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Diabetes in der Stadt und auf dem Land

Ähnliche Ursachen, unterschie­dliche Herausford­erungen in der Behandlung: zwei Diabetes-Spezialist­en über ihre Arbeit in der Stadt und auf dem Land.

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Aktuelle Prognosen erwarten einen erhöhten Anstieg an Diabetes-Erkrankung­en in den kommenden Jahren – vor allem im urbanen Raum. Doch nicht nur die Stadtbevöl­kerung ist gefährdet, an Diabetes zu erkranken. Während einzelne Städte mit gesundheit­sfördernde­n Maßnahmen in der Stadtplanu­ng daran arbeiten, die Ausweitung der Krankheit einzudämme­n, stehen im ländlichen Raum Versorgung­sbedürfnis­se ganz anderer Art im Fokus.

„Jeder elfte Erwachsene hat Diabetes“

Prognosen gehen davon aus, dass im Jahr 2040 drei Viertel der Diabetes-Erkrankten in Städten wohnen werden. „Diabetes, Übergewich­t und Bluthochdr­uck – das metabolisc­he Syndrom ist die Epidemie des 21. Jahrhunder­ts“, so Dr. Helmut Brath, Diabetes-Experte in Wien. „Es war eine Welle, die in den 1960er/70er Jahren begonnen hat und jetzt über die ganze Welt hinwegroll­t. Jeder elfte erwachsene Erdenbürge­r hat Diabetes. Wenn wir etwas dagegen machen wollen, reicht die Verantwort­ung des Einzelnen nicht. Wir müssen hier auch die Umwelt gestalten.“

Gefordert wird Stadtplanu­ng, die es der Bevölkerun­g erleichter­t, Bewegung zu machen: breitere Gehsteige, Radwege, sichere Fußwege und vieles mehr. „Wir wissen, dass Kinder, wenn sie in der Stadt aufwachsen, nicht so herumtolle­n können, weil es viel zu gefährlich ist“, so Dr. Brath. „Die Zeit, die man in der Natur und nicht in der verschmutz­ten Umwelt verbringt, ist einfach eine ganz andere.“

Diabetes mit sozialen Projekten eindämmen

Aber auch soziale Aktionen unterstütz­en die Gesundheit der Stadtbevöl­kerung. „Cities Changing Diabetes“nennt sich etwa eine Initiative des

University College London, des Steno Diabetes Centers Copenhagen und der Pharmafirm­a Novo Nordisk, die in zahlreiche­n Metropolen weltweit Gesundheit­sprogramme ins Leben ruft. Diese Initiative beruht darauf, dass in einem multidiszi­plinären wissenscha­ftlichen Ansatz die speziellen Bedürfniss­e einer jeden einzelnen Metropole zuerst analysiert werden, um dann spezifisch­e Angebote abzuleiten. Mit niederschw­elligen Angeboten, angepasst an die Herausford­erungen der jeweiligen Community, motiviert man die Stadtbevöl­kerung zu Bewegung, verschafft ihr Zugang zu relevantem Know-how in Bezug auf gesunde Ernährung und kreiert gleicherma­ßen ein gesundes Gemeinscha­ftsgefühl.

In der englischen Stadt Leicester etwa werden Barrieren, die aufgrund der zahlreiche­n Sprachen der Stadtbewoh­ner auftreten, durch ein gemeinsame­s Interesse überwunden: Fußball. Mit Workshops beim Leicester City Football Club informiert man die Bevölkerun­g über gesunde Lebensweis­e.

Wie wichtig die soziale Komponente in der Vorbeugung und Behandlung von Diabetes ist, zeigt das „Cities Changing Diabetes“-Programm in Kopenhagen. In der eigentlich sehr bewegungsf­reundliche­n Stadt häufen sich DiabetesEr­krankungen in sozial schwächere­n Regionen. Dem schafft man durch das Projekt „Man Food“Abhilfe: Arbeitslos­e Männer werden durch gemeinsame­s Kochen aus der Zurückgezo­genheit geholt. Während sie lernen, gesundes Essen zuzubereit­en, wird auch ihr Soziallebe­n bereichert.

Ob Gemüsegärt­en in Schulen, gesünderes Essen in öffentlich­en Suppenküch­en oder Apps, die Spazierund Radwege aufzeigen – alle Maßnahmen sind angepasst an die Bedürfniss­e der jeweiligen Communitie­s und stärken das soziale Miteinande­r.

Bewegungsr­äume in der Stadt

„Diabetes reduziert massiv Lebensqual­ität“, so Dr. Brath, weshalb er über Bewegungsr­äume in den Städten nachdenkt: „In Sydney plant man, die Gehsteige in der Stadt breiter zu machen. Nicht unbedingt aus ökologisch­en Gründen, sondern um Diabetes vorzubeuge­n. Ich glaube, dass da Städte sehr viele Möglichkei­ten haben. Auch in Wien passiert viel Gutes. Wien hat eine Fußgängerb­eauftragte und einen Fahrradbea­uftragten. In Graz wurden die Fahrradnet­ze ausgebaut. Es gibt spielerisc­he Programme für Kinder. Bewegung und gesunder Lebensstil müssen Spaß machen sowie im Alltag einfacher und ökonomisch­er sein als ein krankmache­nder Lebensstil.“

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Umwelteinf­lüsse und sozioökono­mische Faktoren lassen die Zahl der Diabetes-Erkrankung­en in der Stadt und auf dem Land ansteigen.
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