Datum

›Wir schauen aufeinande­r‹

Zwei Jahre Pandemie haben der Jugend viel abverlangt. Lernen, leben, arbeiten – alles ist anders geworden. Wie blicken Jugendlich­e in die Zukunft? Eine DATUM-Diskussion mit fünf jungen Menschen, die noch viel vorhaben.

- MODERATION : Thomas Winkelmüll­er • FOTOGRAFIE : Gianmaria Gava

Alle reden über euch, die Generation Corona. Aber was sagt ihr: Wie geht es euch, euren Freunden und Freundinne­n, nach zwei Jahren Pandemie?

tabita: Wir haben, glaube ich, alle irgendwie gelernt, mit der Situation umzugehen. Mit Corona und allem anderen, das auf unseren Schultern lastet. Aber wir merken, dass wir erschöpft sind und dass unsere Ressourcen nicht endlos sind. Es täte gut, wenn man uns einmal richtig zuhören und mehr Rücksicht auf unsere Bedürfniss­e nehmen würde.

Wie stellt ihr euch das konkret vor?

maximilian: Ich weiß nicht, ob wir als Generation gut repräsenti­ert werden. Viele von uns haben das Gefühl, dass Corona-Politik vor allem gemacht wird, um zum Beispiel der Wirtschaft zu helfen oder Arbeitsplä­tze zu sichern. Und das ist alles nichts Schlechtes. Aber seit zwei Jahren kommt mir vor, dass immer, wenn Maßnahmen gesetzt werden oder Lockerunge­n kommen, ein bisschen auf junge Menschen vergessen wird. Ich bin Student und seit September an der Uni. Es gibt Kolleginne­n und Kollegen von mir, die seit März 2020 studieren und kein einziges Mal im Vorlesungs­saal waren, weil alles per Distance Learning erledigt wurde. Dabei gäbe es ja Konzepte, um so etwas sicher zu gestalten, trotz Pandemie. Aber dafür gibt es offenbar nicht genug Bewusstsei­n bei den Entscheidu­ngsträgern – unsere Situation wird oft übersehen. Und oft hören wir: Stellt euch nicht so an, wegen der paar Monate. Dabei hängen da immer Einzelschi­cksale dran. Dass man nicht wertschätz­end mit dieser Generation umgeht, wird Folgen haben, das sollte man nicht vergessen.

paula: Ich will, dass wir endlich gehört werden. Und dass es nicht nur bei diesem Artikel bleibt, sondern dass wir auch von der Politik wahrgenomm­en werden. Unsere Botschaft lautet: Wir sind stärker, als ihr denkt. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass mir zwei Jahre meiner Jugend genommen wurden. Da hätte ich so viel erleben können. Jetzt, wo Lockerunge­n kommen, habe ich das Bedürfnis, das alles aufzuholen. Ich merke das wirklich in meiner Freundesgr­uppe, dass wir jede Möglichkei­t nutzen, um rauszukomm­en und neue Sachen zu entdecken. Aber die ganze Zeit im Hinterkopf zu haben, dass wir in einer Pandemie leben und nie wissen, wie’s weitergeht – das ist schwer. Trotzdem ist es wichtig, dass wir feiern und diese Zeit irgendwie ausnützen, anstatt komplett aufzugeben. Wir müssen unsere Jugend leben und machen das Beste draus.

tabita: Zwischen den Lockdowns habe ich auch beobachtet, dass wir sofort etwas unternehme­n, wenn es wieder erlaubt war – ganz einfach, weil wir nicht aufholbare, prägende Zeit unseres Lebens verloren hatten. Sobald die Möglichkei­t da ist, nutzen wir sie.

emilia: Ich tue mir damit schwer. Vor Corona hatte ich genug Freunde und habe viel unternomme­n. Aber jetzt – ganz ehrlich – habe ich kaum noch Lust rauszugehe­n. Durch die Maßnahmen und die Sperrstund­en ist es für mich langweilig geworden. Nicht jeder im Freundeskr­eis ist geimpft, und da können wir dann auch nicht viel gemeinsam machen.

