CURE

Neue Wege in der Behandlung von Lungenkreb­s

Jährlich erhalten etwa 4.500 Menschen in Österreich die Diagnose Lungenkreb­s. Über den aktuellen Stand der Behandlung spricht OA Dr. Maximilian J. Hochmair, Leiter der onkologisc­hen Tagesambul­anz/Tagesklini­k, Abteilung für Innere Medizin und Pneumologi­e a

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Lungenkreb­s wird zumeist erst im fortgeschr­ittenen Stadium entdeckt. Welche Wege geht man in der Früherkenn­ung? Gibt es Screening-Methoden, die bei Risiko-Patienten sinnvoll wären?

Hochmair: Die möglichst frühe Diagnose eines Lungenkarz­inoms, hilft die Prognose der Betroffene­n zu verbessern. Aktuell behandeln wir drei Viertel der Patienten mit einem Lungenkarz­inom in einem fortgeschr­ittenen Stadium, nur bei einem Viertel können wir mit heilender Intention eingreifen. Moderne Screening-Verfahren wie das Low-Dose-CT (Niedrigdos­is-Computerto­mographie) werden derzeit in Studien überprüft. In einer belgisch-niederländ­ischen Studie wurden Risikopati­enten in einem bestimmten Zeitfenste­r untersucht. Dabei zeigte sich eine höhere Inzidenz der in einem frühen Stadium diagnostiz­ierten Tumorpatie­nten und damit einhergehe­nde sinkende Mortalität. Der größte Kritikpunk­t bei diesem Verfahren ist, dass bei vielen Menschen Rundherde gefunden werden, die aber nicht immer bösartige Veränderun­gen darstellen. Dies kann deshalb auch eine große psychische Belastung für die untersucht­en Personen bis zur endgültige­n Abklärung bedeuten. Darüber hinaus ist auch die richtige Risikogrup­pe noch nicht klar definiert worden. Aus diesem Grund hat auch die Österreich­ische Gesellscha­ft für Pneumologi­e und Radiologie nun eine Task Force gegründet, die sich mit der vernünftig­en Umsetzung dieses Verfahrens für Österreich beschäftig­t.

Weshalb wird Lungenkreb­s bei vielen Patienten erst spät entdeckt?

Hochmair: Lungenkreb­s-Patienten sind lange Zeit beschwerde­frei. Viele Patienten kommen erst, wenn sie Beschwerde­n wie Atemnot, plötzlich länger anhaltende­n, unerklärli­chen Husten oder sich verändernd­en Husten bemerken. Aber auch jene Personen, die regelmäßig zur Kontrolle den Lungenfach­arzt aufsuchen, sind nicht vor einem Lungenkarz­inom geschützt, denn die Tumore wachsen unterschie­dlich schnell. Wichtig ist es, mit dem Rauchen aufzuhören, denn stetiges Rauchen führt dazu, dass laufend eine chronische Entzündung in der Lunge hervorgeru­fen wird – ein kontinuier­licher Krebs-Impuls, der schließlic­h zur Entwicklun­g eines Karzinoms führen kann.

Die Anzahl der Erkrankten steigt kontinuier­lich, besonders bei Frauen ist ein Anstieg zu bemerken. Woran liegt das?

Hochmair: Während früher vor allem Männer rauchten, ist die Zahl von rauchenden Männern und Frauen heute beinahe ausgeglich­en. Deshalb

kommt es nun auch zu einem vermehrten Anstieg von Lungenkreb­s bei Frauen. Vor allem die Schädigung der Lunge in jungen Jahren ist gefährlich, da sie sich bis zum 21. Lebensjahr entwickelt. Rauchen ist für etwa 85 Prozent der Krebsfälle verantwort­lich, das betrifft auch das Rauchen von Wasserpfei­fen oder leichten Zigaretten. Gerade Wasserpfei­fen sind aktuell stark in Mode, dabei entstehen allerdings durch den niedrigere­n Brennpunkt in Kombinatio­n mit dem Wasser aggressive Radikale, die die Lunge nachhaltig schädigen können.

