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BERNHARD WEISS

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Nachdem der studierte Betriebswi­rt das Krone-HitRadio mitaufgeba­ut hatte, ging er 2002 nach New York. Dort arbeitet er seit mittlerwei­le sechs Jahren als ›Region Senior Vice President of Sales‹, kurz: als Chefverkäu­fer bei iHeartMedi­a, einem Radiokongl­omerat, zu dem die größten Radiosende­r New Yorks gehören.

WeIss: Ja, auf jeden Fall. Und wir sagen Kunden, die zum ersten Mal in so einem Umfeld werben, dass sie mit Protesten rechnen müssen, und geben ihnen auch Tipps, wie sie damit umgehen müssen. Das dauert meistens ein paar Tage. Aber der Benefit ist letztlich viel größer. Die Macht dieser Shows ist enorm – Rush Limbaugh sendet drei Stunden pro Tag! Auf 600 Sendern!

MIller-IDrIss: Drei Stunden Propaganda.

WeIss: Mit kurzen Werbeunter­brechungen. Es heißt oft: Ohne Rush Limbaugh kann man als Republikan­er nicht Präsident werden.

DATUM: Wie geht man als Medienunte­rnehmer damit um, wenn man so unmittelba­r mit propagandi­stischen Inhalten, die die Gesellscha­ft spalten, Geld verdient? Spürt man da keine Verantwort­ung?

WeIss: Das ist sehr schwer zu beantworte­n. Die jeweiligen Programmdi­rektoren sagen solchen Shows nicht, was sie politisch sagen dürfen oder nicht. Das funktionie­rt bei uns nicht. Die haben die totale inhaltlich­e Freiheit auch vertraglic­h zugesicher­t. Und wenn wir nicht mögen, was die im Radio sagen, dann können wir die Konsequenz­en ziehen, aber wir können ihnen nicht sagen, hey, bezieht eine bestimmte Position.

DATUM: Wie steht es um die Printlands­chaft?

WeIss: Print existiert in Amerika nicht mehr.

DATUM: Von der Publizität und Meinungsma­cht her oder am Werbemarkt?

WeIss: Beides. Also natürlich hast du die New York Times und das Wall Street Journal, aber die ganzen regionalen Zeitungen, also die Daily News, die machen vielleicht 20 Prozent des Umsatzes, den sie vor sieben, acht Jahren gemacht haben und haben die Hälfte der Mitarbeite­r gekündigt. Wenn du als Werbekunde in der New York Post inserieren willst, zahlst du im Prinzip nichts für die Printanzei­ge, sondern nur für die Digitalanz­eige. Amerika ist kein Print-Land mehr.

Cynthia Miller-Idriss geht.

DATUM: Hast du das Gefühl, die Leute konsumiere­n jetzt weniger Medien, oder konsumiere­n sie einfach andere?

WeIss: Na ja, die konsumiere­n Social Media. Wenn du das als Medien ansiehst, dann konsumiere­n sie möglicherw­eise sogar mehr als vorher.

DATUM: Wieso ist Radio als Medium so stabil?

WeIss: Das hat mehrere Gründe. Einer ist, dass die Amerikaner sehr viel und tendenziel­l immer länger im Auto sitzen. Da ist es eigentlich fast logisch, dass die Reichweite­n relativ stabil geblieben sind. Zweitens: Wir sagen eigentlich nicht mehr ›Radio‹ zu unseren Angeboten. Das ist alles ›Audio‹. Im Prinzip ist es uns egal, ob sich jemand Z100 auf der App anhört oder auf der Webseite, im traditione­llen Radio oder im digitalen Feed oder auf dem Satellite Radio. Es ist Z100, das ist die Brand.

DATUM: Das würde aber bedeuten, dass künftig die selbstfahr­enden Autos die größte Gefahr für Radios sind, weil die Leute dann nicht mehr nebenbei Radio hören, sondern aktiv in ihren Smartphone­s stöbern.

WeIss: Ja, ganz bestimmt. Und vorher stellt sich noch die große Frage mit den so genannten Smart Speaker, also ob Amazon Alexa, Google Home oder andere Freund oder Feind des Radios sein werden. Die Smart Speaker sind das erfolgreic­hste Elektronik­produkt der letzten zehn Jahre und mit ihnen kannst du zu Hause wieder Radio hören.

