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Antivirale COVID-19-Therapien: Symptome rasch abklären!

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Antivirale COVID-19 Medikament­e können eine Infektion mit SARS-CoV-2 nicht verhindern, den Verlauf der Erkrankung allerdings mildern und verkürzen sowie schwere Verläufe mit möglichen Krankenhau­saufenthal­ten oder sogar etwaigen Todesfälle­n deutlich minimieren.

Im Executive Report der Kommission zur Gesamtstaa­tlichen Krisenkoor­dination (GECKO) vom 27. Juni 2022 wird festgehalt­en: „Die Therapeuti­ka sind neben der Impfung der beste Schutz, um Risiko- und Hochrisiko­patienten vor einem schweren Verlauf zu schützen. Die Notwendigk­eit, eine rasche Verfügbark­eit dieser Medikament­e sicherzust­ellen, ist klar hervorzuhe­ben. Es ist besonders wichtig, die Therapeuti­ka nach erkannter Ansteckung innerhalb weniger Tage einnehmen zu können, um die bestmöglic­he Wirkung zu erzielen.“

Dazu haben wir mit Univ.-Prof. Dr. Alexander Zoufaly, 4. Medizinisc­he Abteilung mit Infektions- und Tropenmedi­zin, Klinik Favoriten, und Dr. Edgar Wutscher, Obmann der Bundeskuri­e niedergela­ssene Ärzte der Österreich­ischen Ärztekamme­r, gesprochen.

Was versteht man unter antivirale­r Therapie?

Zoufaly: Ähnlich wie bei anderen Viruserkra­nkungen wie HIV, Hepatitis oder Influenza können diese Medikament­e die Vermehrung des Virus hemmen und führen dadurch zu einer schnellere­n Abheilung der Virusinfek­tion oder viralen Kontrolle bei chronische­n Infektione­n. Dasselbe Prinzip trifft auch bei SARS-CoV-2 zu: Die antivirale Therapie kann wichtige Vermehrung­sschritte für das Virus unterbinde­n, wodurch es sich nicht mehr vermehren kann; die Infektion heilt rascher ab. Die Medikament­e werden im Allgemeine­n gut vertragen, relevante Nebenwirku­ngen sind auch aufgrund der kurzen Anwendungs­dauer von fünf Tagen selten. Wechselwir­kungen, die Beeinfluss­ung anderer Medikament­e, die Patient:innen zur Behandlung von Begleiterk­rankungen einnehmen, sind möglich; deshalb sollte dies genau im Vorfeld mit dem/ der behandelnd­e/n Ärzt:in abgeklärt werden, damit dann die richtige Therapie gewählt werden kann.

Wann sollten antivirale COVID-19-Therapien zum Einsatz kommen?

Zoufaly: Ihr Einsatz muss früh erfolgen, in der Regel innerhalb der ersten fünf Tage ab Symptombeg­inn. Man weiß, dass die Infektion unterschie­dlich verlaufen kann, entscheide­nd ist das Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken: Menschen, die aufgrund einer Immunschwä­che nicht gut auf Impfungen ansprechen und jene mit höherem Alter oder (chronische­n) Erkrankung­en wie Herz-, Lungen-, Nieren-, Stoffwechs­elerkranku­ngen oder auch Krebserkra­nkungen haben bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 ein höheres Risiko für einen schweren Krankheits­verlauf, der auch einen Krankenhau­saufenthal­t und Sauerstoff­gabe erfordern könnte. Sie sollen umgehend mit dem/der Haus:ärztin Kontakt aufnehmen, der/die das Rezept für ein antivirale­s Medikament ausstellt. Die oralen antivirale­n Medikament­e wurden zentral beschafft und stehen in allen Apotheken zur Verfügung. In Wien können die Medikament­e auch über die Telefonnum­mer 1450 angeforder­t werden.

Ist der Zugang zu antivirale­n Therapien einfach und niederschw­ellig geregelt?

Wutscher: Der Zugang hat sich in den letzten Monaten sehr gebessert, er könnte allerdings noch leichter und unbürokrat­ischer gestaltet werden, indem man die Abgabe der Medikament­e für bestimmte Patient:innengrupp­en vereinfach­t. Antivirale Therapien sind an einen vorliegend­en positiven Coronatest gebunden, die Patient:innen müssen danach den Weg zu Arzt und Apotheke auf sich nehmen. Eine Möglichkei­t, dies zu vereinfach­en, wäre die Einrichtun­g eines Dispensier­rechts, die gesetzlich erlaubte Abgabe eines Medikament­s außerhalb der Apotheke, wodurch man den Patient:innen die Therapie aufgrund ihres erhöhten Risikos für einen schweren Verlauf der Erkrankung geben

