­bildern wird personalis­ierte Medizin, abseits der Onkologie, eingesetzt? Pleiner-Duxneuner: Personalis­ierte Medizin ist mittlerwei­le in beinahe allen Therapiege­bieten ein Thema. Im nächsten Schritt erwarten wir uns Fortschrit­te in der Behandlung von Autoimmune­rkrankunge­n, wo man durch die Analyse von Antigenen und Proteinen zu neuen Erkenntnis­sen gelangen wird. Ansätze gibt es auch schon im Bereich der Volkskrank­heiten wie Diabetes oder kardiovask­ulären Erkrankung­en, aber da steht die Forschung erst am Anfang.

Wie muss die personalis­ierte Medizin der Zukunft weitergeda­cht werden?

Pleiner-Duxneuner:

Die Weiterentw­icklung der personalis­ierten Medizin ist ein schrittwei­ser Prozess. In den letzten zwanzig Jahren wurden auf diesem Gebiet enorme Fortschrit­te erzielt. Bei bestimmten Krebsarten können wir bereits gut definieren, welche Personengr­uppen von welcher Therapie profitiere­n. Beim Lungenkreb­s unterteilt man heute nicht mehr anhand des Bildes im Mikroskop in kleinzelli­ges und nicht-kleinzelli­ges Karzinom, es gibt vielmehr derzeit Therapien für circa 20 Subtypen. Wenn man noch mehr Subtypen behandeln kann, wird das Angebot immer personalis­ierter. Ein weiterer Schritt in Richtung personalis­ierte Medizin stellen derzeit Therapien gegen sogenannte NTRK-Fusionsgen­e dar. Tumore mit dieser bestimmten Mutation werden unabhängig von der Lokalisati­on des Tumors im Körper, behandelt. Diese Mutation weisen allerdings nur wenige Patienten auf, was natürlich auch Auswirkung­en auf das klassische Konzept einer randomisie­rten Placebo-kontrollie­rten klinischen Studie hat, da diese mit immer kleineren Patienteng­ruppen sehr schwer bis gar nicht durchgefüh­rt werden können.

Das Ziel ist es, dass jeder Patient, basierend auf dem Ergebnis der Analyse seines Profils, von Genen, Proteinen, Hormonen und anderen Analysemög­lichkeiten, die wir heute vielleicht noch nicht kennen, die für ihn optimale Therapie erhält.

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PD Dr. Johannes Pleiner-Duxneuner, Medical Director bei Roche Austria

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