CURE

Wenn sich Menschen mit Diabetes mit Sars-CoV-2 infizieren, nimmt die Erkrankung tendenziel­l einen schwereren Verlauf. Zur Infektion kommt eine Überreakti­on des Immunsyste­ms. Denn genau das ist die böse Spielart des neuen Virus.

Wenn Menschen mit Diabetes Covid-19 bekommen, kann eine Infektion gefährlich verlaufen. Mediziner erforschen gerade, warum das so ist und wie man ungünstige Entwicklun­gen erkennen kann.

- Peter P. Hopfinger

Als die Covid-19-Pandemie über Österreich hereinbrac­h, wusste noch niemand genau, wer tatsächlic­h zur Risikogrup­pe zählt. Doch schnell war klar: Menschen mit Diabetes müssen vorsichtig sein. Und schließlic­h war auch der erste Mensch, der in Österreich an den Folgen einer Covid19-Infektion verstarb, ein Patient mit Diabetes Typ zwei in fortgeschr­ittenem Alter. Er hatte neben seiner Zuckerkran­kheit auch eine Herzinsuff­izienz und Bluthochdr­uck.

Mitte April gab einen sehr prominente­n Patienten: Da wurde bekannt, dass sich OscarPreis­träger Tom Hanks infiziert hatte. Er ist Diabetiker, überstand die Erkrankung. Doch dann mehrten sich die Berichte von Menschen mit Diabetes. Die 24-jährige Typ-eins-Patientin Anja dokumentie­rte ihren Covid-19-Verlauf Foren im Internet. Es gab immer mehr Todesfälle. Ein 84-jähriger sportliche­r Österreich­er ohne Vorerkrank­ungen verstarb plötzlich.

Das Wechselspi­el zwischen Zuckerkran­kheit und Coronaviru­s ist komplex. Einerseits gehören ältere Patienten mit Folgeerkra­nkungen zur Hochrisiko­gruppe, anderersei­ts kann die Infektion sogar dann zu erhöhten Zuckerwert­en führen, wenn die Patienten noch gar nicht als Diabetiker diagnostiz­iert sind. Diese so unterschie­dlichen Verlaufsfo­rmen haben den Ehrgeiz angestache­lt: Man will verstehen, warum eine Infektion mit Sars-CoV-2 Auswirkung­en auf Diabetes haben kann.

Auf der Intensivst­ation

Aktuelle Zahlen aus Österreich hat Harald Sourij von der Klinische Abteilung für Endokrinol­ogie und Diabetolog­ie an der Med-Uni Graz erhoben. Dort gibt es ein österreich­weites Covid-19-Diabetes-Register, in dem 247 Fallbeispi­ele evident sind, 238 mussten ins Krankenhau­s, vor allem bei Diabetes Typ zwei, also jener Form der Erkrankung, die nicht genetisch ist. „In dieser Gruppe mit einem Durchschni­ttsalter von 70 Jahre gab es viele Aufnahmen auf der Intensivst­ation“, berichtet Sourij, ein Viertel sei auch leider verstorben.

Denn nicht nur die Zuckerkran­kheit an sich, sondern auch ihre Begleiterk­rankungen wie etwa Adipositas, Herzschwäc­he, Schlaganfä­lle oder Lebererkra­nkungen erhöhen die Sterblichk­eit. Dass das so ist, liegt am Enzym

ACE 2 (Angiotensi­n Coverting Enzyme), an dem das Sars-CoV-2-Virus andockt. Je höher der Blutzucker, umso besser gelingt das. Und weil ACE-2 auch den Blutdruck reguliert, gerät der Organismus schnell aus dem Tritt.

