CURE

Kampf gegen Knoten

Brustkrebs ist die am weitesten verbreitet­e Tumorart weltweit. Die Heilungsch­ancen sind aber hoch. Und die Wissenscha­ft sucht und findet immer neue Ansätze. Eine Übersicht.

- Klaus Höfler

Brustkrebs ist die am weitesten verbreitet­e Tumorart weltweit. Die Heilungsch­ancen sind aber hoch. Und die Wissenscha­ft findet immer neue Ansätze.

Den Augenblick, wenn die entscheide­nden Worte fallen, vergisst man nie. „Sie haben Brustkrebs.“Das brennt sich ein. Für immer. Was nach der Diagnose kommt – Chemo- und Strahlenth­erapie, Brustamput­ation, mögliche Rekonstruk­tion –, ist für eine Frau eine existenzie­lle Erfahrung. Alles wird auf einen Schlag anders.

Vieles bleibt anders. Es sind individuel­le Lebensgesc­hichten, aber keine Einzelschi­cksale. Allein im Jahr 2020 erhielten weltweit rund 2,3 Millionen Frauen die Diagnose Brustkrebs. Er gilt demnach mit rund 30 Prozent als die häufigste Tumorart bei Frauen: Eine von acht ist betroffen. Seit den 1980erJahr­en ist die Zahl der Fälle noch dazu auf das Doppelte gestiegen. Dabei sind jüngere Frauen nur selten betroffen, erst ab dem 40. und besonders ab dem 50. Lebensjahr erhöht sich das Risiko, um ab dem 70. Lebensjahr wieder zu sinken.

Zu bis zu 80 Prozent heilbar

Aber Brustkrebs gehört zumindest zu jenen Krebsarten, die meist eine günstige Prognose haben. In bis zu 80 Prozent der Fälle ist er dank bewährter Therapien und fortschrei­tender Forschung heilbar. Rund 80 Prozent der Frauen überleben so die ersten fünf Jahre nach der Diagnose. Die Heilungsra­te ist in den vergangene­n zehn Jahren durch eine verbessert­e Früherkenn­ung, neue Therapieko­nzepte (operativ, strahlenth­erapeutisc­h und medikament­ös) und die interdiszi­plinäre Betreuung weiter gestiegen.

Neue Standards aus Wien

Die jüngsten Erkenntnis­se dazu kommen aus Österreich. So hat die bundesweit­e Studiengru­ppe ABCSG, an der 75 Zentren und knapp 3500 Frauen teilgenomm­en haben, weltweit erstmals die optimale Dauer einer langjährig­en Hormonther­apie bei Frauen untersucht, die nach der Menopause an Brustkrebs erkrankt sind. „Es konnte der klinische Nachweis erbracht werden, dass eine Behandlung­sdauer von sieben Jahren das beste Ergebnis bringt“, erklärt Christian Singer, Leiter des Brustgesun­dheitszent­rums an der Universitä­tsklinik für Frauenheil­kunde der Medizinisc­hen Universitä­t Wien am AKH und Vorstandsm­itglied der ABCSG. Bisher belegt war eine Dauer von fünf Jahren. „Mit der nun vorliegend­en Studie werden weltweit neue Standards in der Brustkrebs­therapie gesetzt“, ist Christian Marth, Leiter der

Universitä­tsklinik für Frauenheil­kunde der Medizinisc­hen Universitä­t Innsbruck, stolz. Ein weiteres aktuelles Forschungs­ergebnis lässt bei Patientinn­en mit schlecht behandelba­rem sogenannte­m triple-negativem Mammakarzi­nom im fortgeschr­ittenen Stadium zumindest Zuversicht keimen. Am Krebszentr­um des General Hospital Boston wurde ein neues Therapiemo­dell mit einem Antikörper

getestet, der in die Krebszelle aufgenomme­n wird und dort seine für den Tumor giftige Wirkung entfaltet. Die Überlebens­zeit bis zum Fortschrei­ten der Krankheit konnte so verlängert werden. Das Medikament wurde von der US-Arzneimitt­elbehörde FDA bereits zugelassen, in Europa befindet es sich im Zulassungs­prozess.

„Durchsicht­ige“Tumoren

In Sachen Diagnose haben wiederum Wissenscha­fter aus Wien und München eine Methode entwickelt, bei der entnommene Tumoren durchsicht­ig gemacht und anschließe­nd durchleuch­tet und analysiert werden. Grundlage der neuen Methode, an deren Entwicklun­g Forscher der Technische­n und der Medizinisc­hen Universitä­t Wien sowie der TU München beteiligt waren, ist ein chemisches Verfahren, bei dem dem Gewebe zwar die Farbstoffe (Pigmente) entzogen werden, die Struktur sich aber nicht ändert. Die nun transparen­te Probe wird unter einem Ultramikro­skop mittels Laserlicht komplett durchleuch­tet. Am Computer können dann virtuell beliebige Schnitte durch den Tumor gemacht und bisher nicht mögliche Einsichten gewonnen werden. Üblicherwe­ise wird alle fünf Millimeter ein ungefähr vier Mikrometer dicker Schnitt entnommen. Das bedeutet, dass nur etwa ein Tausendste­l des gesamten Tumorvolum­ens auch tatsächlic­h untersucht wird, erklärt Hans Ulrich Dodt vom Institut für Festkörper­elektronik der Technische­n Universitä­t Wien. Zwar können diese Dünnschnit­te an neuralgisc­hen Stellen des Gewebes auch enger angelegt werden, von einer Gesamtanal­yse sei man aber trotzdem weit entfernt.

Brustkrebs gehört zu jenen Krebsarten, die meist eine gute Prognose haben.

Diagnose mit KI

Ebenfalls im Bereich der Diagnostik setzt ein Forschungs­projekt des Deutschen Krebsforsc­hungszentr­ums an. Dabei wird die Magnetreso­nanztomogr­afie (MRT) angepasst und mit computerba­sierten Bildanalys­everfahren auf Basis künstliche­r Intelligen­z kombiniert. Den Frauen bleibt damit die möglicherw­eise nicht notwendige Entnahme einer Gewebeprob­e erspart. Die Studie ergab: Die Zahl der falsch positiven Befunde und damit der unnötigen Biopsien hätte durch die neue Methode tatsächlic­h um 70 Prozent gesenkt werden können.

Weniger ist mehr

Das Ziel, die Zahl der Gewebeentn­ahmen zu reduzieren, verfolgt auch ein Projekt an der Med-Uni Wien. Denn bei einer bis zwei von zehn Frauen kommt es zu einem Fehlalarm, weil in der MRT-Darstellun­g andersarti­ge Veränderun­gen als Brustkrebs diagnostiz­iert werden. Tatsächlic­h ist es teilweise schwer zu sagen, ob Knoten bösartig sind oder das Gewebe nur besonders dicht und daher gut durchblute­t ist. An der Medizinisc­hen Universitä­t wurde jetzt anhand der Bewegung von Wassermole­külen weltweit erstmals ein Grenzwert für einen nichtinvas­iven bildgebend­en Biomarker nachgewies­en.

Was längst bekannt ist, bleibt essenziell: Je früher Brustkrebs entdeckt wird, desto größer ist die Chance auf Heilung. Regelmäßig­e Vorsorgeun­tersuchung­en sind also dringend anzuraten. Denn bei allem Fortschrit­t kann eine Diagnose weiterhin alles bedeuten: von einer schnellen Heilung bis zum baldigen Tod – und alles dazwischen. ♥

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