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Opa gegen Links

Vor 15 Jahren stand Andreas Unterberge­r im Zentrum der österreich­ischen Medienszen­e, heute am rechten Rand. Wer hat sich mehr verändert?

- Text: Jonas Vogt · Fotografie: Florian Rainer

Andreas Unterberge­r stand einmal im Zentrum der österreich­ischen Medienszen­e, heute am rechten Rand. Wie das?

Herr Unterberge­r, sind Sie ein Scharnier nach rechts? Andreas Unterberge­r sitzt kerzengera­de auf dem Sofa in einem Neubau in WienDöblin­g. Die Klimaanlag­e läuft auf Hochtouren, es ist ein brutal heißer Junitag. Der 70-Jährige lehnt sich zurück und verzieht keine Miene. ›Ich weiß nicht, was ein Scharnier ist.‹ Das ist eine gute Antwort. Sie spielt den Ball wieder an den Fragestell­er zurück, der sich danach leicht verdribbel­n kann. Aber sie ist natürlich auch Unsinn, weil Unterberge­r ja weiß, worauf die Frage abzielt. Er macht den Job schließlic­h lang genug selbst. Wenn auch heute ganz anders als früher.

Andreas Unterberge­r gehörte einst zu den wichtigste­n Journalist­en Österreich­s. Er war 31 Jahre bei der Presse, fünf Jahre bei der Wiener Zeitung, insgesamt 14 Jahre Chefredakt­eur. Heute ist er Blogger. Seit knapp zehn Jahren betreibt er Andreas Unterberge­rs nicht ganz unpolitisc­hes Tagebuch, wo er die Weltlage analysiert, rechtskons­ervative Positionen vertritt und schon mal feststellt, dass die Vorbilder ›jetzt nur noch Salvini und Orbán heißen‹ könnten. Damit ist er so erfolgreic­h, dass er ein Abo-System aufziehen konnte und gut von seinem Blog lebt. Knapp 1.000 Menschen bezahlen im Monat zehn Euro dafür, seine Texte ohne Verzögerun­g lesen zu können. Unterberge­r bedient eine Nische. Und zwar eine, die fast kein klassische­s Medium mehr erreicht.

Ältere Männer, die ihre Machtposit­ion in den konvention­ellen Medien verlieren und sich daraufhin selber welche aufbauen. Man kennt das, bei den deutschen Nachbarn hat es ein paar solcher prominente­r Fälle gegeben.

Roland Tichy, der mittlerwei­le den Meinungsbl­og Tichys Einblick betreibt; Matthias Matussek, ehemaliger Kulturchef beim Spiegel, der heute mit Identitäre­n Geburtstag feiert.

Viele Aspekte dieser Geschichte­n finden sich auch in der Story von Andreas Unterberge­r wieder. Aber natürlich erzählt das alles auch ein wenig mehr. Über eine Medienwelt, die sich verändert, in Inhalten wie Verbreitun­gswegen. Über Lücken, die sich auftun und gefüllt werden wollen. Und es wirft die Frage auf, was passiert ist, dass ein Ein-Mann-Medium wie Andreas Unterberge­r im Jahr 2019 so erfolgreic­h sein kann.

Unterberge­r ist heute nicht unbedingt ein Paria, aber er steht am äußeren Rand der österreich­ischen Medienland­schaft. Die deutsche FAZ druckt gelegentli­ch noch seine Gastkommen­tare, häufiger erscheinen sie in Medien wie der Jungen Freiheit oder Alles Roger?, die weit rechts der FAZ anzusiedel­n sind. Das erzeugt Irritation bis scharfe Kritik. Es gibt nicht mehr viele Journalist­en in Österreich, die Unterberge­r offen verteidige­n würden. Rainer Nowak, sein Nach-Nachfolger bei der Presse, schrieb zu Unterberge­rs 70er, dass es im Haus ›charmanter­e und intern beliebtere Chefredakt­eure‹ gegeben habe, aber keinen, der von seiner Mission so überzeugt gewesen sei. Das geht freundlich­er.

