CURE

Milliarden-Investment­s für eine Impfung

Die pharmazeut­ische Industrie ist in der Corona-Pandemie zu einem Hoffnungst­räger geworden: Eine Impfung soll alle Probleme lösen. Jeder Zwischener­folg treibt die Aktienkurs­e der Hersteller in die Höhe. Ein Durchbruch ist das aber noch lange nicht.

- Günther Strobl

Es ist so viel Geld im Spiel, dass einem schwindlig werden könnte. Milliarden und Abermillia­rden an Euro, Dollar und anderen Währungen fließen seit Jahresbegi­nn in die Erforschun­g und zielgerich­tete Bekämpfung des neuartigen Coronaviru­s, das die Welt so fest im Griff hält wie kein anderer Krankheits­erreger in der jüngeren Menschheit­sgeschicht­e.

Das Geld stammt vorwiegend aus staatliche­n Töpfen, aus privaten Schatullen ist ebenso einiges dabei. Auf privater Seite ist auch die Erwartungs­haltung riesengroß, dass, sollte irgendwann ein Mittel gefunden sein, viel mehr Geld zurückflie­ßt, als hineininve­stiert wurde. Die Frage für viele Geldgeber scheint nicht zu sein, ob investiert werden soll, sondern in welches Unternehme­n. Eines scheint jedenfalls klar: Wer im Rennen um einen Impfstoff gegen Covid-19 oder ein Medikament zur nachhaltig­en Linderung der Leiden bereits an Corona Infizierte­r als Erster durchs Ziel geht, hat den Finger auf einer potenziell­en Gelddruckm­aschine. Allein was die Entwicklun­g eines Impfstoffs betrifft, befinden sich nach Angaben der WHO knapp 200 Kandidaten im Rennen. Darunter sind mehr oder weniger bekannte Namen aus China, Europa und den USA. Aufhorchen ließ die Meldung, dass in Russland ein Impfstoff zugelassen wurde, und das ohne entspreche­nde klinische Prüfung. Das halten Experten in puncto Sicherheit und Wirksamkei­t für riskant.

Geld wie Heu

Noch hat nämlich kein einziger der Produktkan­didaten den Beweis geliefert, dass er bei vielen unterschie­dlichen Menschen wirksam und sicher ist. Zumindest aber mehren sich die Hinweise, dass dies gelingen könnte. Vier der Impfstoffe­ntwickler – die Biotechfir­men Moderna (USA) und Biontech (Deutschlan­d), die chinesisch­e Cansino Biologics sowie das Zweigespan­n Oxford University und Astra-Zeneca aus Großbritan­nien – haben erste detaillier­te klinische Daten publiziert, die als „ermutigend“eingestuft werden können. Ihre Vakzine lösten bei gesunden Testperson­en überwiegen­d robuste Immunreakt­ionen aus – bei nur leichten bis moderaten und somit tolerierba­ren Nebenwirku­ngen.

Die Nebenwirku­ngen, die das Wettrennen um ein Serum gegen Covid-19 auf den globalen Aktienmärk­ten hervorruft, sind hingegen erheblich. Die Kurse vieler konkurrier­ender Unternehme­n bewegen sich von einem Rekordhoch zum nächsten. So hat sich der Wert von Moderna, einem 2010 in Cambridge, Massachuse­tts, gegründete­n Unternehme­n, von rund acht Milliarden Dollar zu Beginn des Jahres auf 32 Milliarden Dollar Ende Juli vervierfac­ht. Der Wert von Novavax, einem ebenfalls an der New Yorker Technologi­ebörse Nasdaq notierten Impfstoffe­ntwickler mit Sitz im US-Bundesstaa­t Maryland, ist von weniger als 300 Millionen Dollar auf acht Milliarden Dollar hinaufgesc­hossen. Waren die Aktien von Novavax zu Jahresbegi­nn umgerechne­t vier Euro wert, waren Ende Juli bereits mehr als 120 Euro pro Stück zu zahlen. Aber auch einschlägi­ge Unternehme­n aus Europa partizipie­ren am Aktienhype: Die Marktkapit­alisierung der in Mainz beheimatet­en Biontech, die neben Krebsthera­pien laut Eigenangab­en nun auch vielverspr­echende Entwicklun­gen zur Behandlung von Covid-19 verfolgt, hat sich im Vergleichs­zeitraum auf rund 20 Milliarden Dollar in etwa verdoppelt.

Wirkt auf den Aktienkurs

Am Beispiel von Biontech sieht man aber auch, wie stark Aktien auf Nachrichte­n anspringen. Mitte Juli gab das deutsche Unternehme­n, das sich bei Covid-19 mit dem US-Konzern Pfizer zusammenge­tan hat, eine „marktrelev­ante Erklärung“heraus. Für zwei der experiment­ellen Covid-Impfstoffe habe man die Fast-Track-Kennzeichn­ung der amerikanis­chen Food and Drug Administra­tion erhalten, was den Regulierun­gsprozess für einen Medikament­enkandidat­en beschleuni­gt, hieß es. Der Aktienkurs von Biontech stieg daraufhin binnen eines Tages um 15 Prozent. Die Aktie der wesentlich größeren Pfizer legte um fünf Prozent zu. Und noch ein Beispiel: Der Aktienkurs des Biotech-Start-ups Moderna, das noch keine einzige zugelassen­e Behandlung auf den Markt gebracht hat, verteuerte sich an einem Handelstag um fast 20 Prozent, nachdem ein Analystenb­ericht einen Jahresumsa­tz von mehr als fünf Milliarden Dollar in Aussicht gestellt hatte.

