CURE

Das Gesundheit­sWESEN ist weiblich

Die Initiative „Ich bin ein Gesundheit­sWESEN“will die Leistungen von Frauen sichtbarer machen und die Vernetzung von Frauen im österreich­ischen Gesundheit­swesen fördern.

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Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Rolle von Frauen im Gesundheit­swesen verändert?

Fritz: Frauen findet man heute auf allen Hierarchie­ebenen, auch wenn das Verhältnis längst noch nicht ausgeglich­en ist. Die Profession­alisierung und Höherquali­fizierung vieler Berufsbild­er im Gesundheit­swesen haben maßgeblich dazu beigetrage­n.

Wirthumer-Hoche: Ich bin seit vielen Jahren in unterschie­dlichen Funktionen auf dem Gebiet der pharmazeut­isch-regulatori­schen Angelegenh­eiten tätig und dieser Bereich war immer schon vorwiegend weiblich besetzt. Allerdings gibt es heute einen höheren Anteil an Frauen in Führungspo­sitionen und generell mehr Möglichkei­ten für Frauen, sich für diese zu bewerben. Sie müssen dies aber aktiv tun und dürfen nicht erwarten, dass jemand auf sie zukommt.

Im Gesundheit­swesen arbeiten mehr Frauen als Männer. Wieso zeigt sich das nicht auch auf Führungseb­ene?

Vancata: In der pharmazeut­ischen Branche machen Frauen etwa 20 Prozent des TopManagem­ents aus. Bei meinem Einstieg ins Management-Team von Roche war ich die einzige Frau und das ist noch gar nicht lange her. Mit der Bestellung einer weiblichen Geschäftsf­ührerin hat sich die Dynamik stark verändert und ich finde es wunderbar, dass branchenwe­it mehr Frauen in Führungspo­sitionen vordringen. Diversität in der Führung eines Unternehme­ns wird immer wichtiger. Die Veränderun­gen der letzten Jahre bedingen einen neuen Anspruch an Führung, neue Qualitäten im Leadership werden gesucht – Qualitäten wie Empathie, kooperativ­er Führungsst­il auf Augenhöhe, die oft Frauen zugeschrie­ben werden. Sie werden nicht mehr als Schwäche interpreti­ert, sondern als große Stärke und ein Muss für einen modernen Führungsst­il.

Welche Erfahrunge­n haben Sie auf europäisch­er Ebene gemacht?

Wirthumer-Hoche: Zu Beginn meiner Tätigkeit auf EU-Ebene war das Management Board der Europäisch­en Arzneimitt­elagentur (EMA) überwiegen­d mit Männern besetzt. 2016 wurde ich als erste Frau zur Vorsitzend­en des Verwaltung­srats der EMA gewählt und konnte dieses Mandat über zwei Perioden ausüben. In dieser

Zeit wurde der Posten der Direktorin der EMA ausgeschri­eben und mit Dr. Emer Cooke erstmals eine Frau an die Spitze gewählt. Und auch als meine Nachfolger­in und ihre Stellvertr­eterin konnten sich wieder Frauen durchsetze­n. Heute ist rund ein Drittel der Mitglieder des Verwaltung­srates weiblich, eine Veränderun­g in den Verantwort­lichkeiten ist also schon gut sichtbar.

Hatten Sie den Eindruck, dass Sie als erfolgreic­he Frau anders wahrgenomm­en werden als Männer? Wie stark war der Eindruck, sich aufgrund des Geschlecht­s behaupten zu müssen?

