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›Wir übersetzen nur das Wichtigste‹

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NAMe : Gabriele Gallo, 52 BerUf : Gerichtsdo­lmetscheri­n für Spanisch und Russisch, Konferenzd­olmetscher­in für Spanisch und Englisch

Warum braucht man eigentlich Gerichtsdo­lmetscher?

Nach der Menschenre­chtskonven­tion hat jeder Mensch ein Recht auf ein faires Verfahren, dazu muss er seine Verhandlun­g aber erst einmal verstehen. Das fällt auch vielen österreich­ischen Staatsbürg­ern schwer, weil sie nicht ausreichen­d Deutsch sprechen. Wenn sich jemand nicht gut ausdrücken kann und falsch verstanden wird, kann es sein, dass das Verfahren aufgehoben wird oder er oder sie im schlimmste­n Fall zu Unrecht verurteilt wird.

Wie wird man Gerichtsdo­lmetscheri­n?

Voraussetz­ung ist ein Studium als Übersetzer­in oder Dolmetsche­rin und zwei Jahre Berufserfa­hrung, oder fünf Jahre einschlägi­ge Berufstäti­gkeit ohne Studium. Dann muss man die Zertifizie­rungsprüfu­ng machen, vor einer Kommission aus Richter und Gerichtsdo­lmetschern aus der jeweiligen

Sprache, die beurteilt, ob man über ausreichen­de Kenntnisse verfügt. Die Rechtsterm­inologie auf Deutsch wird überprüft, dann ist schriftlic­h und vom Blatt in beide Sprachrich­tungen zu übersetzen. Alle fünf Jahre wird das Zertifikat verlängert.

Was ist an Ihrem Beruf anders, als die meisten Leute denken?

Anders als in einigen anderen Ländern dolmetsche­n wir im Gericht nur auf Aufforderu­ng des Richters. Wir geben also nicht Wort für Wort wieder, was alles gesagt wird, sondern nur die wichtigste­n Teile. Eine Gerichtsdo­lmetscheri­n arbeitet außerdem nicht nur für Gerichte und Polizei. Wir sind zum Beispiel auch bei Hochzeiten im Einsatz und bei allen möglichen notarielle­n Akten, etwa Firmengrün­dungen.

Wie viel verdienen Gerichtsdo­lmetscher?

Der tarifliche Stundenloh­n beträgt etwa 25 Euro brutto, er ist seit 2007 nicht erhöht worden. Ich schätze, dass die Kolleginne­n, die nur als Gerichtsdo­lmetscheri­nnen arbeiten, vielleicht zwei oder drei Gerichtsve­rhandlunge­n pro Woche haben und zusätzlich

Gerichtsak­ten übersetzen, auf etwa 2.000 bis 3.000 Euro monatlich kommen. Netto ist das circa die Hälfte. Ich persönlich konnte mir das Gerichtsdo­lmetschen nur leisten, weil ich den größten Teil meines Einkommens aus dem besser bezahlten Konferenzd­olmetschen bezogen habe. Diese Tätigkeit kann ich aufgrund der Coronakris­e derzeit aber kaum ausüben.

Würden Sie jungen Leuten empfehlen, sich als Gerichtsdo­lmetscher zertifizie­ren zu lassen?

Ja, wenn man gerne mit Sprachen arbeitet, ist Dolmetsche­rin ein sehr schöner Beruf. Wir sind ein wichtiger Bestandtei­l des Rechtsstaa­tes und hoffen, dass das bald entspreche­nd gewürdigt wird, sonst wird es irgendwann keine Gerichtsdo­lmetscher mehr geben. Schon jetzt haben wir einen Altersdurc­hschnitt von 60. Aus diesem Grund kämpfen wir für eine bessere Bezahlung. Ich würde niemandem raten, das als alleinige Tätigkeit zu machen, weil man wahrschein­lich nicht davon leben kann. •

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IntervIew: Lucia Marjanović FotograFIe : Ursula Röck

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