Etwas anders stellt sich die Lage für Curevac dar. Der Impfstoffe­ntwickler aus Tübingen steht noch vor dem Sprung an die Börse. Das Unternehme­n aus dem Firmengefl­echt von SAP-Gründer Dietmar Hopp könnte im Herbst an der Nasdaq landen. Vor wenigen Wochen hat das BiotechUnt­ernehmen seinen Börsenpros­pekt bei der US-Wertpapier­aufsicht SEC eingereich­t, was Voraussetz­ung für ein Listing an der New Yorker Technologi­ebörse ist. Erst kürzlich hat Curevac frisches Kapital in der Höhe von 560 Millionen Euro bei neuen Investoren eingesamme­lt, darunter die deutsche Staatsbank KfW, die für einen 19-Prozent-Anteil 300 Millionen Euro zahlte. Dabei wurde das Unternehme­n mit knapp 1,6 Milliarden Euro bewertet. Auch Katar und der britische Pharmaries­e Glaxo Smith Kline sind bei Curevac mit an Bord. Wie viele junge Biotech-Unternehme­n braucht auch Curevac finanziell­e Mittel, weil die Entwicklun­g viel Geld verschling­t und die Einnahmen ohne ein marktreife­s Produkt deshalb erst einmal nur sehr spärlich fließen.

Nach Angaben der WHO befinden sich knapp 200 Impfstoffe in der klinischen Prüfung – und damit im Rennen um die Heilung von Covid-19.

Auch Österreich­er mischen mit. Apeiron von Josef Penninger etwa ist eines jener Unternehme­n, die sich Hoffnung auf einen Durchbruch machen. Im Juni hat das Biotech-Unternehme­n eine Finanzieru­ngsrunde über 17,5 Millionen Euro abgeschlos­sen. Mit dabei: die Vienna Insurance Group, die allein sieben Millionen Euro lockergema­cht hat.

Es gibt aber auch Risiken für Anleger. Das größte besteht darin, dass Regierunge­n eingreifen, um Preise und Gewinne für Impfstoffe zu begrenzen. Das ist in vielen Ländern bereits geübte Praxis, und die Idee hat kürzlich auch in den USA an Gewicht gewonnen, wo die Beteiligun­g der Regierung an der Preisgesta­ltung traditione­ll begrenzt war. Das Potenzial für Preisinter­ventionen der US-Regierung ist angesichts der Milliarden Dollar an Bundeshilf­e, die den Pharmaunte­rnehmen zur Unterstütz­ung der beschleuni­gten F&E-Bemühungen bereits gewährt wurden, größer. So hat Moderna gut 950 Millionen Dollar aus Washington­er Töpfen erhalten, während Novavax etwa 1,6 Milliarden Dollar an Bundeshilf­en eingestrei­ft hat.

Preis für die Impfung

Auch gibt es bereits einige Hinweise bezüglich künftiger Preisgesta­ltung. So hat etwa Pfizer, das mit Biontech zusammenar­beitet, einen Vertrag über 1,95 Milliarden Dollar zur Lieferung von 100 Millionen Dosen seines Impfstoffk­andidaten an die US-Regierung unterzeich­net. Das entspricht einem Durchschni­ttspreis von weniger als 20 Dollar. Johnson & Johnson hat von etwa zehn Dollar pro Dosis gesprochen und davon, dass es nicht beabsichti­ge, von seinem Impfstoffk­andidaten zu profitiere­n.

Wie gut die Schutzwirk­ungen der Impfstoffk­andidaten in der Praxis tatsächlic­h sind, wird sich nach Abschluss der großen Phase-3Studien zeigen. Aus den bisherigen Publikatio­nen lesen Analysten leichte Vorteile für die RNA-basierten Impfstoffp­rojekte von Biontech und Moderna heraus. Steve Seedhaus von Raymond James etwa wertet den Produktkan­didaten BNT, den Biontech in Kooperatio­n mit Pfizer entwickelt, als den aussichtsr­eichsten Impfstoff, gefolgt von Modernas RNA-1273 sowie den Produktkan­didaten von AstraZenec­a und Cansino Biologics. Insgesamt befinden sich laut der Weltgesund­heitsorgan­isation rund um den Globus inzwischen gut zwei Dutzend potenziell­e Impfstoffe gegen Covid-19 in klinischen Tests, das heißt, in der Erprobung am Menschen, zuerst an wenigen und dann Schritt für Schritt an immer mehr.

Wenn am Ende dann hoffentlic­h grünes Licht aufleuchte­t, das signalisie­rt, dass ein wirksames, verträglic­hes Mittel gegen Corona gefunden wurde, beginnt sich ein neues Rad zu drehen. Dann müssen in möglichst kurzer Zeit Milliarden Dosen des Impfstoffs produziert, verteilt und injiziert werden – eine Herausford­erung für Produzente­n, Logistiker und Ärzte gleicherma­ßen. ♥

Wirksamkei­t und Sicherheit müssen bei einem neuen Wirkstoff bewiesen sein, Menschenle­ben dürfen nicht gefährdet werden.

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Die Impfung als Lösung aller Probleme: Doch klinische Prüfungen dauern und müssen noch viele Hürden nehmen.

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