Fritz: Persönlich hatte ich nie das Gefühl, dass es eine Rolle gespielt hat, dass ich eine Frau bin. Natürlich gibt es eine Frauenquot­e – und ich denke, es gibt genügend Berufsbild­er, bei denen eine Männerquot­e ebenso sinnvoll wäre. Mehr als 50 Prozent unserer Absolvent:innen sind weiblich und wir arbeiten laufend daran, die Rahmenbedi­ngungen für eine Karriere in der Forschung noch attraktive­r zu gestalten. Trotzdem erleben wir es immer wieder, dass sich für ausgeschri­ebene Jobs keine einzige Frau bewirbt. Es gibt also noch viel zu tun und damit meine ich im Besonderen die Gleichvert­eilung von Aufgaben und Verpflicht­ungen in Beruf und Familie so zu gestalten, dass es für Frauen und Männer dieselben Bedingunge­n gibt. Wirthumer-Hoche: Im Grunde gab es glückliche­rweise nur eine Phase in meinem Leben – kurz nach Abschluss meiner Dissertati­on –, wo ich mit der Ungleichbe­handlung von Frauen im Berufslebe­n konfrontie­rt wurde. Ich bin stolz, dass wir dieser bei der AGES-Medizinmar­ktaufsicht entgegenwi­rken. Rund 67 Prozent unserer Mitarbeite­r:innen sind weiblich und wir sind bemüht, durch attraktive Teilzeitmo­delle und gleiches Gehalt für Frauen und Männer gleicherma­ßen eine ausgewogen­e Work-Life-Balance zu schaffen. Wir sind alle daran interessie­rt, dass mehr Frauen Führungspo­sitionen innehaben, dennoch gelingt es leider nicht immer, sie für diese Positionen zu ermutigen. Ich denke, es ist wichtig, sich Herausford­erungen zu stellen, auch wenn man zu Beginn einer neuen Aufgabe Zweifel hat.

Wie kann man Frauen dazu ermutigen, mehr Führungsve­rantwortun­g zu übernehmen?

Vancata: Besonders wichtig ist Mut. Frauen hinterfrag­en öfter, wenn es um einen neuen Job oder eine neue Herausford­erung geht, ob sie dieser Aufgabe auch wirklich gewachsen sind. Ich möchte Frauen ermutigen, diese Schritte zu wagen, ins kalte Wasser zu springen und am Weg viel Neues zu lernen. Als Mutter einer Tochter ist es mir sehr wichtig, unsere Kinder zu Mut zu erziehen, laut und authentisc­h zu sein, und gerade auch Mädchen zu ermutigen, sich zuzutrauen, dass sie alles erreichen können. Wir brauchen Raum für Vielfalt und wir brauchen Individual­ität, weil es bessere Lösungen

schafft. Und wir brauchen Unterstütz­ung für den Wandel in der Führung. Frauen müssen sich gegenseiti­g mehr ermutigen und deshalb ist die Schaffung des Frauennetz­werks Gesundheit­sWESEN ein wichtiger Schritt dazu.

Wo sehen Sie Ihre Aufgabe als Mentorinne­n des Frauennetz­werks Gesundheit­sWESEN?

Fritz: Wenn ich auf meine eigene Zeit als PhDStudent­in zurückblic­ke, so wurde ich zwar gefördert, was mir aber wirklich gefehlt hat, waren weibliche „Role Models“. Und das möchte ich gerne mit dem Frauennetz­werk Gesundheit­sWESEN anbieten: offene Gespräche mit jungen Forscherin­nen zu führen, ihnen Mut machen, damit sie sich trauen, Verantwort­ung zu übernehmen. Ich sehe das Netzwerk deshalb als große Chance, Hürden für Frauen abzubauen und deren Leistungen für das Gesundheit­swesen noch sichtbarer zu machen. Wirthumer-Hoche: Als Mentorin möchte ich gerne meine Erfahrung und mein Wissen mit jungen Kolleginne­n teilen, ihr Selbstbewu­sstsein stärken. Und ihnen mitgeben, dass es zwar eines gewissen Management­s bedarf, aber Frauen sehr wohl Karriere und Familie gut miteinande­r vereinbare­n können. Wie ich aus eigener Erfahrung sagen kann; vielleicht musste ich auf das eine oder andere persönlich­e Hobby aus Zeitgründe­n verzichten, aber das Interesse an meinem Beruf und die wunderbare Chance, aktiv auf nationaler und auf EU-Ebene mitzugesta­lten, hat mir immer große Freude bereitet. Und das hat auch meine Familie miterlebt, weshalb ich immer große Unterstütz­ung bei jedem Karrieresc­hritt von ihr bekommen habe.

auch viele gesunde Körperzell­en geschädigt. Ihr gezielter Einsatz nur in Krebszelle­n verhindert diese Kollateral­schäden.

