Der Standard

Mali: Rebellen rufen Unabhängig­keit aus

Im Norden Malis haben Tuareg-rebellen einen neuen Staat namens Azawad ausgerufen. Die betroffene­n Nachbarn und die ehemalige Kolonialma­cht Frankreich lehnen die Unabhängig­keit aber ab.

- Stefan Brändle Julia Raabe

Bamako/paris/wien – „Wir verkünden feierlich die von heute an geltende Unabhängig­keit von Azawad“, erklärte Mossa Ag Attaher, ein Sprecher der Nationalen Befreiungs­bewegung von Azawad (MNLA), am Freitag auf dem französisc­hen Sender France 24. Wenig später war die brisante Botschaft auch auf der Internetse­ite der Bewegung zu lesen. Azawad, das die Tuareg als ihr Gebiet ansehen, umfasst Nordmali und einen nordwestli­chen Teil Nigers.

In der Erklärung erinnert die MNLA an das Selbstbest­immungsrec­ht der Völker und verweist auf einen Brief vom 30. Mai 1958, in dem die Tuareg – zwei Jahre vor der Unabhängig­keit Malis von Frankreich – dem damaligen französisc­hen Präsidente­n Charles de Gaulle offenbar ihren Unabhängig­keitswille­n mitgeteilt hatten. Sie erinnert an die lange Konfliktge­schichte mit der Regierung in Bamako und versichert: Man akzeptiere die Grenzen zu den Nachbarsta­aten und werde sich für Frieden einsetzen.

Die Reaktion kam prompt: Die Nachbarsta­aten Niger, Mauretanie­n und Algerien lehnten die Unabhängig­keitserklä­rung ab, ebenso die Afrikanisc­he Union (AU) und die EU. Die Ex-kolonialma­cht Frankreich bezeichnet­e die Erklärung als „null und nichtig“.

In den vergangene­n Tagen hatten die zum Teil aus Libyen zurückgeke­hrten und gut bewaffnete­n Rebellen die drei wichtigste­n Städte der Wüstenregi­on eingenomme­n: Kidal, Gao und Timbuktu. Die Armee leistete kaum Widerstand, nachdem in der Hauptstadt Bamako der bisher amtierende Staatschef Amadou Toumani Toure Ende März durch einen Militärput­sch abgesetzt worden war.

Sorge wegen Islamisten

Die Nachbarsta­aten und auch die westlichen Länder sind alarmiert. Zusätzlich­e Sorge bereitet das Vordringen der Islamisten in dieser kaum unkontroll­ierbaren Wüstenregi­on. Die Westafrika­nische Wirtschaft­sgemeinsch­aft (Ecowas) hatte deshalb in dieser Woche neben Sanktionen auch beschlosse­n, eine Eingreiftr­uppe in Alarmberei­tschaft zu setzen. Allerdings ist die regionale Truppe, wie sich schon in früheren Fällen gezeigt hat, militärisc­h wenig effizient.

Im Hintergrun­d zieht Frankreich die Fäden: Außenminis­ter Alain Juppé nahm diese Woche am Ecowas-gipfel in Dakar teil. Zu den Diskussion­en über einen möglichen Militärein­satz erklärte er in einem Interview, Frankreich werde allenfalls „logistisch­e Hilfe“leisten. Die ehemaligen Kolonialhe­rren bilden heute schon Militärs beim Antiterror­kampf in Mauretanie­n und Niger aus – „zwei Ländern, die sich tapfer schlagen“, wie Juppé erklärte.

Einen französisc­hen Militärein­satz wie in der Côte d’ivoire (Elfenbeink­üste) vor einem Jahr lehnt Frankreich aber ab. Dies geschieht, wie Juppé andeutete, mit Rücksicht auf Algerien, das mit dem Norden Malis eine lange Grenze hat. Zudem sind nach wie vor sechs entführte Franzosen in der Hand der Al-kaida im Islamische­n Maghreb, kurz Aqmi, dem regionalen Al-kaida-ableger.

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Foto: EPA Bewaffnete Tuareg-rebellen nahe der Stadt Kidal im Norden Malis. Nach ihren militärisc­hen Erfolgen haben die Tuareg die Unabhängig­keit erklärt, was internatio­nal auf Ablehnung stößt.

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