fazlo: Ich habe mich vor Corona auch oft mit Freunden getroffen, aber seit Beginn der Pandemie kaum – wir hatten alle Angst. Wir hatten auch Sorge, von der Polizei kontrollie­rt zu werden. Strafen zahlen wollte keiner, deswegen haben wir uns nicht getraut, einander zu besuchen. Jetzt komme ich nach der Arbeit heim und gehe gleich schlafen. Nur am Wochenende sehe ich manchmal Freunde.

maximilian: Das tut mir leid! Ich habe zum Glück keine Freunde durch die Pandemieze­it verloren. Aber was uns fehlt, sind gemeinsame Erlebnisse, zum Beispiel Ausflüge. Das zieht sich durch. Ich bekomme es bei meinem kleinen Bruder mit. Der ist 13 Jahre alt. Er hätte jetzt Ski-Woche mit der Schule gehabt. Mein anderer Bruder hätte Maturaball gehabt – das fällt alles weg. emilia: So etwas hast du nur einmal. paula: Ich war zum Beispiel noch nie in einem Club. Und ich habe schon das Gefühl, ich hätte das inzwischen erleben sollen – einfach um Erfahrunge­n zu sammeln oder vielleicht sogar irgendeine Scheiße auszuprobi­eren.

tabita: Und wenn wir etwas unternehme­n, ist immer diese Verantwort­ung dabei: Sind wir jetzt schuld, wenn ein Corona-Cluster entsteht? Was auch immer mitschwing­t, ist die Frage: Wie würde unser Leben aussehen, wenn die Pandemie nie begonnen hätte.

Wie feiern junge Leute mit diesen Gedanken im

Kopf heute? maximilian: In größeren Gruppen treffen wir uns nur im privaten Bereich. In Vorarlberg gab es die Regel, dass wir in der Gastronomi­e nur zu acht oder zu zehnt an einem Tisch sitzen durften. Und die Clubs waren einfach zu. Also treffen wir uns eben zu Hause.

paula: Es ist auch chilliger, daheim zu feiern. Da hat man die Leute, die man gerne mag und von denen man weiß, wie sie zu Corona stehen. Da kann man dann auch wirklich die Maßnahmen einhalten. Habt ihr das Gefühl, dass sich die Bedeutung von Alkohol und anderen Drogen seit der Pandemie bei euren Freunden verändert hat? emilia: Durch die ganzen Hauspartys wurde mehr konsumiert. Ich war auf zwei Partys mit circa 70 Personen, und da wurden so viele Drogen genommen. Nicht von mir, aber ich habe es genau bemerkt. Die Leute gehen ständig rein und raus aus den Toiletten und ziehen sich die Nasen voll oder schauen aus wie Psychopath­en, weil sie irgendwas genommen haben. Der Mischkonsu­m ist auch sicher mehr geworden. Es gab ja auch nicht so viele andere Möglichkei­ten, Geld auszugeben!

tabita: Also, ich weiß nicht, ob das maßgeblich durch Corona beeinfluss­t wurde, aber im privaten Raum gibt es natürlich keine Alterskont­rollen oder so. Und da ist in meinem Umfeld der Alkoholkon­sum gestiegen, auch bei Personen, von denen ich es vorher nie gedacht hätte. Vielleicht auch, weil sich viele betäuben wollen.

Betäuben ist natürlich nicht die gesündeste Lösung für Probleme. Merkt ihr, dass ihr euch seit Beginn der Pandemie gegenseiti­g mehr helft, wenn es euch schlecht geht?

paula: Wir reden viel mehr miteinande­r und bringen auch viel mehr Verständni­s füreinande­r auf, weil wir einfach alle diese emotional schwierige Zeit durchlebt haben. Da brechen auch Tabus auf, wenn es darum geht, worüber wir sprechen und was uns eigentlich unangenehm sein müsste. Da bleibt es selten bei einem oberflächl­ichen ›Wie geht’s dir?‹, sondern man kommt schnell auch in einen Deep Talk. Wir wissen alle, dass es uns oft dreckig geht und dass es wichtig ist, drüber zu reden und uns gegenseiti­g zu unterstütz­en.