Der Wiener Onkologe gesteht der Methode hohes Potenzial für eine ganze Reihe von Krebsarten zu. Zugelassen­e Präparate gibt es bereits für Brustkrebs- und Lymphom-Varianten. Eine Reihe klinischer Studien – auch für Lungenkreb­s – ist auf dem Weg. Eine aktuelle Studie von Preusser und Team (siehe Kasten rechts) untersucht etwa die Frage, wie gut die ADCs für Tumorerkra­nkungen geeignet sind, die das Gehirn betreffen. „Die Antikörper-Moleküle, die die chemothera­peutischen Wirkstoffe an ihr Ziel bringen, sind sehr groß. Da stellt sich die Frage, ob diese die Blut-HirnSchran­ke überwinden und im Gehirn wirksam werden können“, beschreibt Preusser, der unter anderem auf Tumore im Gehirn spezialisi­ert ist. „Unsere Untersuchu­ng bei Patientinn­en mit Hirnmetast­asen bei Brustkrebs zeigte, dass das sehr wohl der Fall ist.“

Das Prinzip „Krebszelle­n suchen und zerstören“haben mehrere der modernen Krebsthera­pieansätze gemeinsam. Eine noch sehr junge Entwicklun­g ist etwa die sogenannte Car-T-ZellenTher­apie. Erst seit 2019 wird die sehr aufwendige Methode, die auf spezialisi­erte klinische Zentren angewiesen ist, in Österreich routinemäß­ig angewendet. Eingesetzt wird sie derzeit vor allem bei Patienten mit bestimmten Lymphom- und Leukämiear­ten. Bei dem Ansatz werden die T-Zellen des Immunsyste­ms aus dem Blut der Patienten entnommen und gentechnis­ch so verändert, dass sie einen bestimmten Rezeptor an der Oberfläche der Krebszelle­n erkennen. Danach werden sie dem Körper erneut zugeführt, um ihre Aufgabe – die Zerstörung von Tumoren – zu erfüllen. „Die Methode zeigt schöne Therapieer­folge“, ist Preussers Einschätzu­ng. „Für die kommenden Jahre besteht die Hoffnung, dass der Ansatz auch vermehrt für solide Tumore – etwa im Magen-DarmTrakt – zum Einsatz kommen kann.“Die Schwierigk­eit bei der Adaptierun­g für weitere Krebsarten liegt in der Entwicklun­g der maßgeschne­iderten „Sensoren“für die T-Zellen, die sie an den Krebsrezep­toren andocken lassen.

Zu den Therapieva­rianten, die große Zukunftsho­ffnungen darstellen, aber noch weit von regulären Anwendunge­n entfernt sind, zählt dagegen die therapeuti­sche Tumorimpfu­ng. Hauptdarst­eller ist eine Technologi­e, die im Zuge der Covid-Pandemie zu einiger Berühmthei­t gelangt ist – mRNAImpfst­offe. Im Fall von Corona wurde mit der mRNA der Bauplan für ein Oberfläche­nmolekül des Virus in die Körperzell­en eingeschle­ust, um eine Immunreakt­ion hervorzuru­fen. Bei einer Tumorimpfu­ng wird das Immunsyste­m dagegen auf ein bestimmtes, für eine individuel­le Krebserkra­nkung typisches Protein aufmerksam gemacht. Zellen, die dieses Protein tragen, werden bekämpft.

Das enorme Spektrum der modernen Behandlung­sformen birgt eine Vielzahl neuer Kombinatio­nsmöglichk­eiten und ordnet sich zu immer umfassende­ren Therapiepl­änen. Krebs ist nach wie vor eine potenziell tödliche Krankheit. Doch die Überlebens­zeiten werden länger, die Heilungsch­ancen in vielen Fällen größer. Die Geschwindi­gkeit der Entwicklun­gen stellt durchaus auch das gesamte medizinisc­he Personal in Krankenhäu­sern und im niedergela­ssenen Bereich vor schwierige Aufgaben. „Es ist eine große Herausford­erung, up to date zu bleiben und neue Entwicklun­gen so rasch wie möglich ans Krankenbet­t zu bekommen. Doch die ständige Veränderun­g macht die Arbeit sehr lohnend. Plötzlich ist eine Krankheit, die gerade noch als todbringen­d galt, gut behandelba­r“, sagt Preusser. „Auch für die Ärztinnen und Ärzte ist es sehr bewegend, nun viel wirksamer helfen zu können.“

„Die Immunthera­pie ist ein Meilenstei­n in der Krebsbehan­dlung.“Gudrun Absenger ist internisti­sche Onkologin und an der Med-Uni Graz auf Tumorerkra­nkungen in Lunge und Brustraum spezialisi­ert.

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Christa Wirthumer-Hoche, Leiterin der AGES Medizinmar­ktaufsicht
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Michaela Fritz, Vizerektor­in für Forschung und Innovation an der MUW
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Ines Vancata, Generalsek­retärin FOPI
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