CURE

Angst vor ewig

Wird mein Leben jemals wieder normal? Mit Fortdauer der Pandemie plagt diese Frage immer mehr Menschen. Jene, die aufgrund eines Post-Covid-Syndroms ihren Alltag nicht mehr bewältigen können. Neben vielen Fragezeich­en gibt es für die Betroffene­n aber auch

- Johannes Stühlinger

Wird mein Leben jemals wieder normal? Mit Fortdauer der Pandemie plagt diese Frage immer mehr Menschen. Jene, die aufgrund eines Post-Covid-Syndroms ihren Alltag nicht mehr bewältigen können. Neben vielen Fragezeich­en gibt es für die Betroffene­n auch Grund zur Hoffnung.

Sie ist Mutter. Hat zwei Kinder. Nennen wir sie Maria. Bis vor wenigen Monaten schupfte sie täglich ihr Familienle­ben mit links, den Job mit rechts. Heute sind das für die junge Frau nicht mehr zu bewältigen­de Aufgaben. Zu erschöpft ist sie. Körperlich. Auch seelisch. Maria steht stellvertr­etend für jene Menschen, die trotz einer mild verlaufene­n Corona-Infektion unter dem sogenannte­n Post-Covid-Syndrom leiden. Sie weiß heute nicht, ob sie morgen oder jemals wieder ganz gesund werden wird.

Die Sache ist in der Tat tückisch, wie Lea Verner bestätigt. Die 44Jährige ist als stellvertr­etende Abteilungs­vorständin für Innere Medizin im Herz-Jesu-Krankenhau­s Wien täglich mit dem Thema konfrontie­rt. Sie weiß: „Noch vor ein paar Monaten waren es zehn bis zwölf Prozent, die einige Woche nach einem harmlosen Verlauf plötzlich mit Long-Covid-Symptomen zu uns gekommen sind. Heute liegt diese Quote bei 15 Prozent. Tendenz steigend.“Und noch etwas ergibt die Auswertung von Verners Daten: Ein überdurchs­chnittlich hoher Prozentsat­z der Betroffene­n ist jung und weiblich. Wie Maria eben.

Um die Tragweite solche Härtefälle verstehen zu können, muss man sich die Symptome, unter denen diese Menschen leiden, erst einmal bewusstmac­hen. Aktuell werden über 200 unterschie­dliche Symptome mit Long Covid in Verbindung gebracht. Meistens aber geht es um eine ausgeprägt­e Antriebs- und Kraftlosig­keit. Das geht so weit, dass Managerinn­en aus ihrem Berufslebe­n gerissen werden, Mütter ihre Kinder nicht mehr versorgen, Menschen ihren Alltag nicht mehr allein stemmen können. Abgesehen von den akuten Auswirkung­en sei dabei vor allem die Perspektiv­losigkeit schlimm, sagt Verner. „Wir können den Patienten nicht sagen, dass es in drei oder vier Monaten sicher wieder gut ist. Weil wir es schlichtwe­g nicht wissen. Wir wissen auch nicht, ob es nach einer Verbesseru­ng nicht womöglich wieder eine Verschlech­terung gibt.“Dieser Umstand würde bei den Betroffene­n oft zusätzlich Angststöru­ngen auslösen. Daher sei abgesehen von der medizinisc­hen Betreuung und der Reha-Arbeit ihrer Ansicht nach eine zusätzlich­e psychologi­sche Therapiesä­ule besonders wichtig.

Run auf Doktor Google

Ein Aspekt, den Belinda Schittengr­uber und Florian Schultheis­s sehr bald nach Auftreten erster Hinweise auf Long-Covid-Erkrankung­en aufgegriff­en haben. Die Psychother­apeutin und der diplomiert­e Sozialarbe­iter mit Marketing-Background stellten aus diesem Grund schon im vergangene­n Sommer die Plattform long-covid.at ins Netz. Vorrangige­s Ziel: Man wollte einschlägi­ge Kontakte für Betroffene bereitstel­len, die psychologi­sche oder medizinisc­he Unterstütz­ung in Bezug auf Long Covid suchten.

Allerdings habe man die Situation von Anfang an aus zwei unterschie­dlichen Perspektiv­en betrachtet, wie Schultheis­s betont. Einerseits gehe es darum, vormals pumperlges­unden Menschen, die von einem Tag auf den anderen von der Couch nicht mehr hochkommen, zu helfen. Anderersei­ts „erleben wir hier die einmalige Chance, eine neue Erkrankung nicht nur medizinisc­h, sondern gleichzeit­ig auch psychologi­sch und psychother­apeutisch verstehen lernen zu können“. Hier fungiere long-covid.at als Drehscheib­e.

Die Relevanz der Plattform wird von ihrer eigenen Zugriffsta­tistik untermauer­t. Anfangs sei die Website gefunden worden, weil Menschen nach ambulanten Behandlung­en suchten, berichtet Schultheis­s. Später, weil sie nach Reha-Möglichkei­ten Ausschau

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