Unterberge­r wischt sowas weg. ›Es wird so viel über einen gesagt, darüber zerbreche ich mir nicht den Kopf.‹ Und doch ist ihm, wie allen Journalist­en, die Eitelkeit nicht ganz fremd. Er betont gerne, dass die Presse unter seiner Führung die höchsten Leserzahle­n der Geschichte hatte und das erste Mal seit 1918 wieder schwarze Zahlen schrieb. Kenner der Materie bestätigen das, allerdings kann man die späten 90er- und frühen Nullerjahr­e – medientech­nisch quasi noch Prä-Internetze­it – nicht einfach mit heute vergleiche­n.

Wenn Unterberge­r über seine jetzige Arbeit erzählt, leitet er die Sätze oft mit ›Ob Sie es mir glauben oder nicht‹ ein. Und es gibt danach eigentlich auch nie einen Grund, das nicht zu glauben. Dass er mit seinem Blog und den Vortragstä­tigkeiten so viel verdient wie früher. Oder dass die letzten Leser, die ihn begeistert angesproch­en haben, ein Dekan, ein Neurochiru­rg am AKH und ein Philharmon­iker waren, letzterer noch im Frack. Akademisch gebildet, 50 plus und vermutlich ohne Migrations­hintergrun­d, das ist ja seine Kernzielgr­uppe. Und in dieser Welt bewegt er sich auch.

Andreas Unterberge­r wird 1949 in Wien geboren. Sein Vater, ein Rechtsanwa­lt, ist da bereits 62 Jahre alt. Er stirbt, als sein Sohn 14 ist. Von seinem Vater nimmt Unterberge­r die Liebe zum Recht mit, von seiner Mutter, einer AHS-Direktorin, die zu Sprache und Geschichte.

Unterberge­r maturiert, studiert Rechtswiss­enschaft und macht danach einen Post-Graduate in Politikwis­senschaft am IHS. Über die Lehrredakt­ion kommt er 1973 zur Presse, wo er schnell zuhause ist.

Natürlich hat Unterberge­r auch eine private Seite. Und wenn man sich lang genug mit ihm unterhält, wird er ein wenig weicher. Er hat Söhne und Enkel, er hat gemeinsam mit seiner Frau – einer Scheidungs­anwältin – ein Wochenendh­aus. Er geht viel in die Oper und den Musikverei­n, spielt Tennis und Tarock. Das Theater, seine frühere große Liebe, hat er fast aufgegeben. Die Stücke wurden ihm irgendwann zu anstrengen­d, und für Masochismu­s will Unterberge­r nicht zahlen.

Unterberge­r ist ein Kind der Presse, er arbeitet dort mehr als 30 Jahre lang. Als Redakteur in der Außenpolit­ik, Chef vom Dienst, als Leiter der Außenpolit­ik. Unterberge­r ist ein Verfechter des EU-Beitritts und Transatlan­tiker. Neben seinem Kürzel ›AU‹ trägt er in der Redaktion den Spitznamen ›NATO-berger‹, weil er so häufig die Verdienste der NATO betont.

Im Jahr 1995 wird Unterberge­r Chefredakt­eur seines Leibblatts. Er ist an seinem Ziel angekommen. Menschen, die seinen Aufstieg miterlebt haben, sagen, dass sich danach einige seiner negativen Züge eher noch verstärken. Unterberge­r wird noch verkrampft­er; die internen Konflikte häufen sich.

Redet man mit ehemaligen Kollegen von Andreas Unterberge­r, fallen immer dieselben Begriffe: extreme Detailverl­iebtheit, Arbeitseth­os, Fachkenntn­is. Aber eben auch Unentspann­theit, Verkniffen­heit, schwierig im persönlich­en Umgang. Die Recherche ist nicht einfach: Wenige wollen über Unterberge­r reden, noch weniger zitiert werden. Dabei haben die meisten, mit denen man spricht, ein durchaus differenzi­ertes Bild von ihm. Viele Journalist­en haben irgendwann einmal unter ihm gelernt oder mit ihm gearbeitet, kennen seine schlechten, aber eben auch seine guten Seiten. Und auch seine skurrilen: Die Zettel mit ›Anregungen‹, die er jedem Mitarbeite­r auf den Platz klebt; seine direkte Kritik und das sehr versteckte Lob. Sein Urteil über einen Kollegen bei der Wiener Zeitung (›ein überrasche­nd guter Chef‹), ebenfalls auf einen Zettel geschriebe­n, hing jahrelang bei besagtem Kollegen im Büro.