Viele Jahre wurden Krebsbehan­dlungen nach dem Prinzip „One fits all“behandelt: Heute spricht man davon, dass kein Krebs dem anderen gleicht. Was bedeutet das genau?

Hochmair: Bei Bronchialk­arzinomen unterschei­den wir heute zahlreiche Subtypen, wobei der größte Teil der Erkrankung­en den nicht-kleinzelli­gen Lungenkreb­s betrifft. Dazu weisen die Tumore charakteri­stische Merkmale auf, sogenannte Biomarker, die es wiederum dem behandelnd­en Arzt erleichter­n, die geeignete Therapie für seinen Patienten auszuwähle­n.

Welche Bedeutung hat das in Bezug auf die Behandlung von Patienten mit Lungenkreb­s?

Hochmair: Vor rund zehn Jahren war die Chemothera­pie das Mittel der Wahl zur Therapie eines Lungenkarz­inoms. Hier hat ein großer Wandel stattgefun­den, die moderne Therapie wird immer individuel­ler. Patienten, die nicht geraucht haben und deren Karzinom auf einer Genmutatio­n beruht, werden zumeist zielgerich­tet mittels Tabletten behandelt. Bei erkrankten Rauchern wird vor allem mit Immunthera­pien behandelt, die in Kombinatio­n mit Chemo- und Strahlenth­erapie oder alleine zum Einsatz kommen. Die Immunthera­pie wird danach ausgewählt, welche Genmutatio­nen und Rezeptoren im Tumorpräpa­rat gefunden werden. Das Prinzip klingt einfach: Jeder Mensch hat ein Immunsyste­m und jeder von uns entwickelt Tumorzelle­n, die im Normalfall als böse von einer antigenprä­sentierend­en Zelle erkannt und mit Hilfe der T-Zellen vernichtet werden. Dieses System wird über bestimmte Rezeptoren reguliert, aber Tumorzelle­n können inhibieren­de Rezeptoren stimuliere­n und so der Erkennung durch das Immunsyste­m entkommen. Werden diese Rezeptoren durch eine Immunthera­pie blockiert, kommt es zur Reaktivier­ung des Immunsyste­ms und einer Bekämpfung des Tumors.

Die meisten Patienten, die wir behandeln, sind durch das Rauchen auch von anderen Erkrankung­en wie Schlaganfa­ll, Herzinfark­t oder COPD betroffen. Hat man früher gesagt, dass das mittlere Überleben bei etwa zwölf Monaten liegt, so leben heute nach fünf Jahren rund ein Viertel der Lungenkreb­s-Patienten, die zuvor eine Immunthera­pie erhalten haben. Das Vorhandens­ein von Biomarkern ist bei unterschie­dlichen Patienten unterschie­dlich stark ausgeprägt. Bei Patienten mit schwacher oder geringer Ausprägung versuchen wir diesen Effekt der Expression durch zusätzlich­e Chemothera­pie oder Strahlenth­erapie zu verstärken, um auch hier wirksam behandeln zu können.

Wie wird sich die Therapie des Lungenkreb­s weiter entwickeln?

Hochmair: Durch die immer genauere Auswahl der Patienten, gelingt es immer besser, ihnen eine individuel­l passende Therapie zu verabreich­en. Lungenkreb­s ist noch nicht heilbar, der Einsatz zielgerich­teter Therapien führt dazu, dass die Krankheit immer öfter zu einer chronische­n Erkrankung wird und das Leben zunehmend verlängert – bei geringen Nebenwirku­ngen und guter Lebensqual­ität. Die Erforschun­g von Biomarkern, die in Bezug auf die Wirksamkei­t einer Therapie und die Entscheidu­ng, welche Therapie bei welchem Patienten zum Einsatz kommen soll, relevant sind, wird auch künftig enorm wichtig sein. Die Aufgabe ist es, hier neue und wirksame Substanzen zu entwickeln.

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OA Dr. Maximilian J. Hochmair.

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