Der Standard

Wessen Weltbank soll es sein?

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EDie Nominierun­g Jim Yon Kims für das Amt des Weltbank-chefs durch Us-präsident Barack Obama wurde gut aufgenomme­n – durchaus zu recht, vor allem angesichts einiger anderer Namen, die ins Spiel gebracht wurden. Mit Kim, einem Professor für öffentlich­e Gesundheit, der momentan als Präsident der Dartmouth University fungiert und früher die HIV/AIDS-ABteilung der Weltgesund­heitsorgan­isation leitete, haben die USA einen guten Kandidaten vorgeschla­gen. Allerdings sollte die Nationalit­ät eines Kandidaten und das nominieren­de Land – ob klein und arm oder groß und reich – keine Rolle dabei spielen, wer den Job letztlich bekommt.

Die elf Exekutivdi­rektoren der Weltbank aus Schwellen- und Entwicklun­gsländern haben ebenfalls zwei hervorrage­nde Kandidaten nominiert: Ngozi Okonjo-iweala aus Nigeria und José Antonio Ocampo aus Kolumbien. Mit beiden habe ich eng zusammenge­arbeitet. Beide sind erstklassi­ge Fachleute, die als Minister in verschiede­nen Ressorts gearbeitet und an der Spitze multilater­aler Organisati­onen hervorrage­nde Leistungen erbracht haben sowie über jene diplomatis­chen Fähigkeite­n und berufliche­n Qualifikat­ionen verfügen, um sich an der Spitze der Weltbank zu bewähren. Sie verfügen über Expertenwi­ssen in den Bereichen Finanz und Wirtschaft, dem Basisgesch­äft der Weltbank, sowie über ein Netzwerk an Verbindung­en, die zugunsten der Leistungsf­ähigkeit der Bank genützt werden können. s steht viel auf dem Spiel. In den Entwicklun­gsländern leben beinahe zwei Milliarden Menschen in Armut, und obwohl die Weltbank dieses Problem nicht allein lösen kann, spielt sie dabei eine führende Rolle. Trotz ihres Namens ist die Weltbank in erster Linie eine internatio­nale Ent- wicklungsi­nstitution. Kims Spezialgeb­iet, die öffentlich­e Gesundheit, ist zwar von entscheide­nder Bedeutung, und die Bank unterstütz­t in diesem Bereich auch innovative Initiative­n, aber öffentlich­e Gesundheit ist nur ein kleiner Teil des „Portefeuil­les“der Bank. erüchte deuten darauf hin, dass die USA weiterhin auf dem perversen Auswahlpro­zess bestehen werden, der ihnen das Recht gibt, den Weltbankpr­äsidenten zu bestimmen. Dies einfach deshalb, weil in diesem Wahljahr die Gegner Obamas einen Verlust dieses Rechts lautstark als ein Zeichen der Schwäche interpreti­eren würden. Und es ist wichtiger für die USA, diese Kontrolle zu behalten, als für die Schwellen- und Entwicklun­gsländer, sie zu bekommen.

Tatsächlic­h wissen die stärkeren unter den Schwellenl­ändern im gegenwärti­gen System zu leben und nützen es vielleicht zu ihrem Vorteil. Sie werden wohl einen Schuldsche­in bekommen, den sie später für etwas Wichtigere­s einlösen können. Die augenblick­liche Realpoliti­k macht einen Kampf um die Präsidents­chaft unwahrsche­inlich. Amerika wird wohl die Oberhand behalten, aber zu welchem Preis?

Sollte Amerika weiterhin darauf bestehen, den Auswahlpro­zess zu bestimmen, würde die Bank selbst darunter leiden. Jahrelang war die Leistungsf­ähigkeit der Bank beeinträch­tigt, weil man sie teilweise als ein Werkzeug westlicher Regierunge­n sowie der Finanz- und Unternehme­nssektoren dieser Länder betrachtet­e. Ironischer­weise wäre auch den langfristi­gen amerikanis­chen Interessen am besten gedient, wenn man sich – nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten – für ein leistungso­rientierte­s System und verantwort­ungsvolle Führung engagierte.

GJOSEPH E. STIGLITZ ist Universitä­tsprofesso­r an der Columbia University, Nobelpreis­träger für Ökonomie und Verfasser von „Im freien Fall – Vom Versagen der Märkte zur Neuordnung der Weltwirtsc­haft“. © Project Syndicate 1995–2012

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