Mali: Rebellen rufen Unabhängigkeit aus
Im Norden Malis haben Tuareg-rebellen einen neuen Staat namens Azawad ausgerufen. Die betroffenen Nachbarn und die ehemalige Kolonialmacht Frankreich lehnen die Unabhängigkeit aber ab.
Bamako/paris/wien – „Wir verkünden feierlich die von heute an geltende Unabhängigkeit von Azawad“, erklärte Mossa Ag Attaher, ein Sprecher der Nationalen Befreiungsbewegung von Azawad (MNLA), am Freitag auf dem französischen Sender France 24. Wenig später war die brisante Botschaft auch auf der Internetseite der Bewegung zu lesen. Azawad, das die Tuareg als ihr Gebiet ansehen, umfasst Nordmali und einen nordwestlichen Teil Nigers.
In der Erklärung erinnert die MNLA an das Selbstbestimmungsrecht der Völker und verweist auf einen Brief vom 30. Mai 1958, in dem die Tuareg – zwei Jahre vor der Unabhängigkeit Malis von Frankreich – dem damaligen französischen Präsidenten Charles de Gaulle offenbar ihren Unabhängigkeitswillen mitgeteilt hatten. Sie erinnert an die lange Konfliktgeschichte mit der Regierung in Bamako und versichert: Man akzeptiere die Grenzen zu den Nachbarstaaten und werde sich für Frieden einsetzen.
Die Reaktion kam prompt: Die Nachbarstaaten Niger, Mauretanien und Algerien lehnten die Unabhängigkeitserklärung ab, ebenso die Afrikanische Union (AU) und die EU. Die Ex-kolonialmacht Frankreich bezeichnete die Erklärung als „null und nichtig“.
In den vergangenen Tagen hatten die zum Teil aus Libyen zurückgekehrten und gut bewaffneten Rebellen die drei wichtigsten Städte der Wüstenregion eingenommen: Kidal, Gao und Timbuktu. Die Armee leistete kaum Widerstand, nachdem in der Hauptstadt Bamako der bisher amtierende Staatschef Amadou Toumani Toure Ende März durch einen Militärputsch abgesetzt worden war.
Sorge wegen Islamisten
Die Nachbarstaaten und auch die westlichen Länder sind alarmiert. Zusätzliche Sorge bereitet das Vordringen der Islamisten in dieser kaum unkontrollierbaren Wüstenregion. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) hatte deshalb in dieser Woche neben Sanktionen auch beschlossen, eine Eingreiftruppe in Alarmbereitschaft zu setzen. Allerdings ist die regionale Truppe, wie sich schon in früheren Fällen gezeigt hat, militärisch wenig effizient.
Im Hintergrund zieht Frankreich die Fäden: Außenminister Alain Juppé nahm diese Woche am Ecowas-gipfel in Dakar teil. Zu den Diskussionen über einen möglichen Militäreinsatz erklärte er in einem Interview, Frankreich werde allenfalls „logistische Hilfe“leisten. Die ehemaligen Kolonialherren bilden heute schon Militärs beim Antiterrorkampf in Mauretanien und Niger aus – „zwei Ländern, die sich tapfer schlagen“, wie Juppé erklärte.
Einen französischen Militäreinsatz wie in der Côte d’ivoire (Elfenbeinküste) vor einem Jahr lehnt Frankreich aber ab. Dies geschieht, wie Juppé andeutete, mit Rücksicht auf Algerien, das mit dem Norden Malis eine lange Grenze hat. Zudem sind nach wie vor sechs entführte Franzosen in der Hand der Al-kaida im Islamischen Maghreb, kurz Aqmi, dem regionalen Al-kaida-ableger.