›Wir schauen aufeinander‹
Zwei Jahre Pandemie haben der Jugend viel abverlangt. Lernen, leben, arbeiten – alles ist anders geworden. Wie blicken Jugendliche in die Zukunft? Eine DATUM-Diskussion mit fünf jungen Menschen, die noch viel vorhaben.
Alle reden über euch, die Generation Corona. Aber was sagt ihr: Wie geht es euch, euren Freunden und Freundinnen, nach zwei Jahren Pandemie?
tabita: Wir haben, glaube ich, alle irgendwie gelernt, mit der Situation umzugehen. Mit Corona und allem anderen, das auf unseren Schultern lastet. Aber wir merken, dass wir erschöpft sind und dass unsere Ressourcen nicht endlos sind. Es täte gut, wenn man uns einmal richtig zuhören und mehr Rücksicht auf unsere Bedürfnisse nehmen würde.
Wie stellt ihr euch das konkret vor?
maximilian: Ich weiß nicht, ob wir als Generation gut repräsentiert werden. Viele von uns haben das Gefühl, dass Corona-Politik vor allem gemacht wird, um zum Beispiel der Wirtschaft zu helfen oder Arbeitsplätze zu sichern. Und das ist alles nichts Schlechtes. Aber seit zwei Jahren kommt mir vor, dass immer, wenn Maßnahmen gesetzt werden oder Lockerungen kommen, ein bisschen auf junge Menschen vergessen wird. Ich bin Student und seit September an der Uni. Es gibt Kolleginnen und Kollegen von mir, die seit März 2020 studieren und kein einziges Mal im Vorlesungssaal waren, weil alles per Distance Learning erledigt wurde. Dabei gäbe es ja Konzepte, um so etwas sicher zu gestalten, trotz Pandemie. Aber dafür gibt es offenbar nicht genug Bewusstsein bei den Entscheidungsträgern – unsere Situation wird oft übersehen. Und oft hören wir: Stellt euch nicht so an, wegen der paar Monate. Dabei hängen da immer Einzelschicksale dran. Dass man nicht wertschätzend mit dieser Generation umgeht, wird Folgen haben, das sollte man nicht vergessen.
paula: Ich will, dass wir endlich gehört werden. Und dass es nicht nur bei diesem Artikel bleibt, sondern dass wir auch von der Politik wahrgenommen werden. Unsere Botschaft lautet: Wir sind stärker, als ihr denkt. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass mir zwei Jahre meiner Jugend genommen wurden. Da hätte ich so viel erleben können. Jetzt, wo Lockerungen kommen, habe ich das Bedürfnis, das alles aufzuholen. Ich merke das wirklich in meiner Freundesgruppe, dass wir jede Möglichkeit nutzen, um rauszukommen und neue Sachen zu entdecken. Aber die ganze Zeit im Hinterkopf zu haben, dass wir in einer Pandemie leben und nie wissen, wie’s weitergeht – das ist schwer. Trotzdem ist es wichtig, dass wir feiern und diese Zeit irgendwie ausnützen, anstatt komplett aufzugeben. Wir müssen unsere Jugend leben und machen das Beste draus.
tabita: Zwischen den Lockdowns habe ich auch beobachtet, dass wir sofort etwas unternehmen, wenn es wieder erlaubt war – ganz einfach, weil wir nicht aufholbare, prägende Zeit unseres Lebens verloren hatten. Sobald die Möglichkeit da ist, nutzen wir sie.
emilia: Ich tue mir damit schwer. Vor Corona hatte ich genug Freunde und habe viel unternommen. Aber jetzt – ganz ehrlich – habe ich kaum noch Lust rauszugehen. Durch die Maßnahmen und die Sperrstunden ist es für mich langweilig geworden. Nicht jeder im Freundeskreis ist geimpft, und da können wir dann auch nicht viel gemeinsam machen.
fazlo: Ich habe mich vor Corona auch oft mit Freunden getroffen, aber seit Beginn der Pandemie kaum – wir hatten alle Angst. Wir hatten auch Sorge, von der Polizei kontrolliert zu werden. Strafen zahlen wollte keiner, deswegen haben wir uns nicht getraut, einander zu besuchen. Jetzt komme ich nach der Arbeit heim und gehe gleich schlafen. Nur am Wochenende sehe ich manchmal Freunde.
maximilian: Das tut mir leid! Ich habe zum Glück keine Freunde durch die Pandemiezeit verloren. Aber was uns fehlt, sind gemeinsame Erlebnisse, zum Beispiel Ausflüge. Das zieht sich durch. Ich bekomme es bei meinem kleinen Bruder mit. Der ist 13 Jahre alt. Er hätte jetzt Ski-Woche mit der Schule gehabt. Mein anderer Bruder hätte Maturaball gehabt – das fällt alles weg. emilia: So etwas hast du nur einmal. paula: Ich war zum Beispiel noch nie in einem Club. Und ich habe schon das Gefühl, ich hätte das inzwischen erleben sollen – einfach um Erfahrungen zu sammeln oder vielleicht sogar irgendeine Scheiße auszuprobieren.
tabita: Und wenn wir etwas unternehmen, ist immer diese Verantwortung dabei: Sind wir jetzt schuld, wenn ein Corona-Cluster entsteht? Was auch immer mitschwingt, ist die Frage: Wie würde unser Leben aussehen, wenn die Pandemie nie begonnen hätte.
Wie feiern junge Leute mit diesen Gedanken im
Kopf heute? maximilian: In größeren Gruppen treffen wir uns nur im privaten Bereich. In Vorarlberg gab es die Regel, dass wir in der Gastronomie nur zu acht oder zu zehnt an einem Tisch sitzen durften. Und die Clubs waren einfach zu. Also treffen wir uns eben zu Hause.
paula: Es ist auch chilliger, daheim zu feiern. Da hat man die Leute, die man gerne mag und von denen man weiß, wie sie zu Corona stehen. Da kann man dann auch wirklich die Maßnahmen einhalten. Habt ihr das Gefühl, dass sich die Bedeutung von Alkohol und anderen Drogen seit der Pandemie bei euren Freunden verändert hat? emilia: Durch die ganzen Hauspartys wurde mehr konsumiert. Ich war auf zwei Partys mit circa 70 Personen, und da wurden so viele Drogen genommen. Nicht von mir, aber ich habe es genau bemerkt. Die Leute gehen ständig rein und raus aus den Toiletten und ziehen sich die Nasen voll oder schauen aus wie Psychopathen, weil sie irgendwas genommen haben. Der Mischkonsum ist auch sicher mehr geworden. Es gab ja auch nicht so viele andere Möglichkeiten, Geld auszugeben!
tabita: Also, ich weiß nicht, ob das maßgeblich durch Corona beeinflusst wurde, aber im privaten Raum gibt es natürlich keine Alterskontrollen oder so. Und da ist in meinem Umfeld der Alkoholkonsum gestiegen, auch bei Personen, von denen ich es vorher nie gedacht hätte. Vielleicht auch, weil sich viele betäuben wollen.
Betäuben ist natürlich nicht die gesündeste Lösung für Probleme. Merkt ihr, dass ihr euch seit Beginn der Pandemie gegenseitig mehr helft, wenn es euch schlecht geht?
paula: Wir reden viel mehr miteinander und bringen auch viel mehr Verständnis füreinander auf, weil wir einfach alle diese emotional schwierige Zeit durchlebt haben. Da brechen auch Tabus auf, wenn es darum geht, worüber wir sprechen und was uns eigentlich unangenehm sein müsste. Da bleibt es selten bei einem oberflächlichen ›Wie geht’s dir?‹, sondern man kommt schnell auch in einen Deep Talk. Wir wissen alle, dass es uns oft dreckig geht und dass es wichtig ist, drüber zu reden und uns gegenseitig zu unterstützen.
maximilian: Ich habe im dritten Lockdown gemerkt, dass wir stundenlang geskypt oder telefoniert haben. Da war echt ein Thema, dass wir aufeinander schauen und abklären, wie es uns geht. Viele sind wie ich aus Vorarlberg nach Wien gezogen und haben zu zweit oder überhaupt allein gewohnt, und da geht es dir relativ schnell nicht mehr gut, weil du in der Freizeitgestaltung brutal eingeengt wirst. Wir haben manchmal wirklich um 16 Uhr angefangen zu skypen und waren um drei Uhr morgens fertig. Einfach aus dem Gefühl heraus, dass wir da alle gemeinsam durchkommen wollen.
fazlo: Wenn wir uns vermissen, dann telefonieren meine Freunde und ich auch immer ein paar Stunden und reden. Das hilft. Die ganze Zeit arbeiten und schlafen, diese immer gleichen Tage – das macht ein bisschen krank. Aber ich habe gelernt, allein zu sein.
Habt ihr das Gefühl, dass ihr genug Hilfe von außen zur Verfügung gestellt bekommt?
Emilia: Natürlich gibt es die. Aber ich glaub, nicht viele nehmen sie an. Also ich könnte es nicht. Ich habe meine Bezugspersonen, wenn etwas sein sollte. Meine Mama steht da an erster Stelle, egal worum es geht. Mit ihr kann ich reden.
tabita: Ich glaube, dass es allen kollektiv guttun würde, eine lange Session mit einem professionellen Psychologen zu haben, aber dafür ist das Angebot leider nicht gut genug ausgebaut. Vor allem an den Schulen. Wir haben so wenige Schulpsychologen, das kann sich zeitlich nicht ausgehen. Und, um sich privat jemanden für psychologische Beratung zu suchen, dazu fehlen die finanziellen Ressourcen. Es wird viel über die Rolle von Social Media diskutiert. Plattformen wie Instagram und Tiktok können gegen Einsamkeit helfen, aber auch Zeitfresser sein und zusätzlich isolieren. Hat sich bei euch das Social-Media-Verhalten seit Beginn der Pandemie verändert? emilia: Ja! Eine Sekunde, ich schaue nach, wie lange ich heute am Handy war. (Emilia holt ihr Smartphone aus der Tasche und öffnet die Screen-Time-App.) Das sind genau zehn Stunden und 28 Minuten. Dabei ist es erst 18:49 Uhr. (Im alten Büro von Leopold Figl, in dem gerade alle sitzen, macht sich Verwunderung in den Gesichtern der anderen breit.)
Auf welchen Plattformen warst du da? emilia: Netflix, Instagram oder Tiktok zum Beispiel. Tiktok wurde seit Corona richtig schlimm. Mittlerweile mache ich selbst Videos dort. Das hätte ich niemals von mir gedacht. Ganz allgemein war ich seit der Pandemie viel mehr im Internet unterwegs und habe so Personen kennengelernt. Wir waren ja kaum auf der Straße, haben mit niemandem gesprochen. Meine zwei letzten Ex-Freunde kenne ich von Dating-Apps. Davor habe ich Partner durch Freunde oder in Clubs kennengelernt.
maximilian: Ich bin jetzt 19 und ich hätte nie gedacht, dass Tiktok eine Plattform wird, auf der sich viele meiner Freunde wiederfinden werden. Aber vom Gefühl her nutzen das echt viele im
Freundeskreis. Ich habe mein Handy mittlerweile so eingestellt, dass ich eine Zeitbeschränkung habe, wie lange ich in der App sein darf.
fazlo: Ich war schon immer viel zu viel auf Social Media, da hat sich wenig geändert für mich.
tabita: Bei mir ist es am Anfang der Pandemie richtig in die Höhe geschnellt. Aber was ich schon auch unter Freundinnen merke, es wird irgendwann einfach langweilig. Ab einem bestimmten Punkt kannst du keine neuen Influencer mehr entdecken und keine neuen Blogs lesen. Irgendwann reicht es. Ist Social Media auch vermehrt eine Plattform für echte soziale Kontakte geworden? maximilian: Ich hätte nicht gemerkt, dass Social Media im Freundeskreis ein Ersatz für die echten sozialen Beziehungen ist.
paula: Voll, ich glaube, nur weil wir weniger soziale Kontakte im echten Leben haben, verbringen wir auch mehr Zeit auf Social Media. Ersatz ist es keiner. Viele Informationen bekommen wir alle trotzdem über die Sozialen Netzwerke. Diskutiert ihr untereinander, was sich in der Welt und in der Politik tut? fazlo: Also wir diskutieren schon, vor allem in der Arbeit. Tagesaktuelles bekomme ich von den Arbeitskollegen mit, sonst kaum noch etwas.
emilia: Ich habe seit einem Jahr keinen Fernseher mehr. Diese Nachrichten – ich komm da nicht mehr mit, was genau in der Politik gerade passiert. Die Maßnahmen sind mir zu kompliziert geworden. Ich habe keine Nerven mehr für sowas.
paula: Bei uns ist es genau umgekehrt. Dadurch, dass mein Freundeskreis vor allem aus der KlimaBubble stammt, befassen wir uns stark mit Politik. Durch die Pandemie haben wir alle bemerkt, wie kaputt diese Welt ist und in was für eine zerstörte Zukunft wir steuern. Deswegen wollen wir ja die Welt verändern und diskutieren, welche Forderungen wir an die Politik stellen müssen, damit sich endlich etwas tut.
Ist das Klima-Thema für euch alle fünf so wichtig? emilia: Geht so. Damals gab es Dinosaurier, die sind ausgestorben. Jetzt sind wir Menschen dran. Irgendwo gibt es ein Ende. Die Welt muss sich auch mal regenerieren, ohne uns. Weil, es ist ja auch unsere Schuld gewesen. Wir haben die Welt zerstört.
tabita: Aber es liegt doch in unserer Verantwortung, das wiedergutzumachen, oder?
emilia: Ja, aber das hat die Generation vor uns angerichtet. Und jetzt sollen wir alles retten?
paula: Ja voll! Das macht mich so wütend! Deswegen denk ich mir, wir dürfen uns das nicht gefallen lassen. Und ich bin deswegen auch so angepisst, dass wir deswegen unsere Freizeit opfern müssen, auf die Straße gehen müssen, nur damit die alten Säcke endlich ihre Ärsche hochkriegen und unsere Zukunft irgendwie noch retten.
tabita: Die Politik hat die Dringlichkeit offensichtlich nicht verstanden. Es kommt wirklich auf jeden Tag an und auf jede Entscheidung. Geld kann entweder für das Klima oder gegen das Klima verwendet werden. Und wir sind die, die mit diesen Entscheidungen leben müssen, aber eben nicht die, die es jetzt entscheiden.
fazlo: Es ist wirklich eine sehr große Sorge, für die ganze Welt. Aber was kann man machen?
paula: Das fragen mich so viele Leute. Vor allem junge Menschen, die einfach schon verzweifelt sind. Es kann ja nicht sein, dass Menschen, die uns gerade vertreten sollten, unsere Zukunft zerstören. Und trotzdem geben wir uns gegenseitig Hoffnung und ich merke auf Streiks oder bei der Lobau-Besetzung, wie viele starke und mutige Leute da sind, die wissen, dass wir gemeinsam noch etwas verändern können. Wir sind rebellisch und stark und werden das schon irgendwie hinkriegen.
Haben sich in den vergangenen Jahren deswegen und wegen der Pandemie eure Ziele verändert? emilia: Eindeutig. Ich wollte Flugbegleiterin werden und die Welt bereisen. Sowohl die Maßnahmen wegen der Pandemie als auch das Klima haben mir da einen Strich durch die Rechnung gemacht. Das ist kein sicherer Beruf mehr in meinen Augen. Auch bei meinen Freunden haben sich die Ziele stark verschoben.
fazlo: Mein Ziel ist nach wie vor, meine Ausbildung zum Großhandelskaufmann fertig zu machen. Das hat sich nicht geändert.
maximilian: Also was Berufe und Ausbildung angeht, hat sich bei mir nicht viel verändert. Das war auch nach März 2020 klar. Aber prinzipiell lebt die Hoffnung, einmal in einer Zeit nach der Pandemie mit dem Leben richtig anfangen zu können.
tabita: Genau, ich finde es wichtig, die langfristigen Ziele als Kraftgeber nicht aufzugeben. Auch wenn diese Zeit jetzt schwer ist, solange wir das durchziehen, kommen wir dahin, wo wir hinwollen. Vielleicht erst in zehn oder 15 Jahren, aber wir kommen dorthin. Ich finde, die Pandemie war sogar ein Kraftmotor in dieser Hinsicht.
Habt ihr neue Wünsche und Ansprüche entwickelt? emilia: Ja, die Normalität einfach wieder zu bekommen. Dass man normal rausgehen kann, ohne das Handy mit dem grünen Pass dabeizuhaben. Einfach Normalität. Das ist, glaub ich, der größte Wunsch für viele.
paula: Für mich ist es gescheite Klimapolitik. Das hört sich so ausgelutscht an, aber genauso ist es. Meine Wünsche und Ziele wurden durch die Pandemie dahingehend eher geschärft. Irgendwie hat uns die Corona-Pandemie gezeigt, wie wurscht die kleinen Probleme eigentlich sind und dass man so schnell vom Alltag abgelenkt wird.
tabita: Ja, man hat mehr Zeit gehabt, sich damit auseinanderzusetzen, was man will und was wirklich wichtig ist.
Wenn ihr auf eure berufliche Zukunft schaut, fühlt ihr euch da am Jobmarkt gut aufgehoben? paula: Also mich macht es manchmal ein bisschen fertig zu sehen, wofür und wie die Menschen arbeiten. Wie gestresst so viele Leute von ihrem Beruf sind. Da wünsche ich mir einen Job, in dem ich irgendwie auch für die Freude daran arbeiten kann und bei dem ich sehe, was meine Arbeit bewirken kann. Es soll wirklich nicht nur um Geld gehen.
tabita: Das Angebot an coolen Jobs wäre ja da. Was aber meiner Meinung nach fehlt, ist die Wertschätzung und die Vorbereitung auf die diversen Jobangebote. Wenn ich mich jetzt in meiner Umgebung umschaue und bei meinen Freundinnen und Freunden: Wir bekommen in der Schule überhaupt nicht vermittelt, was es überhaupt für Jobs gibt, was man dafür braucht, um an ein berufliches Ziel zu kommen.
emilia: Seit meiner Zeit im Betrieb habe ich gelernt, wie wichtig die richtige Atmosphäre und ein gutes Team sind. Und das Geld muss natürlich stimmen. Ich meine, ohne Geld kein Spaß, und ich muss ja auch zwei Katzen und eine Wohnung finanzieren.
tabita: Zum Thema Geld noch eine Anmerkung: eine faire Bezahlung aller Geschlechter wäre schon super.
fazlo: Also für mich ist natürlich auch die Bezahlung wichtig, aber auch, dass der Arbeitgeber fair ist zu seinen Arbeitnehmern. Dass jemand Urlaub bekommt, wenn er ihn braucht, zum Beispiel. Bei mir in der Arbeit haben viele angestellte Kollegen nach wie vor Kurzarbeit. Die Lehrlinge haben keine Kurzarbeit und mussten statt den anderen manchmal mehr arbeiten. Es ist nicht immer fair, aber was soll ich da sagen, als Lehrling?
emilia: Du kannst genug machen als Lehrling, glaub mir. Ich arbeite als Kellnerin, und die haben zu uns gesagt, wir sollen anfangen auszumalen und die Klos putzen. Dann bin ich zur Arbeiterkammer gegangen und habe gefragt, was meine Rechte sind. Danach bin ich zum Chef. Natürlich war er sauer auf mich. Manchmal musst du der Erste sein, der etwas sagt, damit sich etwas ändert. So habe ich auch den anderen Lehrlingen geholfen.
paula: Insgesamt sollten Arbeitgeberinnen mehr Rücksicht nehmen. Es kann nicht immer nur um Leistung gehen. Ich habe oft das Gefühl, dass wir auch in der Schule wie Fließbandprodukte erzeugt werden. Es geht nur darum, dass wir irgendwann arbeiten gehen, Geld machen und in dieses System reinpassen. Aber das funktioniert für so viele Menschen nicht. Dieses System und dieser Leistungsdruck, das macht so viele Leute kaputt.
Nach dieser Diskussion, wie schaut ihr jetzt in die Zukunft? tabita: Faktisch gesehen müsste ich pessimistisch in die Zukunft blicken. Aber ich habe trotzdem die feste Hoffnung, dass irgendwann der Punkt kommt, an dem die Leute begreifen, dass es nicht nur um Leistung und Profit geht, sondern auch um unsere psychische Gesundheit und um unsere Erde.
fazlo: Grundsätzlich möchte ich einfach Frieden. Gar nicht viel mehr.
maximilian: Also ich bin vorsichtig optimistisch. Weil ich das Gefühl habe, dass mein Freundeskreis und die beruflichen Tätigkeiten trotz Corona gut funktionieren. Ich bin zuversichtlich, dass die Pandemie bald zu Ende sein wird. Aber was die Klimakrise betrifft, habe ich das Gefühl, dass es noch nicht allen ganz bewusst ist, worauf wir da wirklich zusteuern.
paula: Ich blicke auch mit zwei unterschiedlichen Augen in die Zukunft. Eines ist voller Angst wegen der Klimakrise, aber auch Themen wie Rassismus und Sexismus machen mir Sorgen. Aber andererseits sehe ich auch, wie stark wir jetzt schon sind und wie motiviert, etwas zu verändern. Wir dürfen nicht aufgeben. Wir müssen laut sein und unsere Stimmen erheben. Es gibt in meiner Freundesgruppe so etwas wie ein Netz, in dem wir uns gegenseitig auffangen und wieder hochkatapultieren können und sagen: Okay, wir schaffen das gemeinsam! •