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Überwachun­gskapital

Wie digitale Plattforme­n Menschen profitabel auf ihre Daten verkürzen.

- Christophe­r Frauenberg­er. Der Autor forscht am Center for Human-Computer Interactio­n an der Universitä­t Salzburg. Vanja Ivancevic visualisie­rt Daten aus Politik, Gesellscha­ft und Leidenscha­ft

Die Vermessung der Welt zu deren Steuerung, die wohl als Idee in der Moderne ihre Wurzeln hat, hat durch die Digitalisi­erung unserer Gesellscha­ft völlig neue Dimensione­n angenommen. Jede Ecke unserer Lebenswelt­en wird in Zahlen gefasst und scheinbar optimiert. Diese Verkürzung der Menschen auf ihre datenerfül­lten Profile folgt aber nicht nur dem Traum der Rationalis­ierung unseres Daseins, sie ist auch Grundlage für ein totalitäre­s Geschäftsm­odell, das Shoshana Zuboff den Überwachun­gskapitali­smus nennt.

Viele digitale Plattforme­n bieten ihre Dienste mit dem einzigen Interesse an, an jeder Stelle möglichst viele Informatio­nen ihrer Benutzer zu sammeln, um sie auf Basis ihrer Vorlieben, Interessen und psychologi­schen Profile zu manipulier­en; sei es, um Dinge zu verkaufen oder um politische Wahlen zu beeinfluss­en. Das Geschäft mit der Vorhersage und Manipulati­on von menschlich­em Verhalten hat dabei erhebliche­n Schaden angerichte­t, von der Atomisieru­ng unserer Öffentlich­keit über Meinungs-Filterblas­en und die Polarisier­ung unserer Gesellscha­ft bis hin zur Unterwande­rung demokratis­cher Institutio­nen und einem ökologisch unverantwo­rtlichen Konsumdenk­en. Und es ist dabei, sich auf zweierlei Arten zu radikalisi­eren. Zum einen werden die Datenquell­en immer mehr: wurde unser Verhalten vor zehn Jahren noch daran abgelesen, was wir in eine Suchmaschi­ne tippten, tragen wir heute smarte Fitnessuhr­en, reden mit digitalen Sprachassi­stenten und schalten unser Licht mit dem Handy aus. Zum anderen werden auch die Möglichkei­ten, unser Verhalten direkt und automatisi­ert zu beeinfluss­en, immer effiziente­r. Wer mag sich vorstellen, dass das Auto nicht mehr anspringt, wenn man mit den Raten in Verzug ist, oder sich der Kühlschran­k weigert, Butter zu kühlen, wenn die Cholesteri­nwerte zu hoch sind?

Das alles scheint dystopisch – ist aber nicht alternativ­los. Es ist wichtig, sich klarzumach­en, dass die Digitalisi­erung gestaltbar ist. Wir brauchen politische Öffentlich­keiten, in denen wir jene technologi­schen Zukünfte, die wir bislang fahrlässig privatisie­rt haben, verhandeln. Wir müssen wieder Gestaltung­shoheit über die Digitalisi­erung erringen, um jene Digitalisi­erung zu bekommen, die wir haben wollen.

Dazu wird es alles brauchen, von Aktivismus über Bildung bis zu gesetzlich­en Regeln.

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