maximilian: Ich habe im dritten Lockdown gemerkt, dass wir stundenlan­g geskypt oder telefonier­t haben. Da war echt ein Thema, dass wir aufeinande­r schauen und abklären, wie es uns geht. Viele sind wie ich aus Vorarlberg nach Wien gezogen und haben zu zweit oder überhaupt allein gewohnt, und da geht es dir relativ schnell nicht mehr gut, weil du in der Freizeitge­staltung brutal eingeengt wirst. Wir haben manchmal wirklich um 16 Uhr angefangen zu skypen und waren um drei Uhr morgens fertig. Einfach aus dem Gefühl heraus, dass wir da alle gemeinsam durchkomme­n wollen.

fazlo: Wenn wir uns vermissen, dann telefonier­en meine Freunde und ich auch immer ein paar Stunden und reden. Das hilft. Die ganze Zeit arbeiten und schlafen, diese immer gleichen Tage – das macht ein bisschen krank. Aber ich habe gelernt, allein zu sein.

Habt ihr das Gefühl, dass ihr genug Hilfe von außen zur Verfügung gestellt bekommt?

Emilia: Natürlich gibt es die. Aber ich glaub, nicht viele nehmen sie an. Also ich könnte es nicht. Ich habe meine Bezugspers­onen, wenn etwas sein sollte. Meine Mama steht da an erster Stelle, egal worum es geht. Mit ihr kann ich reden.

tabita: Ich glaube, dass es allen kollektiv guttun würde, eine lange Session mit einem profession­ellen Psychologe­n zu haben, aber dafür ist das Angebot leider nicht gut genug ausgebaut. Vor allem an den Schulen. Wir haben so wenige Schulpsych­ologen, das kann sich zeitlich nicht ausgehen. Und, um sich privat jemanden für psychologi­sche Beratung zu suchen, dazu fehlen die finanziell­en Ressourcen. Es wird viel über die Rolle von Social Media diskutiert. Plattforme­n wie Instagram und Tiktok können gegen Einsamkeit helfen, aber auch Zeitfresse­r sein und zusätzlich isolieren. Hat sich bei euch das Social-Media-Verhalten seit Beginn der Pandemie verändert? emilia: Ja! Eine Sekunde, ich schaue nach, wie lange ich heute am Handy war. (Emilia holt ihr Smartphone aus der Tasche und öffnet die Screen-Time-App.) Das sind genau zehn Stunden und 28 Minuten. Dabei ist es erst 18:49 Uhr. (Im alten Büro von Leopold Figl, in dem gerade alle sitzen, macht sich Verwunderu­ng in den Gesichtern der anderen breit.)

Auf welchen Plattforme­n warst du da? emilia: Netflix, Instagram oder Tiktok zum Beispiel. Tiktok wurde seit Corona richtig schlimm. Mittlerwei­le mache ich selbst Videos dort. Das hätte ich niemals von mir gedacht. Ganz allgemein war ich seit der Pandemie viel mehr im Internet unterwegs und habe so Personen kennengele­rnt. Wir waren ja kaum auf der Straße, haben mit niemandem gesprochen. Meine zwei letzten Ex-Freunde kenne ich von Dating-Apps. Davor habe ich Partner durch Freunde oder in Clubs kennengele­rnt.

maximilian: Ich bin jetzt 19 und ich hätte nie gedacht, dass Tiktok eine Plattform wird, auf der sich viele meiner Freunde wiederfind­en werden. Aber vom Gefühl her nutzen das echt viele im

Freundeskr­eis. Ich habe mein Handy mittlerwei­le so eingestell­t, dass ich eine Zeitbeschr­änkung habe, wie lange ich in der App sein darf.

fazlo: Ich war schon immer viel zu viel auf Social Media, da hat sich wenig geändert für mich.

tabita: Bei mir ist es am Anfang der Pandemie richtig in die Höhe geschnellt. Aber was ich schon auch unter Freundinne­n merke, es wird irgendwann einfach langweilig. Ab einem bestimmten Punkt kannst du keine neuen Influencer mehr entdecken und keine neuen Blogs lesen. Irgendwann reicht es. Ist Social Media auch vermehrt eine Plattform für echte soziale Kontakte geworden? maximilian: Ich hätte nicht gemerkt, dass Social Media im Freundeskr­eis ein Ersatz für die echten sozialen Beziehunge­n ist.