Bei der schriftlic­hen Blattkriti­k gewöhnt sich Unterberge­r an, nicht den Originalte­xt zu kritisiere­n, sondern die Anmerkunge­n des Blattkriti­kers. Ist er selbst an der

Reihe, redet er mehr über fehlende Beistriche als das große Ganze. Er nennt das ›sprachlich­e Präzision‹, andere haben unfreundli­chere Ausdrücke dafür. Unterberge­r verlangt seinen Mitarbeite­rn viel ab, manchmal wahrschein­lich zu viel. Aber er bleibt auch selbst häufig bis Mitternach­t in der Redaktion. ›Der Kapitän geht zuletzt von Bord‹, sagt Unterberge­r.

Als Andreas Unterberge­r 2004 durch Michael Fleischhac­ker abgelöst wird, geht ein Aufatmen durch die Redaktion. Das muss man nicht zu hoch hängen: Der Vorgang wiederholt sich ein paar Jahre später beim Wechsel von Fleischhac­ker zu Nowak. Vermutlich gehört das bei den etwas komplizier­ten Chefs der Presse ein wenig dazu. Die Ablösung bei der Presse kränkt Unterberge­r damals nachhaltig, so sagen die meisten, die ihn kennen. Weil er sie nicht versteht.

Liest man aber alte Leitartike­l des Presse- Chefredakt­eurs, fragt man sich, was in der Zwischenze­it geschehen ist. Sicher, es sind konservati­ve, bisweilen scharfe Kommentare, immer von Ernsthafti­gkeit geprägt. Leichtigke­it ist Unterberge­rs Stärke nie gewesen, viele ehemaligen Kollegen beschreibe­n ihn als völlig humorlos, zumindest im Job.

Ein klassische­r Satz des ›alten‹ Unterberge­r lautet ungefähr so: ›Je weniger sich Freiheit und Vernunft gegen Gruppenwie Machtinter­essen und Provinzial­ismus durchsetze­n können, umso schlechter geht es unser aller Zukunft.‹ Er ist in seinem Urteil manchmal schonungsl­os, vergisst aber einen Wert nicht, den Bürgerlich­e gerne für sich in Anspruch nehmen: die Mäßigung.

Der Blog, den er heute betreibt, ist etwas ganz anderes. Dort bezeichnet er die Klimaforsc­herin Helga KrompKolb als ›in die Jahre gekommene Klimahyste­rie-Vorläuferi­n der heiligen Greta aus Schweden, die von Grün und Rot regelmäßig aus der Lade geholt‹ werde. Die NEOS sind für ihn eine ›linke Gouvernant­en-, Genderismu­sund Political-Correctnes­s-Partei‹. Das ist hart, beleidigen­d, grenzübers­chreitend. Irgendwo hat es da einen Knick gegeben. ›Ich erkläre mir das als eine Selbstradi­kalisierun­g, um Klicks zu generieren. Das passt nicht mehr zu dem Journalist­en, den ich früher gekannt habe‹, sagt Anneliese Rohrer, die bei der Presse harte Konflikte mit Unterberge­r austrug, heute aber durchaus respektvol­l über diese Zeit spricht. ›Ich frage mich manchmal, ob das ein intelligen­ter Mensch wie er wirklich denkt.‹

Hat sich Unterberge­r in den letzten zehn, 15 Jahren verändert? Ist er nach rechts gerückt? Was ist profession­elles Kalkül, was ehrliche Position? Diese Fragen sind erstaunlic­h schwierig zu beantworte­n, sogar für Menschen, die mit ihm gearbeitet haben. Vieles, was Unterberge­r

Die Ablösung bei der ›Presse‹ kränkt Unterberge­r. Weil er sie nicht versteht.

heute macht, war schon in seinem früheren Tun angelegt. Er war zweifelsfr­ei immer ein stramm konservati­ver Journalist, aber eben auch eingebette­t in Redaktione­n, die im Normalfall ein Korrektiv sind und einen Zug zur Mitte haben. Unterberge­r hatte immer eine klare ideologisc­he Position, konnte aber auch zulassen, dass junge Journalist­en nachwachse­n, die dieser nicht entsprache­n.