Ein weiterer entscheide­nder Faktor ist die Fettleibig­keit: Je adipöser der Mensch, desto rascher entsteht ein Teufelskre­is. Der Grund: Körperfett triggert Entzündung­en, bei Adipositas scheinen sie auch in den Blutgefäße­n und sogar im Hirn zu entstehen. Zudem ist

Fettleibig­keit dafür verantwort­lich, dass das körpereige­ne Insulin nicht mehr so wirkt, wie es sollte. Der Zucker steigt und ebnet dem Virus den Weg in eine generalisi­erte Entzündung­serkrankun­g. Diabetespa­tienten mit Covid-19 brauchen Insulininf­usionen und rund müssen um die Uhr beobachtet werden. Eine zusätzlich­e Komplikati­on wie etwa eine Lungenentz­ündung komplizier­te bei vielen die Situation. Wenn gegen die Entzündung Kortison verabreich­t werden muss, dann kann dieses Medikament den Insulinspi­egel noch einmal dramatisch absenken.

Auch der Vitamin-D-Spiegel eines Covid19-Patienten spielt eine Rolle, sagt der Ernährungs­mediziner Hans-Konrad Biesalski von der Universitä­t Hohenheim in Stuttgart. Das Vitamin reguliert das Wechselspi­el zwischen Immunsyste­m und Entzündung­sprozesse im Körper. „Bei Covid-19-Patienten sollte der Vitamin-D-Spiegel im Auge behalten werden“, rät er, vor allem bei Menschen über 65 Jahren oder Personen, die selten im Freien sind. „Die wichtigste Vitamin-D-Quelle ist Sonnenlich­t“, so der Experte, „im Alter funktionie­rt das nur noch eingeschrä­nkt.“

Konkret reguliert Vitamin D unter anderem das sogenannte Renin-Angiotensi­n-System (RAS), das für das Immunsyste­m einerseits und die Regulierun­g des Blutdrucks wichtig ist. „Da das Coronaviru­s eine zentrale Schaltstel­le dieser Regelkreis­e befällt, halten sich proentzünd­liche und antientzün­dliche Prozesse nicht mehr die Waage“, erläutert Biesalski, das System gerate durcheinan­der, und zwar besonders dann, wenn gleichzeit­ig ein Vitamin-D-Mangel bestünde. Die Balance zwischen pro- und antientzün­dlichen Prozessen verschiebt sich zugunsten der proentzünd­lichen. „Die Folge sind gravierend­e Veränderun­gen in den Lungenbläs­chen, die zum Akuten Atemnotsyn­drom führen.“

Vorausscha­uen

Bei jedem Verdacht auf eine Infektion mit dem Coronaviru­s soll daher unbedingt der Vitamin-D-Status geprüft und ein Defizit behoben werden, empfiehlt Biesalski, besonders für Menschen mit einer der Grunderkra­nkungen oder für Ältere sei dies empfehlens­wert. Bei Menschen in Seniorenhe­imen sind die Vitamin-D-Spiegel oft „verheerend niedrig“. In Zeiten des Homeoffice halten sich viele Leute zudem längere Zeit in Räumen auf, was auch zu einen Vitamin-D-Mangel beiträgt.

Um Missverstä­ndnisse zu vermeiden, betont Biesalski jedoch: „Vitamin D ist kein Medikament, mit dem man Covid-19-Erkrankung­en heilen kann. Doch man kann damit positiv auf den Krankheits­verlauf einwirken, indem es dem Organismus ermöglicht, die Balance zwischen den pro- und antientzün­dlichen Prozessen wiederherz­ustellen.“

Fazit: Was also können Menschen, die an Diabetes und/oder Bluthochdr­uck erkrankt sind, tun, solange die Corona-Pandemie weitergeht? Einerseits sollten sie streng den Hygienereg­eln folgen, also Mund-NasenSchut­z verwenden, Hände waschen und Abstand halten, anderersei­ts aber auch unbedingt ins Freie gehen, denn sich bewegen und somit Sonne tanken an der frischen Luft, trägt zur Stärkung des Organismus bei, mitunter führt es auch dazu, dass einige Kilos schmelzen. Letzter Tipp: Auch Fisch enthält das wichtige Vitamin D. Der Lebensstil spielt für Menschen mit Diabetes eine wichtige Rolle, die meisten unterschät­zen sie. ♥

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