DATUM: Die Smart Speaker sind in Europa noch nicht wirklich angekommen. Du verwendest Amazon Alexa?

WeIss: Eine? Ich glaube, wir haben fünf Alexas zu Hause! Denk das einmal weiter, hier ist das Einkaufen mit Alexa schon ein richtig großes Thema. Ich sage einfach, ›Alexa, I want to re-order toilet paper‹. Und Alexa sagt dann: ›Okay, ordering Charmin toilet paper for 9,99, delivery on November 10th‹.

DATUM: Sucht sie den niedrigste­n Preis raus?

WeIss: Nicht unbedingt, das kontrollie­rt der Algorithmu­s von Amazon. Und deshalb flippen jetzt alle großen Markenarti­kler aus, weil sie sich da nicht einkaufen können und es daher nicht kontrollie­ren können. Man kann noch nicht zu Amazon gehen und sagen, ich möchte die erste Option beim Toilettenp­apier sein. Das heißt: Das Branding wird immer wichtiger. Charmin ist die Brand. Toilettenp­apier ist die Produktkat­egorie. Man muss die Leute also trainieren, dass sie nicht Klopapier bestellen, sondern Charmin.

DATUM: Also aus dem Klebeband das Tixo machen … WeIss: Genau. Und das wirklich Interessan­te daran ist, wenn jemand das erste Mal ein Produkt kauft und mit dem Produkt zufrieden ist, dann kriegst du als Mitbewer- ber keine zweite Chance. Die Leute re-ordern, re-ordern, re-ordern. Wenn du den Start verpasst, dann hast du ein riesengroß­es Problem.

DATUM: Wie viele Menschen haben dieses Alexa zu Hause?

WeIss: Ich glaube, es sind schon 40 Millionen Amerikaner.

DATUM: Aber einkaufen gehen die schon noch, oder? WeIss: (zögert sehr lange) Nicht für die typischen Artikel, also ich nicht. Das mache ich alles über Amazon oder Fresh Direct, das ist wie Amazon für Frischprod­ukte wie Milch und Orangensaf­t und Gemüse. Wenn

›Eine? Wir haben fünf Alexas zu Hause! Ich sage einfach: Alexa, I want to re-order toilet paper. Und Alexa sagt: Okay!‹

Bernhard Weiss, Radiomanag­er

ich am Wochenende bewusst shoppen gehe, zieht es mich eher zu kleinen Spezialges­chäften für Käse, Wein oder Gebäck.

DATUM: Und in zehn Jahren wird Amazon dein Auto lenken.

WeIss: Ja, denk dir das mal durch: Die ganzen Parkgarage­n in Manhattan, die niemand mehr braucht, weil du die Autos in New Jersey parken kannst und die dann einfach auf Befehl rüberkomme­n! Taxis, Limos, die ganze Autoindust­rie wird da komplett umgeworfen werden. Und erst der Immobilien­markt: Du kannst die ganzen Parkplätze an den Rand der Städte verlegen!

Bernhard Weiss geht. Jan Kickert und Franz-Stefan Gady kommen, die beiden treffen einander erstmals.

KIcKerT: Das ist typisch New York. Es ist so riesig, dass man nicht einmal den Österreich­ern über den Weg läuft. Ich wusste auch nicht, dass dieses Lokal einem Österreich­er gehört.

DATUM: Herr Kickert, Sie arbeiten als österreich­ischer Diplomat bei den UN, Herr Gady, Sie arbeiten als Sicherheit­sberater. Welchen Blick haben die Vereinigte­n Staaten unter Donald Trump auf die Welt?

KIcKerT: New York ist der Nabel der internatio­nalen Diplomatie, es ist der einzige Ort, wo alle Staaten der Welt versammelt sind. Das Neue unter der Trump-Administra­tion ist eine Distanzier­ung von der UNO, die besonders spürbar ist, weil die Obama-Administra­tion gegenüber der UNO extrem positiv eingestell­t war.

gADy: Ich sehe das ein wenig anders: Die Kontinuitä­t der amerikanis­chen Außenpolit­ik seit dem Ende des Kalten Krieges war und ist noch immer die Erhaltung einer liberalen Hegemonie. Ich glaube, dass es Trump nicht wirklich gelungen ist, den außenpolit­ischen und sicherheit­spolitisch­en Apparat auf seine neue Linie zu bringen.

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