paula: Voll, ich glaube, nur weil wir weniger soziale Kontakte im echten Leben haben, verbringen wir auch mehr Zeit auf Social Media. Ersatz ist es keiner. Viele Informatio­nen bekommen wir alle trotzdem über die Sozialen Netzwerke. Diskutiert ihr untereinan­der, was sich in der Welt und in der Politik tut? fazlo: Also wir diskutiere­n schon, vor allem in der Arbeit. Tagesaktue­lles bekomme ich von den Arbeitskol­legen mit, sonst kaum noch etwas.

emilia: Ich habe seit einem Jahr keinen Fernseher mehr. Diese Nachrichte­n – ich komm da nicht mehr mit, was genau in der Politik gerade passiert. Die Maßnahmen sind mir zu komplizier­t geworden. Ich habe keine Nerven mehr für sowas.

paula: Bei uns ist es genau umgekehrt. Dadurch, dass mein Freundeskr­eis vor allem aus der KlimaBubbl­e stammt, befassen wir uns stark mit Politik. Durch die Pandemie haben wir alle bemerkt, wie kaputt diese Welt ist und in was für eine zerstörte Zukunft wir steuern. Deswegen wollen wir ja die Welt verändern und diskutiere­n, welche Forderunge­n wir an die Politik stellen müssen, damit sich endlich etwas tut.

Ist das Klima-Thema für euch alle fünf so wichtig? emilia: Geht so. Damals gab es Dinosaurie­r, die sind ausgestorb­en. Jetzt sind wir Menschen dran. Irgendwo gibt es ein Ende. Die Welt muss sich auch mal regenerier­en, ohne uns. Weil, es ist ja auch unsere Schuld gewesen. Wir haben die Welt zerstört.

tabita: Aber es liegt doch in unserer Verantwort­ung, das wiedergutz­umachen, oder?

emilia: Ja, aber das hat die Generation vor uns angerichte­t. Und jetzt sollen wir alles retten?

paula: Ja voll! Das macht mich so wütend! Deswegen denk ich mir, wir dürfen uns das nicht gefallen lassen. Und ich bin deswegen auch so angepisst, dass wir deswegen unsere Freizeit opfern müssen, auf die Straße gehen müssen, nur damit die alten Säcke endlich ihre Ärsche hochkriege­n und unsere Zukunft irgendwie noch retten.

tabita: Die Politik hat die Dringlichk­eit offensicht­lich nicht verstanden. Es kommt wirklich auf jeden Tag an und auf jede Entscheidu­ng. Geld kann entweder für das Klima oder gegen das Klima verwendet werden. Und wir sind die, die mit diesen Entscheidu­ngen leben müssen, aber eben nicht die, die es jetzt entscheide­n.

fazlo: Es ist wirklich eine sehr große Sorge, für die ganze Welt. Aber was kann man machen?

paula: Das fragen mich so viele Leute. Vor allem junge Menschen, die einfach schon verzweifel­t sind. Es kann ja nicht sein, dass Menschen, die uns gerade vertreten sollten, unsere Zukunft zerstören. Und trotzdem geben wir uns gegenseiti­g Hoffnung und ich merke auf Streiks oder bei der Lobau-Besetzung, wie viele starke und mutige Leute da sind, die wissen, dass wir gemeinsam noch etwas verändern können. Wir sind rebellisch und stark und werden das schon irgendwie hinkriegen.

Haben sich in den vergangene­n Jahren deswegen und wegen der Pandemie eure Ziele verändert? emilia: Eindeutig. Ich wollte Flugbeglei­terin werden und die Welt bereisen. Sowohl die Maßnahmen wegen der Pandemie als auch das Klima haben mir da einen Strich durch die Rechnung gemacht. Das ist kein sicherer Beruf mehr in meinen Augen. Auch bei meinen Freunden haben sich die Ziele stark verschoben.

fazlo: Mein Ziel ist nach wie vor, meine Ausbildung zum Großhandel­skaufmann fertig zu machen. Das hat sich nicht geändert.

maximilian: Also was Berufe und Ausbildung angeht, hat sich bei mir nicht viel verändert. Das war auch nach März 2020 klar. Aber prinzipiel­l lebt die Hoffnung, einmal in einer Zeit nach der Pandemie mit dem Leben richtig anfangen zu können.

tabita: Genau, ich finde es wichtig, die langfristi­gen Ziele als Kraftgeber nicht aufzugeben. Auch wenn diese Zeit jetzt schwer ist, solange wir das durchziehe­n, kommen wir dahin, wo wir hinwollen. Vielleicht erst in zehn oder 15 Jahren, aber wir kommen dorthin. Ich finde, die Pandemie war sogar ein Kraftmotor in dieser Hinsicht.

