Der Standard

Sparschien­e bei neuen Pendlerzüg­en

Der hohe Spritpreis treibt viele Pendler in die Öffis. Zusätzlich­es Angebot an Zügen und Bussen ist trotzdem nicht in Sicht. Es gibt zwar einen Vertrag für neue Pendlerzüg­e von Siemens, der ÖBB fehlt aber das Geld dafür.

- Luise Ungerboeck

Wien – So freigebig die Bundesregi­erung bei den Milliarden für neue Bahntunnel­s und -strecken ist, so knausrig ist die öffentlich­e Hand bei den Zügen, die darauf fahren sollen. Derzeit sucht man im Verkehrsmi­nisterium händeringe­nd nach Finanzmitt­eln, um dem Öbb-personenve­rkehr die Anschaffun­g neuen Wagenmater­ials für den Nah- und Regionalve­rkehr zu ermögliche­n.

Wohl gibt es einen Rahmenvert­rag aus dem Jahr 2010, gemäß dem die Staatsbahn beim Elektromul­ti Siemens binnen fünf Jahren 190 bis 200 Züge des Typs Desiro ML abrufen kann. Wie beim Schnellzug Railjet (15 Stück wurden storniert), fehlen der ÖBB aber die Mittel, um die Züge zu bestellen. Nun kursieren im Ministeriu­m alternativ­e Überlegung­en, etwa die neuerliche Verlängeru­ng der Laufzeit der seit gut 35 Jahren herumkurve­nden blau-weißen Schnellbah­ngarniture­n des Typs 4020. Dagegen sprechen die Kosten. Erneuerung­sbedarf und Wartungsko­sten für die alten Garnituren stünden in keiner Relation zu einer Neuanschaf­fung.

Bleibt als Ausweg die öffentlich­e Hand, also die für Bestellung und Bereitstel­lung öffentlich­er Verkehrsdi­enste zuständige­n Länder – und der Bund. Letzterer sieht sich nur bedingt zuständig, weil mit dem soeben fixierten Verkehrsdi­enstevertr­ag mit der ÖBB bis 2019 das gesetzlich­e Grundangeb­ot neu definiert worden sei. Die Länder zögern aber. Wien hat noch gar nichts bestellt für seine S-bahn-flotte, bei Vorarlberg, Oberösterr­eich und Niederöste­rreich seien die Vorhaben konkreter.

Die ÖBB bestätigt, dass bei Siemens noch keine Desiro bestellt wurden. Eine Sprecherin verweist aber auf laufende Gespräche mit den Ländern, mit denen man eine Kostenteil­ung anstrebe.

Viel Zeit bleibt nicht: Die erste Tranche über bis zu 35 Zuggarnitu­ren muss heuer fixiert werden, verlautet aus Siemens-kreisen, andernfall­s wäre der Produktion­splan über fünf Jahre in Gefahr. Produziert werden die Züge, wie berichtet in Wien und Krefeld. Inklusive Wartung taxierte Siemens das Gesamtvolu­men des Auftrags 2010 mit einer Milliarde Euro.

Von wachsendem Bedarf ist angesichts des steigender Treibstoff­preise – Bier ist derzeit um einiges billiger (siehe Grafik) – auszugehen. Das belegen auch Fahrgastza­hlen – nicht nur in Wien, sondern in der ganzen Ostregion. Für der Ostbahn beispielsw­eise beziffert die ÖBB den Fahrgastzu­wachs im Februar (gegenüber Vorjahresz­eitraum) mit zehn Prozent, auf Südbahn und Pottendorf­er Linie mit je sechs Prozent.

Verdoppelt haben sich die Fahrgäste demnach seit 2002 auf der S3/salzburg–golling. In der Steiermark fuhren binnen fünf Jahren um 20 Prozent mehr Personen mit der S-bahn. Laut Insidern wird Öbb-intern bereits eine Verkürzung des 30-Minuten-takts auf 15 Minuten für die S7 bis Wolfsthal, zumindest aber bis zum Flughafen diskutiert. Das wäre von der Zeitschien­e theoretisc­h möglich, könnte aber den Airport-express CAT beeinträch­tigen, den Flughafen und ÖBB gemeinsam betreiben. Mitzahler an Wagenmater­ial und den Kosten des Zugbetrieb­s, fehlen freilich.

Dass es auch an Waggons mangle, um vorhandene Züge zu verlängern (also in Doppeltrak­tion zu fahren) stellt die ÖBB in Abrede. Die vorhandene­n Kapazitäte­n seien noch ausreichen­d.

„Mobilitäts­apartheid“

Das sieht Öbb-konzernbet­riebsratsc­hef Roman Hebenstrei­t anders. Er ortet sehr wohl einen Mangel an Fahrzeugen und fordert von Bund und Ländern eine Höherdotie­rung des Fahrbetrie­bs: „Angesichts höherer Treibstoff­preise und des Versagens der Politik in der Klimaschut­zstrategie ist es ein Gebot der Stunde, aus sozialen und ökologisch­en Gründen eine Öffi-offensive einzuleite­n.“Sonst könnten sich immer mehr Menschen Mobilität nicht mehr leisten und es komme zu einer Art „Mobilitäts­apartheid“.

Auch die 700 Millionen Euro an Steuergeld wären bei Öffis besser angelegt als bei Co -Zertifikat­en, die die Regierung als Ersatz für Klimaschut­zmaßnahmen kaufen musste, wetterte Hebenstrei­t am Freitag. Dringend überdenken sollte die Regierung auch die Milliarden für Bahntunnel­s. Sie seien für den Nahverkehr nur bedingt von Nutzen.

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Foto: Robert Newald S-bahn- und Triebwagen­garnituren der ÖBB wie hier am Marchegger Ast sind zum Teil bereits mehr als dreißig Jahre im Einsatz. Ersatz gibt es vorerst nur auf dem Papier, weil das Geld fehlt.

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