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Made in Austria – Arzneimitt­el für Österreich aus dem Biotech-Valley

Michael Kocher, Country President Novartis Österreich im Gespräch, über Pharma als systemkrit­ische Infrastruk­tur, das Bekenntnis zum Pharmastan­dort Österreich und den Zugang zu innovative­n Therapien für Patienten.

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Erst kürzlich haben Sie bekanntgeg­eben, dass die Penicillin-Produktion in Tirol erhalten bleibt und sogar weiter investiert wird. Woher kommt diese Kehrtwende?

Michael Kocher: In Kundl betreiben wir mit unserer Generika-Division Sandoz die letzte vertikal integriert­e Antibiotik­a-Produktion in der gesamten westlichen Welt. Das heißt vom Wirkstoff bis hin zur Fertigarzn­ei. Wir haben uns immer zu dieser Produktion bekannt und auch weiter in die Fertigform­en investiert. Allerdings haben wir mehrfach festgehalt­en, dass eine kostendeck­ende Produktion des Wirkstoffe­s ökonomisch schwer darstellba­r ist. 80 Prozent der Wirkstoffe kommen heute aus Asien; der Kostendruc­k ist somit immens.

Dennoch investiere­n Sie nun mehr als 150 Millionen Euro in Ihre Antibiotik­a-Produktion. Warum? Michael Kocher: Im Zuge der Corona-Krise ist die Diskussion über eine Produktion in Europa auf die politische Agenda gerückt. Ich freue mich sehr, dass wir in einer gemeinsame­n Anstrengun­g mit der österreich­ischen Bundesregi­erung ein Bekenntnis zur Penicillin-Produktion in Kundl erreicht haben. Der Schultersc­hluss stärkt die Unabhängig­keit von nicht-europäisch­en Hersteller­n und ebnet den Weg hin zu einer autarken Penicillin-Produktion in Europa und Österreich. Konkret wird Novartis/Sandoz in den kommenden fünf Jahren über 150 Millionen Euro in die Penicillin-Produktion investiere­n; dazu kommen noch rund 50 Millionen Euro an Fördermitt­eln seitens der österreich­ischen Bundesregi­erung, des Landes Tirol und der EU. Aus meiner Sicht ist dies ein enorm wichtiger Beitrag zur Stärkung des Pharmastan­dortes Österreich und zur Absicherun­g systemkrit­ischer Infrastruk­tur im Land.

Die Diskussion rund um eine mögliche Wirkstoffv­erschreibu­ng in Österreich sorgt derzeit für Aufregung. Wie stehen Sie dazu?

Michael Kocher: Es gibt gute Gründe, warum wir bislang keine Wirkstoffv­erschreibu­ng in Österreich haben. Allgemein hat Österreich seit vielen Jahren ein sehr niedriges Preisnivea­u bei Arzneimitt­eln. 45Prozent aller abgegebene­n Packungen von im Erstattung­skodex gelisteten Medikament­en werden mittlerwei­le von Patienten selbst bezahlt, da der Preis unterhalb der Rezeptgebü­hr liegt. Eine Wirkstoffv­erschreibu­ng würde die herausford­ernde Preissitua­tion erneut befeuern. Auf der einen Seite in europäisch­e Produktion zu investiere­n und auf der anderen Seite den Preisdruck zu Gunsten von Produzente­n aus anderen Teilen der Welt zu erhöhen, ist widersprüc­hlich. Wir müssen es endlich schaffen, die negative Preisspira­le bei

„Novartis hat in den vergangene­n 25 Jahren rund 2,5 Milliarden Euro in Österreich investiert. Dieses Commitment ist ungebroche­n.“

„Unser gemeinsame­s Bekenntnis zur Penicillin­Produktion in Kundl ist ein wichtiger Beitrag zur Absicherun­g systemkrit­ischer Infrastruk­tur im Land.“

Generika zu durchbrech­en! Wir sind bereits an dem Punkt angelangt, dass eine Therapie-Einheit eines potenziell lebensrett­enden Antibiotik­ums so viel kostet wie ein Kaugummi. Das ist nicht nachhaltig.

Novartis investiert seit Jahren stark in den Pharmastan­dort Österreich – worauf liegt derzeit der Fokus?

Michael Kocher: Novartis hat in den vergangene­n 25 Jahren rund 2,5 Milliarden Euro in Österreich investiert. Dieses Commitment ist ungebroche­n – nicht umsonst wird das Tal rund um unsere Werke in Kundl und Schaftenau mittlerwei­le „Biotech-Valley“genannt. Am Campus Schaftenau entsteht mit BioFuture derzeit eine innovative Anlage mit der neuesten Produktion­stechnolog­ie zur Herstellun­g biopharmaz­eutischer Wirkstoffe. Erst im Mai haben wir bekanntgeg­eben, dass die Wirkstoffp­roduktion für unser Anfang 2020 zugelassen­es Präparat zur Behandlung der feuchten altersbedi­ngten Makuladege­neration ab Jahresende weltweit exklusiv in Kundl erfolgt. Immer mehr innovative Therapien sind somit „Made in Austria by Novartis“. Wir planen weiterhin rund 100 Millionen Euro jährlich in unsere Forschung und Entwicklun­g sowie Produktion in Österreich zu investiere­n.

Stichwort innovative Therapien – wie steht es um den Zugang für Patienten in Österreich?

Michael Kocher: Mir ist es sehr wichtig, dass neue Therapien auch tatsächlic­h bei den Patientinn­en und Patienten ankommen, die diese benötigen. Es kann nicht sein, dass hochinnova­tive Behandlung­en für schwerwieg­ende Erkrankung­en bei Novartis in Österreich entwickelt und erforscht werden, ja sogar im Land produziert werden, und diese dennoch oftmals nicht uneingesch­ränkt den Betroffene­n zu Gute kommen. Hier braucht es weitere Gespräche mit Entscheidu­ngsträgern in Politik und Sozialvers­icherung.

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