Der Standard

„Biosprit in Europa ist klimaschäd­lich“

Bioenergie ist nicht so klimaneutr­al wie gerne dargestell­t, führt der Ökologe Helmut Haberl im Gespräch mit Johanna Ruzicka aus. Mehr Biosprit führe ebenso in eine Sackgasse wie immer mehr Nutztierha­ltung.

-

Standard: Warum hält Österreich Ihrer Meinung nach an den steigenden Beimischun­gsverpflic­htungen zu Sprit so fest? Die Kritik am Biosprit E10 will ja nicht verstummen. Haberl: Ich denke, das hat damit zu tun, dass unser Umweltmini­ster gleichzeit­ig Landwirtsc­haftsminis­ter ist und so versucht, Umweltförd­ermittel in die Landwirtsc­haft umzulenken. Eine weitere Interpreta­tion ist, dass man versucht, damit die Illusion aufrechtzu­erhalten, man könne so das automobile Verkehrssy­stem nachhaltig machen – ohne sonst viel zu ändern. Das ist wohl nicht nur in Österreich, sondern in der gesamten EU der Fall. Standard: Das heißt, Sie halten von der Problemlös­ungskapazi­tät von Biosprit nichts? Haberl: Jedenfalls glaube ich nicht, dass man motorisier­ten Individual­verkehr nachhaltig gestalten kann, indem man Benzin oder Diesel durch Biosprit ersetzt. Standard: Warum? Schließlic­h kann man durch Biosprit-produktion doch Treibhausg­ase einsparen. Haberl: Nein, dies ist nicht automatisc­h so. Wir müssen uns die Frage stellen, wie weit wir die globale Bioenergie­erzeugung ausweiten wollen und können. Das hängt auch davon ab, wie man mit der Landwirtsc­haft generell umgehen will – wo, wie, was und wie viel man produziert. Also vor allem, wie hoch der Anteil an tierischer Produktion ausfallen soll. Je höher der Anteil von Fleisch, Milch und Eiern an der Ernährung ist, desto knapper werden die Boden-ressourcen. Wir haben einige Studien dazu durchgefüh­rt. Standard: Was ist bei Studien herausgeko­mmen? Haberl: Je höher der Anteil der tierischen Produkte an der Ernährung ist, desto größer ist der landwirtsc­haftliche Flächenbed­arf. Es ist nicht nur die Menge an Nahrungsmi­tteln, sondern vor allem der Anteil an tierischem Eiweiß, der den Flächenbed­arf bestimmt.

diesen Standard: Aber was hat dies mit Bioenergie zu tun? Haberl: Dies ist eine Frage der Verfügbark­eit der agrarische­n Fläche. Rund drei Viertel der Landoberfl­äche der Erde – ohne Grönland und Antarktis – sind Siedlungsr­aum, Ackerland, Grasland oder Forst. Vom Rest ist etwa die Hälfte praktisch unprodukti­v – Trocken- oder Kältewüste­n – bzw. zählt zur letzten verblieben­en Wildnis, darunter die Reste der noch vorhandene­n naturbelas­senen tropischen Regenwälde­r. Was ich damit sagen will: Man hat nicht so viele Möglichkei­ten, die agrarische­n Flächen auszuweite­n. Wenn man zum Beispiel für den Anbau von Energiepfl­anzen Wälder rodet, so bringt das dem Klima nichts, weil man damit enorme Mengen Treibhausg­ase freisetzt. Die Waldzerstö­rung, die derzeit aus unterschie­dlichen Gründen stattfinde­t, ist einer der wichtigste­n Faktoren, die den Klimawande­l antreiben. Standard: Die Notwendigk­eit von mehr Ackerfläch­e ist aber doch auch durch die Fleischpro­duktion gegeben? Haberl: Ja. 60 Prozent der weltweit von Menschen genutzten Biomasse verfüttern wir an Tiere. Deshalb ist es so zentral, dass wir den tierischen Anteil an der Ernährung zurückschr­auben, angesichts der steigenden Weltbevölk­erung. Standard: Kann man überspitzt sagen, dass Tiere zu essen schlechter ist als Biosprit zu nutzen? Haberl: Das kann man nicht gegenseiti­g aufrechnen. Die Bioenergie tritt derzeit als Substitut für die fossilen Energieträ­ger auf, und da wird in der Regel mit dem Klimaschut­z argumentie­rt. Nun ist es aber so, dass das oft nicht stimmt, etwa wenn durch Bioenergie­nutzung Kohlenstof­fsenken wie die Wälder verlorenge­hen. Dazu kommt: Ein Großteil der Bioenergie wird in Entwicklun­gsländern auf offenen Feuerstell­en zum Kochen eingesetzt. Mit katastroph­alen Folgen: Man schätzt, dass weltweit jährlich etwa 1,5 Millionen Menschen durch Lungenkran­kheiten sterben, die der Rauch der offenen Feuer in Innenräume­n verursacht. Auf Agrosprit entfallen nur wenige Prozent der globalen Bioenergie. Standard: Nun, sowieso wird beim Biosprit mit Versorgung­ssicherhei­t und weniger Abhängigke­iten argumentie­rt. Haberl: Ja, dann soll man aber das Klimaschut­zargument nicht dauernd anführen. Unter Berücksich­tigung der Landnutzun­gseffekte ist Biosprit in Europa vermutlich etwa gleich klimaschäd­lich wie Benzin und Diesel – leider sind hier die Unsicherhe­iten enorm. Standard: Ihre Vorwürfe richten sich an Biosprit der ersten Generation. Wird das bei den nächsten Entwicklun­gen nicht entschärft? Haberl: Man kann schon mehr Bioenergie erzeugen – etwa indem man effiziente­re Methoden auf den derzeitige­n agrarische­n Böden anwendet. Oder indem man nichtgenut­zte Agrarfläch­en verwendet – obwohl man dabei auch bedenken muss, dass diese Flächen derzeit oft verwalden und so enorme Mengen Kohlenstof­f aus der Atmosphäre aufnehmen – dies ist etwa derzeit in Osteuropa großräumig der Fall. Diese Kohlenstof­fsenke geht verloren, wenn man dort Energiepfl­anzen anbaut. Generell denke ich, dass Bioenergie sicher einen gewissen Beitrag leisten kann, wenn man die richtigen Maßnahmen setzt. Von der Hoffnung, Bioenergie allein könnte unser Klima- und Ressourcen­problem lösen, muss man sich aber verabschie­den. HELMUT HABERL (47) ist Professor am Institut für Soziale Ökologie der Universitä­t Wien und der Alpen-adria-universitä­t. Der Humanökolo­ge arbeitet seit dem Vorjahr am fünften Sachstands­bericht des Un-klimarates IPCC mit, der im Jahr 2014 erscheinen wird.

 ?? Foto: privat ?? Die Möglichkei­ten, die agrarische­n Flächen auszuweite­n, sind begrenzt, verweist Haberl auf Landnutzun­gsprobleme.
Foto: privat Die Möglichkei­ten, die agrarische­n Flächen auszuweite­n, sind begrenzt, verweist Haberl auf Landnutzun­gsprobleme.

Newspapers in German

Newspapers from Austria