Überwachungskapital
Wie digitale Plattformen Menschen profitabel auf ihre Daten verkürzen.
Die Vermessung der Welt zu deren Steuerung, die wohl als Idee in der Moderne ihre Wurzeln hat, hat durch die Digitalisierung unserer Gesellschaft völlig neue Dimensionen angenommen. Jede Ecke unserer Lebenswelten wird in Zahlen gefasst und scheinbar optimiert. Diese Verkürzung der Menschen auf ihre datenerfüllten Profile folgt aber nicht nur dem Traum der Rationalisierung unseres Daseins, sie ist auch Grundlage für ein totalitäres Geschäftsmodell, das Shoshana Zuboff den Überwachungskapitalismus nennt.
Viele digitale Plattformen bieten ihre Dienste mit dem einzigen Interesse an, an jeder Stelle möglichst viele Informationen ihrer Benutzer zu sammeln, um sie auf Basis ihrer Vorlieben, Interessen und psychologischen Profile zu manipulieren; sei es, um Dinge zu verkaufen oder um politische Wahlen zu beeinflussen. Das Geschäft mit der Vorhersage und Manipulation von menschlichem Verhalten hat dabei erheblichen Schaden angerichtet, von der Atomisierung unserer Öffentlichkeit über Meinungs-Filterblasen und die Polarisierung unserer Gesellschaft bis hin zur Unterwanderung demokratischer Institutionen und einem ökologisch unverantwortlichen Konsumdenken. Und es ist dabei, sich auf zweierlei Arten zu radikalisieren. Zum einen werden die Datenquellen immer mehr: wurde unser Verhalten vor zehn Jahren noch daran abgelesen, was wir in eine Suchmaschine tippten, tragen wir heute smarte Fitnessuhren, reden mit digitalen Sprachassistenten und schalten unser Licht mit dem Handy aus. Zum anderen werden auch die Möglichkeiten, unser Verhalten direkt und automatisiert zu beeinflussen, immer effizienter. Wer mag sich vorstellen, dass das Auto nicht mehr anspringt, wenn man mit den Raten in Verzug ist, oder sich der Kühlschrank weigert, Butter zu kühlen, wenn die Cholesterinwerte zu hoch sind?
Das alles scheint dystopisch – ist aber nicht alternativlos. Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass die Digitalisierung gestaltbar ist. Wir brauchen politische Öffentlichkeiten, in denen wir jene technologischen Zukünfte, die wir bislang fahrlässig privatisiert haben, verhandeln. Wir müssen wieder Gestaltungshoheit über die Digitalisierung erringen, um jene Digitalisierung zu bekommen, die wir haben wollen.
Dazu wird es alles brauchen, von Aktivismus über Bildung bis zu gesetzlichen Regeln.