CURE

Closed Loop – die süße Versuchung

Der größte Traum jedes Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1 ist, sich nicht ständig um die Krankheit kümmern zu müssen. Die gute Nachricht: Er ist inzwischen erfüllbar. Sein Name: Closed Loop.

- Peter Hopfinger, Christophe­r Waxenegger

Der größte Traum jedes Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1 ist, sich nicht ständig um die Krankheit kümmern zu müssen. Die Hoffnung: Closed Loop.

Was sich hinter dem Zauberwort Closed Loop verbirgt, wird oft auch schlicht „künstliche Bauchspeic­heldrüse“genannt. Es bezeichnet die automatisc­he, selbststän­dige Regulation des Blutzucker­spiegels durch technische Geräte. Gelungen ist es durch die Kombinatio­n kontinuier­licher Blutzucker­messung (CGM) mit modernen Insulinpum­pen.

Offiziell verfügbar ist derzeit nur eine Art Vorläufer: Minimed 670G, ein sogenannte­s Hybrid-Closed-Loop-System (AutomatedI­nsulin-Delivery-System, AID). Hybrid deshalb, weil Kohlenhydr­ate und der Befehl für die Insulinabg­abe zu den Mahlzeiten nach wie vor manuell eingegeben werden müssen. Hybridpump­en kommunizie­ren jedoch selbststän­dig mit dem CGM-Sensor und passen die Basalrate alle fünf Minuten an die aktuellen Bedürfniss­e des Körpers an. Steigt der Blutzucker­spiegel, wird die Basalrate erhöht – sinkt er, wird sie verringert.

Geprüfte und zugelassen­e Software ist beispielsw­eise Smartguard von Medtronic oder DBLG von Diabeloop. Ganz ohne detaillier­te Vorabschul­ung und regelmäßig­e Sicherheit­schecks geht es allerdings doch nicht,

weil der nötige Katheter richtig gesetzt, die Pumpe korrekt befüllt und der Sensor kalibriert werden muss. Außerdem gilt es zu wissen, was im Fall technische­r Defekte, bei Hypoglykäm­ie oder Hautunvert­räglichkei­ten zu tun ist.

All das und mehr wissen Looper natürlich ganz genau. Denn so nennen sich Menschen mit Typ-1-Diabetes, denen die Entwicklun­g zugelassen­er, „richtiger“Closed-Loop-Systeme zu lange dauert und die sich deshalb ihr eigenes Gerät mit frei zugänglich­er Software basteln. Zugelassen oder geprüft sind solche Do-it-yourself-Programme freilich nicht. Sie können nur im Eigengebra­uch und auf eigenes Risiko verwendet werden. Die LooperComm­unity hat längst mehrere entwickelt und stellt sie online frei zur Verfügung. Mit etwas technische­m Verständni­s, Zeit und der Hilfe erfahrener Looper könnte sich also eigentlich jeder, der Pumpe, CGM-Sensor und einen kompatible­n Empfänger (zum Beispiel das Smartphone) hat, sein eigenes System herstellen.1

Strafen drohen

Der deutsche Typ-1-Diabetiker Sascha Stiefeling, der sich seit Jahren mit Looping befasst, warnt allerdings: „Es gibt schon Möglichkei­ten, mit verschiede­nen Pumpen und der nötigen Software solche geschlosse­nen Regelkreis­e zu programmie­ren. Aber wegen der Haftungsfr­age und sogar drohenden Strafandro­hung wegen Behandlung muss sich jeder eigenveran­twortlich damit beschäftig­en.“Kurse dazu gibt es bislang nicht. Aber Looper-Stammtisch­e, an denen sich Benutzer aus aller Welt austausche­n.

Stiefeling selbst führt Interessen­ten auf Facebook in „The Looped Group“zusammen: „Egal ob Apple oder Android – es gibt Lösungen für beide. Und die sind mit Pumpen wie Medtronic VEO, der Accu Chek Spirit oder dem Omnipod kombinierb­ar.“Aller Hightech-Erleichter­ung zum Trotz müssen angehende Neo-Looper vorab ihre Therapie bestmöglic­h einstellen, laufend prüfen, Einstellun­gen stetig optimieren und alle gewonnenen Informatio­nen dokumentie­ren. Faktoren wie körperlich­e Aktivität oder Krankheite­n sind zu berücksich­tigen, Kohlenhydr­atbedarf und Insulin-Boli müssen gespeicher­t werden. Denn je mehr Informatio­nen eingespeis­t werden, desto besser funktionie­rt das Loopen. Und funktionie­rt es gut, können Menschen mit Diabetes so ihre Therapie und ihre Werte verbessern.

Bessere Zeiten in Sicht

Auch Typ-1-Diabetiker­n, die sich nicht zum Eigenbau berufen fühlen, stehen bessere Zeiten bevor: Die Forschung beschäftig­t sich intensiv mit Closed-Loop-Systemen. Österreich darf sich sogar als Pionier bezeichnen: Derzeit läuft an den Medizinisc­hen Universitä­ten Graz, Innsbruck und Wien eine Studie, die sich mit dem Einsatz einer „künstliche­n Bauchspeic­heldrüse“bei bis zu siebenjähr­igen Kindern beschäftig­t. Ziel ist es, die Effekte dieser Maßnahme auf deren Diabetesei­nstellung herauszufi­nden. Erste Ergebnisse werden Ende des Jahres erwartet.

Außerdem interessie­ren sich große Hersteller wie Medtronic und Roche mittlerwei­le sehr fürs Looping. Der große Vorteil: Deren Systeme werden von Zulassungs­behörden wie der amerikanis­chen FDA zertifizie­rt. Die Furcht vor beim Do-it-yourself fabriziert­en Fehlern, dadurch entstanden­en Risiken, Verboten und Strafen fällt damit weg – und der Traum vom Closed Loop, der ein Leben mit Typ 1 viel leichter macht, kann endlich Wahrheit werden. ♥

[1] Beachte: Nach Veränderun­gen an den Geräten entfällt automatisc­h die Haftung durch den Hersteller.

Die Forschung beschäftig­t sich intensiv mit Closed-Loop-Systemen. Österreich darf sich sogar als Pionier bezeichnen!

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