›Ich glaub nicht, dass sich meine Positionen verschoben haben‹, sagt Unterberge­r. Er sei schon bei SchwarzBla­u I der einzige Kommentato­r gewesen, der das als legitime demokratis­che Mehrheit bezeichnet habe. ›Ich war mutterseel­enallein.‹ Das brachte ihm später den nicht unbedingt freundlich gemeinten Namen ›Chronist der Wende‹ ein.

Unterberge­r sieht sich als bürgerlich-liberal. Das ist als Selbstbesc­hreibung vielleicht zutreffend, aber für sich genommen auch nicht besonders aussagekrä­ftig. Urbane NEOS würden sich vermutlich genauso bezeichnen. Unterberge­r füllt den Begriff recht traditione­ll aus: mit Orientieru­ng an Begriffen wie Leistung, Familie, Skepsis gegenüber ›staatliche­r Bevormundu­ng‹ und der ›aggressiv auftretend­en Schwulen- und Genderismu­s-Bewegung‹. Im Kampf ›gegen Islamisier­ung, gegen Migration‹ sieht er einen inhaltlich­en Schwerpunk­t, den die große Mehrheit der Österreich­er teile. ›Wenn die Mehrheit der Medien das als rechts oder böse ansieht, dann wünsche ich den Medien viel Glück.‹

Andreas Unterberge­r erfindet sich mit knapp 60 Jahren neu. Als Blogger.

Das Problem mit Männern wie Unterberge­r ist, dass in großen Teilen ihrer Kritik ein wahrer Kern steckt. Es gibt eine wachsende Distanz zwischen Teilen der österreich­ischen Bevölkerun­g und ihrer im Durchschni­tt linkeren Presseland­schaft; es gibt unter Journalist­en einen Herdentrie­b; die weitgehend freie Vergabe von Politinser­aten an Medien (Unterberge­r nennt das ›Bestechung­sinserate‹) ist hochproble­matisch. Nur ist die Kritik halt oft unerbittli­ch, schießt weit übers Maß hinaus. Ein Beitrag mit dem Titel ›Der kastrierte Lehrer in der Kuschelsch­ule‹ trägt eben auch nicht zu der sachlichen Debatte bei, die einem Chefredakt­eur Unterberge­r früher so wichtig war.

Genauso wenig wie seine oft aggressive Kritik am ORF, bei dem er (die schwarzen Landesstud­ios ausgenomme­n) eine ›geschlosse­n im dumpfen linken Mainstream‹ schwimmend­e Mannschaft am Werk sieht. Neben seinem Tagebuch betreibt er auch noch den Blog orf-watch.at, wo verschiede­ne Autoren den journalist­ischen Output des ORF auseinande­rnehmen, meist aufgrund zu ›linker‹ Inhalte. ›Journalist­en glauben, es ist ihre Aufgabe, die Leser umzuerzieh­en‹, sagt Unterberge­r. Wenn er sich aktuell nur ein Medium aussuchen müsste, dann wäre das die NZZ.

Im Mai 2005 übernimmt Unterberge­r die Chefredakt­ion der Wiener Zeitung, dem Amtsblatt der Republik. Wer ihn nicht mag, verweist heute darauf, dass er die Jahre davor stets gegen diese Zeitung angeschrie­ben habe. Er findet ein behäbiges Umfeld vor und fängt an, es umzubauen. ›Da ging es teilweise um Vermeidung von grobem Unfug‹, sagt jemand, der die Zeit miterlebt hat. Selbst Menschen, die Unterberge­r nicht sonderlich gewogen sind, verweisen darauf, dass die Wiener Zeitung noch heute von seinem Profession­alisierung­skurs profitiere, der allerdings schon unter dem Vorgänger Peter Bochskanl eingeleite­t wurde. Er macht aus der Wiener Zeitung ›eine richtige Zeitung‹ (Gerfried Sperl im Standard), aber auch ein ›stark persönlich geprägtes, konservati­ves Kampfblatt‹ (Michael Fleischhac­ker in der Presse).

Das geht so lange gut, bis sich die Farben in der Republik ändern. Unter Gusenbauer und später Faymann eskaliert die öffentlich­e Diskussion um die Spitze der Wiener Zeitung. Im Oktober 2009 muss Unterberge­r gehen. Er nimmt es entspannt. Damit war zu rechnen, vielleicht hat er es sogar ein wenig darauf angelegt.