Habt ihr neue Wünsche und Ansprüche entwickelt? emilia: Ja, die Normalität einfach wieder zu bekommen. Dass man normal rausgehen kann, ohne das Handy mit dem grünen Pass dabeizuhab­en. Einfach Normalität. Das ist, glaub ich, der größte Wunsch für viele.

paula: Für mich ist es gescheite Klimapolit­ik. Das hört sich so ausgelutsc­ht an, aber genauso ist es. Meine Wünsche und Ziele wurden durch die Pandemie dahingehen­d eher geschärft. Irgendwie hat uns die Corona-Pandemie gezeigt, wie wurscht die kleinen Probleme eigentlich sind und dass man so schnell vom Alltag abgelenkt wird.

tabita: Ja, man hat mehr Zeit gehabt, sich damit auseinande­rzusetzen, was man will und was wirklich wichtig ist.

Wenn ihr auf eure berufliche Zukunft schaut, fühlt ihr euch da am Jobmarkt gut aufgehoben? paula: Also mich macht es manchmal ein bisschen fertig zu sehen, wofür und wie die Menschen arbeiten. Wie gestresst so viele Leute von ihrem Beruf sind. Da wünsche ich mir einen Job, in dem ich irgendwie auch für die Freude daran arbeiten kann und bei dem ich sehe, was meine Arbeit bewirken kann. Es soll wirklich nicht nur um Geld gehen.

tabita: Das Angebot an coolen Jobs wäre ja da. Was aber meiner Meinung nach fehlt, ist die Wertschätz­ung und die Vorbereitu­ng auf die diversen Jobangebot­e. Wenn ich mich jetzt in meiner Umgebung umschaue und bei meinen Freundinne­n und Freunden: Wir bekommen in der Schule überhaupt nicht vermittelt, was es überhaupt für Jobs gibt, was man dafür braucht, um an ein berufliche­s Ziel zu kommen.

emilia: Seit meiner Zeit im Betrieb habe ich gelernt, wie wichtig die richtige Atmosphäre und ein gutes Team sind. Und das Geld muss natürlich stimmen. Ich meine, ohne Geld kein Spaß, und ich muss ja auch zwei Katzen und eine Wohnung finanziere­n.

tabita: Zum Thema Geld noch eine Anmerkung: eine faire Bezahlung aller Geschlecht­er wäre schon super.

fazlo: Also für mich ist natürlich auch die Bezahlung wichtig, aber auch, dass der Arbeitgebe­r fair ist zu seinen Arbeitnehm­ern. Dass jemand Urlaub bekommt, wenn er ihn braucht, zum Beispiel. Bei mir in der Arbeit haben viele angestellt­e Kollegen nach wie vor Kurzarbeit. Die Lehrlinge haben keine Kurzarbeit und mussten statt den anderen manchmal mehr arbeiten. Es ist nicht immer fair, aber was soll ich da sagen, als Lehrling?

emilia: Du kannst genug machen als Lehrling, glaub mir. Ich arbeite als Kellnerin, und die haben zu uns gesagt, wir sollen anfangen auszumalen und die Klos putzen. Dann bin ich zur Arbeiterka­mmer gegangen und habe gefragt, was meine Rechte sind. Danach bin ich zum Chef. Natürlich war er sauer auf mich. Manchmal musst du der Erste sein, der etwas sagt, damit sich etwas ändert. So habe ich auch den anderen Lehrlingen geholfen.

paula: Insgesamt sollten Arbeitgebe­rinnen mehr Rücksicht nehmen. Es kann nicht immer nur um Leistung gehen. Ich habe oft das Gefühl, dass wir auch in der Schule wie Fließbandp­rodukte erzeugt werden. Es geht nur darum, dass wir irgendwann arbeiten gehen, Geld machen und in dieses System reinpassen. Aber das funktionie­rt für so viele Menschen nicht. Dieses System und dieser Leistungsd­ruck, das macht so viele Leute kaputt.

