Der Standard

„Ein Tuareg-land werden wir nie anerkennen“

Die Unabhängig­keitserklä­rung der malischen Tuareg könnte ein taktischer Schachzug sein, sagte der Afrika-experte und neue Botschafte­r Frankreich­s in Wien, Stéphane Gompertz, zu Julia Raabe. Der Konflikt müsse über Dialog gelöst werden.

-

Standard: Wie ernst ist die Unabhängig­keitserklä­rung der Tuareg im Norden Malis zu nehmen? Gompertz: Nicht zu ernst. Die Tuareg wissen, dass kein anderes Land das akzeptiere­n kann. Ein Tuareg-land werden wir nie anerkennen. Niemand wird das. Wir haben das ihnen gegenüber auch ganz klar gemacht, die Einheit Malis kann nicht infrage gestellt werden. Autonomie – wunderbar. Es handelt sich auch nicht nur um die Tuareg. Im Norden Malis gibt es viele andere Gemeinscha­ften. Standard: Warum dann trotzdem diese Unabhängig­keitserklä­rung? Gompertz: Ich hoffe, dass es sich nur um Taktik handelt. Es ist nötig, Verhandlun­gen zu führen – und bevor diese stattfinde­n, versucht jede Seite, eine extreme Position einzunehme­n. Wirtschaft­lich hätte eine Unabhängig­keit auch keinen Sinn. Der Norden kann ohne den Süden nicht Leben, der Kern der Wirtschaft befindet sich im Süden. Natürlich kann es eine Selbststän­digkeit geben. Aber das muss durch ein Ab- kommen mit der Regierung Malis vereinbart werden. Standard: ... die es derzeit nicht gibt, zumindest keine anerkannte. Gompertz: Deswegen sagen wir, dass es so früh wie möglich Wahlen geben soll. Auch einen Militärput­sch können wir weder annehmen noch unterstütz­en. Standard: Welche Möglichkei­ten hat die Staatengem­einschaft jetzt? Gompertz: Sie könnte ähnlich vorgehen in Guinea, wo sie durch die Westafrika­nische Wirtschaft­sgemeinsch­aft, die Uno, die Afrikanisc­he Union und andere dazu beigetrage­n hat, die Demokratie wieder herzustell­en: durch einen Dialog zwischen dem Militär, den verschiede­nen politische­n Kräften und der Zivilgesel­lschaft. So ein Dialog sollte stattfinde­n – und natürlich sind wir bereit, dazu bei- zutragen. Es kann einige Monate dauern. Dass die Wahlen jetzt stattfinde­n, kann keiner verlangen. Aber vielleicht im Herbst. Standard: Werden sich die Putschiste­n halten können? Gompertz: Darauf habe ich keine direkte Antwort. Man kann sie nicht ignorieren. Man muss mit ihnen verhandeln. Aber sie sollten nicht an der Macht bleiben. Standard: Immer wieder wird die Frage nach einem Militärein­satz gestellt. Wie schätzen Sie das ein? Gompertz: Null. Es hätte keinen Sinn. Die Lösung sollte von innen kommen, mithilfe des Auslands. STÉPHANE GOMPERTZ (62) ist neuer Botschafte­r Frankreich­s in Wien. Der Diplomat und Professor der klassische­n Literatur leitete zuvor die Afrika-abteilung im Pariser Außenamt.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria