„Zu oft muss die eigene Identität verschleiert werden“
Erol Dora ist der einzige christliche Abgeordnete im türkischen Parlament. Im Interview mit Gianluca Wallisch erklärt er, warum nur eine Annäherung seines Landes an die EU die Lage der Minderheiten verbessern wird.
Minderheiten wiederfinden können. Wir möchten auch, dass der verpflichtende muslimische Religionsunterricht abgeschafft wird. Standard: Eu-minister Egemen Bagiş forderte die Christen auf, sich um öffentliche Ämter zu bewerben. Ist das ein Beitrag zur Integration? Dora: Bisher hatten Minderheiten kaum die Möglichkeit, offiziell im Staatsdienst zu arbeiten, höchstens in niedrigen Rängen. Ich denke, dass die Eu-perspektive mit ein Grund für diese Aussagen von Herrn Bagiş sind. Hoffentlich sind das nicht nur Worte, sondern es folgen auch Taten. Es sollte ganz natürlich sein, dass unterschiedslos jeder Karriere machen kann. Zu oft muss heute noch die eigene Identität verschleiert werden, um weiterzukommen. Standard: Was kann die EU-PERspektive bewirken? Dora: Die Kopenhagener Kriterien sind ein wichtiger Punkt, weil sie offizielle und objektive Anforderungen festlegen, etwa den Minderheitenschutz. Ein erstes Ergebnis ist nun, dass wir alle eingeladen sind, an der neuen Verfassung der Türkei mitzutun. In den letzten 15 Jahren hat sich viel verändert, wobei „viel“relativ zu sehen ist. Eines ist aber klar: Ohne eine Lösung der Kurdenfrage, die 20 Millionen Menschen betrifft, wird es auch nie eine Lösung für die Christen und andere Minderheiten im Land geben. Und diese Frage muss demokratisch gelöst werden. Alle, wirklich alle Minderheiten müssen sich in der Türkei wiederfinden können. EROL DORA (48) ist auf Minderheitenrechte spezialisierter Rechtsanwalt. Als syrisch-aramäischer Christ ist er der einzige christliche Abgeordnete im türkischen Parlament seit rund 50 Jahren.