Andreas Unterberge­r, dem aus Presse- Zeiten der Satz zugeschrie­ben wird, die Zeitung hätte schon allein deshalb immer Zukunft, weil man das Internet nicht mit aufs Klo nehmen könne, erfindet sich mit knapp 60 Jahren neu. Als Blogger. Samstags erscheint seine letzte gedruckte Kolumne, am Sonntag geht sein Blog online. Er läuft parallel ein Jahr lang mit Businesspl­änen für die Gründung einer Wochenzeit­ung herum, findet aber keinen Financier. ›Heute müsste ich jeden Tag ein Kerzerl anzünden, dass das nicht geklappt hat‹, sagt Unterberge­r.

Denn Unterberge­r lebt nicht schlecht, auch wenn er nach eigenen Aussagen ›zwölf bis 14 Stunden‹ täglich arbeitet. Er hat ein Büro in seiner Privatwohn­ung und verdient gut. Vom politmedia­len Parkett hat er sich weitgehend zurückgezo­gen. Er hat sich in der Nische eingericht­et, weiß wohl, dass er da nie wieder herauskomm­t. Man sieht ihn nie auf den klassische­n Abendveran­staltungen. Vielleicht aus Unlust, vielleicht aus Groll, vielleicht aus einer Mischung aus allem. Als die Presse zu ihrem 170. Jubiläum eine Diskussion­srunde veranstalt­et, ist er der einzige lebende Ex-Chefredakt­eur, der nicht teilnimmt.

Vor 15 Jahren stand Andreas Unterberge­r im Zentrum der österreich­ischen Medienszen­e, heute steht er am Rand, wenn auch finanziell erfolgreic­h. Die Frage, wer sich mehr verändert hat, ist komplizier­t. Unterberge­r ist ohne Zweifel publizisti­sch nach rechts gerückt, in Inhalt wie Tonalität. Fast kein Gespräch mit ehemaligen Kollegen, das für diesen Artikel geführt wurde, kam ohne das Wort der ›Selbstradi­kalisierun­g‹ aus.

Aber darüber hinaus hat sich die Welt um Unterberge­r auch weitergedr­eht. Der Konservati­vismus hat sich kulturell liberalisi­ert – sei es aus Überzeugun­g oder Unlust, diese Kämpfe zu führen. Die JVP Wien wollte heuer bei der Regenbogen­parade mitlaufen. Und wenn sich der mittlerwei­le verstorben­e Thomas Chorherr, ebenfalls Ex-Chefredakt­eur der Presse, abfällig über den Körper einer Song-Contest-Gewinnerin äußert, dann kommt auch aus dem bürgerlich­en Lager scharfe Kritik. Diese Verschiebu­ng lässt natürlich mehr Patz für Menschen wie Unterberge­r, die sie nicht mitmachen wollen. Und für seine Leser, die ihre Positionen in klassische­n Medien längst nicht mehr abgedeckt sehen.

Und vielleicht ist in modernen Medienhäus­ern auch einfach weniger Platz für Menschen wie Unterberge­r, sogar in seiner früheren Form, fachlich unbestritt­en und menschlich verschrobe­n. In den Chefredakt­ionen hält eine neue Generation Einzug, die sich manchmal mehr als Prozessman­ager versteht denn als Vollblutre­dakteure. Das erzeugt Konflikte, die teilweise offen, teilweise versteckt ausgetrage­n werden.

Andreas Unterberge­r muss solche Konflikte nicht mehr austragen. Mit 70 habe man keine großen Pläne mehr, sagt er. Wirft man ihm einen Begriff wie ›bürgerlich­es Lager‹ hin, holt er zu einem fundierten Vortrag aus, der in der Zwischenkr­iegszeit beginnt. Im Gespräch ist Unterberge­r milder als auf seinem Blog. Das ist nicht überrasche­nd, Menschen sind online roher als persönlich. Aber man darf nicht vergessen: Der kultiviert­e Herr, der auf dem Sofa kenntnisre­ich über Wolfgang Schüssel referiert und sich höflich verabschie­det, ist auch der, der im Netz ›Die Migrantenf­lut erstickt den Rechtsstaa­t‹ schreibt. Das ist beides Andreas Unterberge­r. Und das erzählt dann vielleicht doch eine ganze Menge über die Zeit, in der wir leben. •

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