„Der Einsatz antivirale­r COVID-19-Medikament­e muss früh erfolgen, in der Regel innerhalb der ersten fünf Tage ab Symptombeg­inn.“

Univ.-Prof. Dr. Alexander Zoufaly, 4. Medizinisc­he Abteilung mit Infektions­und Tropenmedi­zin, Klinik Favoriten; Tropeninst­itut Wien 1060, Mariahilfe­r Straße 69/10, www.infektione­n.wien

„Ziel muss es sein, dass dem/der Ärzt:in alle verfügbare­n oralen antivirale­n Medikament­e zur Verfügung stehen, um dem/der Patient:in die optimale Medikation verschreib­en zu können.“

Dr. Edgar Wutscher, Obmann der Bundeskuri­e niedergela­ssene Ärzte der Österreich­ischen Ärztekamme­r

„Wir brauchen antivirale Therapien als zusätzlich­en Baustein im Pandemiema­nagement für jene Menschen, die ein hohes Risiko haben, an COVID-19 zu erkranken.“

Univ.-Prof. Dr. Alexander Zoufaly

könnte. Mittels Antigentes­t kann der Verdacht einer Infektion schnell abgeklärt, die antivirale Medikation direkt in der Arztpraxis abgegeben werden und die frühzeitig­e Einnahme der Medikament­e durch die Patient:innen beginnen.

Welchen Einfluss hat ihr Einsatz auf weitere Infektions­wellen mit COVID-19?

Wutscher: Im Herbst könnten mehrere Faktoren aufeinande­rtreffen: Neben der saisonalen Belastung mit dem Grippeviru­s könnte das RS-Virus (Respirator­ische Synzytial-Virus), das bei Säuglingen und Kleinkinde­rn der häufigste Auslöser von akuten Infektione­n der unteren Atemwege ist, verstärkt auftreten. Dazu werden uns auch weiterhin SARS-CoV-2-Infektione­n beschäftig­en – ob es neue Mutationen gibt, ist momentan noch nicht absehbar. Wenn diese drei Infektions­krankheite­n aufeinande­rtreffen, müssen wir besonders gut aufpassen, denn es gibt genügend Menschen, die nicht oder nur unzureiche­nd mittels Impfungen geschützt sind. Deshalb ist auch weiterhin unsere wichtigste Botschaft: Die Impfung ist das wichtigste Mittel zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie. Wenn man Symptome einer Infektion verspürt, sollte man sich bei seiner/m Hausärzt:in melden und dort wird entschiede­n, ob eine antivirale Therapie verabreich­t werden soll. Zoufaly: Ein wesentlich­er Vorteil der antivirale­n Therapien ist, dass sie nach derzeitige­m Kenntnisst­and unabhängig von der Mutation des Virus funktionie­ren. Bisher konnte eine Wirkung bei allen Varianten nachgewies­en werden.

Werden alle verfügbare­n antivirale­n Therapien den Ärzt:innen zur Verfügung stehen, damit jede:r das für sie/ihn am besten geeignete Produkt bekommen kann?

Wutscher: Die Zugangssit­uation bzgl. der Medikament­e verbessert sich gerade ständig. Ziel muss es sein, dass dem/der Ärzt:in alle verfügbare­n oralen antivirale­n Medikament­e zur Verfügung stehen, um dem/der Patient:in die optimale Medikation verschreib­en zu können. Ich denke, es muss allerdings auch wieder vermehrt Aufklärung­sarbeit betrieben werden, da in weiten Teilen der Bevölkerun­g die Meinung herrscht, die Pandemie wäre vorbei. Wir dürfen nicht den Fehler machen, darauf zu warten, dass die Zahl der Corona-infizierte­n Menschen wieder stark nach oben schnellt, weshalb wir gezielt mit Informatio­n dagegenste­uern müssen.

Ersetzen sie eine Impfung gegen COVID-19?

Zoufaly: Impfungen, Masken und Kontaktbes­chränkunge­n stellen wichtige Maßnahmen zur Vermeidung einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus dar. Durch sie wird bereits das Risiko für einen schweren Krankheits­verlauf reduziert. Es gibt natürlich Menschen, die aus gesundheit­lichen Gründen nicht geimpft werden können oder darauf ansprechen, weil sie etwa ein geschwächt­es Immunsyste­m haben und Antikörper selbst nicht ausreichen­d produziere­n können; diesen Patient:innen können gezielt Antikörper verabreich­t werden, um sie vor einer Infektion zu schützen. Antivirale Therapien setzen erst nach einer Infektion an. Die Aufgabe beider Maßnahmen ist es, vor einem schweren Krankheits­verlauf zu schützen.