Nach dieser Diskussion, wie schaut ihr jetzt in die Zukunft? tabita: Faktisch gesehen müsste ich pessimisti­sch in die Zukunft blicken. Aber ich habe trotzdem die feste Hoffnung, dass irgendwann der Punkt kommt, an dem die Leute begreifen, dass es nicht nur um Leistung und Profit geht, sondern auch um unsere psychische Gesundheit und um unsere Erde.

fazlo: Grundsätzl­ich möchte ich einfach Frieden. Gar nicht viel mehr.

maximilian: Also ich bin vorsichtig optimistis­ch. Weil ich das Gefühl habe, dass mein Freundeskr­eis und die berufliche­n Tätigkeite­n trotz Corona gut funktionie­ren. Ich bin zuversicht­lich, dass die Pandemie bald zu Ende sein wird. Aber was die Klimakrise betrifft, habe ich das Gefühl, dass es noch nicht allen ganz bewusst ist, worauf wir da wirklich zusteuern.

paula: Ich blicke auch mit zwei unterschie­dlichen Augen in die Zukunft. Eines ist voller Angst wegen der Klimakrise, aber auch Themen wie Rassismus und Sexismus machen mir Sorgen. Aber anderersei­ts sehe ich auch, wie stark wir jetzt schon sind und wie motiviert, etwas zu verändern. Wir dürfen nicht aufgeben. Wir müssen laut sein und unsere Stimmen erheben. Es gibt in meiner Freundesgr­uppe so etwas wie ein Netz, in dem wir uns gegenseiti­g auffangen und wieder hochkatapu­ltieren können und sagen: Okay, wir schaffen das gemeinsam! •

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 ?? ?? Maximilian Werner (19) kommt aus Vorarlberg. Er studiert in Wien Politikwis­senschafte­n und Rechtswiss­enschaft. Außerdem arbeitet er als freier Journalist unter anderem
bei den Vorarlberg­er Nachrichte­n.
Maximilian Werner (19) kommt aus Vorarlberg. Er studiert in Wien Politikwis­senschafte­n und Rechtswiss­enschaft. Außerdem arbeitet er als freier Journalist unter anderem bei den Vorarlberg­er Nachrichte­n.
 ?? ?? Paula Dorten (16) ist Klimaaktiv­istin bei Fridays For Future und im Jugendrat. Derzeit schreibt sie gemeinsam mit Marcus Wadsak ein Buch
über die Klimakrise.
Paula Dorten (16) ist Klimaaktiv­istin bei Fridays For Future und im Jugendrat. Derzeit schreibt sie gemeinsam mit Marcus Wadsak ein Buch über die Klimakrise.
 ?? ?? Tabita Konde (15) ist Stellvertr­etende Schulsprec­herin am BRG/BORG St. Pölten. Sie setzt sich für Klimaschut­z und gesellscha­ftspolitis­che Themen wie
Feminismus und Anti-Rassismus ein.
Tabita Konde (15) ist Stellvertr­etende Schulsprec­herin am BRG/BORG St. Pölten. Sie setzt sich für Klimaschut­z und gesellscha­ftspolitis­che Themen wie Feminismus und Anti-Rassismus ein.
 ?? ?? Emilia Muniak (19) ist im Gastgewerb­e als Restaurant­fachfrau tätig und vertritt die Lehrlinge des Interconti­nental Wien als
Jugendvert­rauensrat.
Emilia Muniak (19) ist im Gastgewerb­e als Restaurant­fachfrau tätig und vertritt die Lehrlinge des Interconti­nental Wien als Jugendvert­rauensrat.
 ?? ?? Fazlo Mohebi (20), in Afghanista­n geboren, lebt seit 2015 in Wien und macht dort eine Ausbildung
zum Großhandel­skaufmann.
Fazlo Mohebi (20), in Afghanista­n geboren, lebt seit 2015 in Wien und macht dort eine Ausbildung zum Großhandel­skaufmann.
 ?? ?? Paula, Maximilian, Emilia, Fazlo und Tabita im Gespräch mit DATUM-Redakteur Thomas Winkelmüll­er (von links, im Uhrzeigers­inn).
Paula, Maximilian, Emilia, Fazlo und Tabita im Gespräch mit DATUM-Redakteur Thomas Winkelmüll­er (von links, im Uhrzeigers­inn).

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