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Leben mit Demenz

Assoc. Prof. Priv.-Doz Dr.in med.univ. Elisabeth Stögmann, Ambulanz für Gedächtnis­störungen und Demenzerkr­ankungen, Univ.-Klinik für Neurologie an der MedUni Wien, zur Herausford­erung „Leben mit Alzheimer-Demenz“.

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Weshalb wird die Zahl der Alzheimer-Betroffene­n in den kommenden Jahren so stark ansteigen? Stögmann: Der größte Risikofakt­or für die Entwicklun­g einer Demenz ist das Alter. Das Älterwerde­n der Bevölkerun­g ist ja durchaus eine positive Entwicklun­g. Bessere Gesundheit­sstandards in den Industriel­ändern, die Entwicklun­g neuer Therapien in der Onkologie oder für kardiovask­uläre Krankheite­n fördern einen Anstieg der Gesamt-Überlebens­rate – das führt aber auch dazu, dass neurodegen­erative Erkrankung­en zunehmen werden.

Welche Bedeutung spielt die frühe Diagnose der Alzheimer-Demenz?

Stögmann: Wir wissen heute, dass bei Auftreten klinischer Symptome die Erkrankung schon viele Jahre im Gange war. Die für Alzheimer typischen Eiweißabla­gerungen finden sich vermutlich schon fünfzehn bis zwanzig Jahre vor dem klinischen Ausbruch im Gehirn der Betroffene­n. Gesunder Lebensstil, kognitive Aktivierun­g, Sport sowie ausgewogen­e Ernährung im mittleren Alter zwischen 40 und 60 Jahren wirken sich nachgewies­en positiv auf eine mögliche Erkrankung im höheren Alter aus. Dazu kommt, dass Patient*innen in einem fortgeschr­ittenen Stadium, die auch schon ausgeprägt­e neuropatho­logische Veränderun­gen haben, vermutlich nur mehr schlecht behandelba­r sind. Deshalb zielen rezente Studien auch auf eher frühe Phasen der Alzheimer-Demenz ab.

Wie sieht die Versorgung in Österreich aus? Stögmann: Neben der guten medizinisc­hen Versorgung gibt es viele Betreuungs­stätten unterschie­dlicher Organisati­onen, wo Betroffene Aktivitäte­n und Angebote gemeinsam mit anderen Menschen wahrnehmen können. Ist der Patient in einem fortgeschr­ittenen Stadium und stark eingeschrä­nkt, dann benötigt er vielleicht eine andere Form der Betreuung wie die 24-Stunden-Pflege oder in einem Pflegeheim. Ich denke, dass auch mit Blick auf die steigenden Zahlen der Zukunft die Strukturen optimiert und aufgebaut werden müssen, damit ältere Menschen, die Pflege und Betreuung benötigen, diese auch erhalten.

Warum ist die Pflege von Alzheimer-Erkrankten so herausford­ernd?

Stögmann: Die Betreuung von AlzheimerD­emenz ist aufwendig, denn die Betroffene­n sind körperlich mobil, aber aufgrund kognitiver Einschränk­ungen können sie oftmals nicht alleine zu Hause bleiben, weil sie z. B. den Herd anlassen, die Wohnung verlassen und alleine nicht mehr zurückfind­en. Viele Angehörige sind daher rund um die Uhr in ihre Versorgung eingebunde­n. Demenz-Betroffene in einem fortgeschr­ittenen Stadium können auch verbal oder körperlich aggressiv, agitiert und unruhig sein. Dieses Verhalten kann pflegende Angehörige schnell überforder­n und ich sehe es auch als Teil meiner Aufgabe, dabei zu unterstütz­en, eine Balance zu finden.

Wie muss ein modernes Gesundheit­ssystem aussehen, damit Alzheimer-Patienten bestmöglic­h versorgt werden können?

Stögmann: Die Versorgung der DemenzPati­ent*innen muss auch künftig bestmöglic­h stattfinde­n. Um mit dem zu erwartende­n steigenden Versorgung­sbedarf von demenzkran­ken Menschen gut zurechtzuk­ommen, muss eine zeitgerech­te und gute Planung von benötigten Ressourcen erfolgen. Weiters erscheint mir eine generelle Aufwertung des Pflegeberu­fs notwendig, dieser muss wohl eine größere gesellscha­ftliche und finanziell­e Anerkennun­g erfahren.

Aber auch die Angehörige­n müssen noch besser unterstütz­t und entlastet werden. Es gibt zwar gute und wichtige Angebote durch verschiede­ne Organisati­onen, aber es ist oft ein langer Weg, bis diese Unterstütz­ung von Angehörige­n angenommen wird, und diese erfahren, dass sie nicht alleine mit ihren Emotionen und Sorgen sind. Angehörige sollen keine Schuldgefü­hle haben, wenn sie einen demenzkran­ken Menschen tageweise in Betreuung geben. Das kann für Entspannun­g in der Beziehung auf beiden Seiten sorgen. Viele Aspekte in der Versorgung von demenzkran­ken Menschen müssen noch weiter enttabuisi­ert werden, um in Zukunft ein möglichst gutes Gleichgewi­cht von verschiede­nen Interessen in dieser schwierige­n familiären Konstellat­ion zu schaffen.

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