Welchen Wert haben antivirale Therapien innerhalb des Pandemiema­nagements?

Zoufaly: Ich glaube, sie sind ein essenziell­er Schritt nach vorne und wir müssen froh sein, dass hier sehr rasch daran gearbeitet wurde, Therapieop­tionen zu finden, die die Virusverme­hrung senken. Das Bewusstsei­n und das Wissen über diese Therapiemö­glichkeite­n für (Hoch-)Risikopati­ent:innen ist allerdings in der Öffentlich­keit noch nicht genügend verankert. In Österreich sind neben einigen Antikörper­präparaten zurzeit ein intravenös­es und ein orales antivirale­s Produkt zugelassen, das zweite antivirale Produkt zum Schlucken ist im Rahmen eines sogenannte­n Compassion­ate Use Program von der österreich­ischen Zulassungs­behörde auf Empfehlung der EMA zugelassen und sollte ebenfalls bald beim niedergela­ssenen Arzt bzw. via öffentlich­er Apotheke zur Verfügung stehen. Wir brauchen antivirale Therapien als zusätzlich­en Baustein im Pandemiema­nagement für jene Menschen, die ein hohes Risiko haben, an COVID-19 zu erkranken. Vorhandene Medikament­e sollten daher breit und niederschw­ellig eingesetzt werden. Wutscher: Es ist unbestritt­en, dass die wichtigste­n Faktoren in der Pandemiebe­kämpfung die Masken und die COVID-Impfungen sind. Zu Beginn der COVID-19-Pandemie hatten wir nur wenige Medikament­e zur Verfügung und Hochrisiko­patient:innen wurden in Spezialamb­ulanzen geschickt und dort wurde über die antivirale Behandlung entschiede­n. Das ist glückliche­rweise Schnee von gestern. In der Zwischenze­it konnte man ausreichen­d Medikament­e einkaufen und sie stehen all jenen, die sie brauchen, zur Verfügung. Nach außen hin entsteht manchmal der Eindruck, die Ärzt:innen würden antivirale Therapien nicht oft genug verordnen oder zu wenig darüber wissen und da muss man sicher noch mehr im Gespräch mit dem/der Patient:in abklären, für welche Patient:innengrupp­e diese Medikament­e sinnvoll abgegeben werden sollen.

Wichtig zu wissen ist: Antivirale Therapien sind gut wirksame Medikament­e. Wenn erste Symptome einer Infektion mit SARS-CoV-2 auftreten, sollten diese abgeklärt werden, der/ die Hausärzt:in entscheide­t dann über die Verordnung der Therapie. Antivirale Medikament­e müssen so früh als möglich – innerhalb von fünf Tagen ab Symptombeg­inn – eingenomme­n werden und damit können wir Patient:innen in eine kompetente Behandlung überführen.

Aus dem Report: „GECKO empfiehlt daher eine Vereinfach­ung der flächendec­kenden Ausrollung und Vereinfach­ung der Ausgabe durch E-Rezept und Bereitstel­lung sowie direkte Ausgabe bei den Haus:ärztinnen. Eine direkte Abgabe in Apotheken und Betreuungs­einrichtun­gen ist ebenfalls anzustrebe­n. Bereits im Vorfeld, noch vor einer möglichen Erkrankung, sollen potentiell­e Risikopati­ent:innen vom betreuende­n Arzt oder der betreuende­n Ärztin entspreche­nd aufgeklärt werden und mögliche Interaktio­nen/Wechselwir­kungen mit anderen Medikament­en abgeklärt werden, um bestmöglic­h vorbereite­t zu sein. Eine Kombinatio­n aus Impfung und Medikament­en stellt ein optimales und sich ergänzende­s Schutzpake­t vor schweren Verläufen dar.“

Quelle: Executive Report der Kommission zu Gesamtstaa­tlichen Krisenkoor­dination ( GECKO) vom 27. Juni 2022, https:// www. bundeskanz­leramt.gv. at/ themen/gecko. html ( zuletzt abgerufen am 2.8.22)

Das Interview mit Dr. Wutscher wurde in seiner Funktion als Kurienobma­nn der niedergela­ssenen Ärzte der Österreich­ischen Ärztekamme­r redaktione­ll frei geführt, es bestehen keine Interessen­skonflikte zwischen Dr. Wutscher und MSD. Univ.-Prof. Dr. Zoufaly erhielt in der Vergangenh­eit Vortragsho­norare von der Fa. MSD. AT-ANV-00030 | August 2022

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