Händler fürchten den „Londoner Wal“
Ein einzelner Banker von Jpmorgan treibt die Märkte für komplexe Kreditderivate mit riesigen Positionen vor sich her, warnen Marktteilnehmer. Hedgefonds wetten bereits gegen den Händler.
London/wien – Ein einzelner Händler lässt den Markt für Kreditderivate offenbar verrückt spielen. Normalerweise kommen die Positionen einzelner Banker selten ans Tageslicht. Doch sowohl Bloomberg wie auch das Wall Street Journal berichten unter Berufung auf Hedgefonds und Händler von den Wetten des Bruno Iksil. Der Trader der Us-großbank Jpmorgan Chase soll derart riesige Positionen an Kreditderivaten aufgebaut haben, dass er den Markt bewegt.
Konkret geht es um Kreditausfallversicherungen auf Unternehmen (Credit Default Swaps, CDS). Noch konkreter geht es um CDSIndizes. Diese bündeln Kreditversicherungen auf einzelne Unternehmen in einem handelbaren Produkt. Damit können Investoren auf eine steigende Insolvenzrate von Firmen wetten oder sich vor Kreditausfällen schützen. Aufgrund der einfacheren Handelbarkeit haben CDS im Vergleich zu Unternehmensanleihen an Bedeutung gewonnen.
100-Milliarden-dollar-wal
In dem Segment, in dem Iksil handelt, ist er zu einer treibenden Kraft geworden. Bloomberg berichtet, dass Iksil alleine eine Position von 100 Milliarden Dollar (76 Mrd. Euro) in dem CDX North America IG (Serie 9) aufgebaut hat. Diese Zahl sei aber nur von anderen Marktteilnehmern geschätzt. Insgesamt stehen auf diesen Index 144,6 Milliarden Dollar an Wetten netto aus (netto bedeutet, dass die Käufe und Verkäufe des Index innerhalb einer Bank gegengerechnet werden).
Iksil, der in der Londoner Niederlassung von Jpmorgan arbeitet, wird wegen seiner Größe im Markt als der „London Whale“, der Londoner Wal bezeichnet.
Dieser Wal hat einige Haie angelockt. Alleine seit Jahresbeginn sind die Wetten auf den Index um 50 Milliarden Dollar angeschwollen. Hedgefonds haben die Gegenposition zu Iksil eingenommen, weil dieser den Index verzerrt ha- ben soll. Die Verzerrung sieht so aus: die einzelnen Kreditversicherungen auf Unternehmen des Index handeln mit höheren Risikoaufschlägen als der Index selbst, weil Iksil mit seinen Positionen den Markt getrieben hat.
Hedgefonds spekulieren darauf, dass sich die Cds-preise für einzelne Unternehmen und der Kurs des Index wieder annähern werden. Während Jpmorgan die Versicherung verkauft, kaufen sich andere Marktteilnehmer die Versicherung des Kreditrisikos des Index ein. Ein Analyst der USGroßbank Bank of America schreibt in einem Papier an Kunden: „Das ‚Smart Money‘ hat Blut geleckt.“Manche Händler hoffen darauf, dass Iksil seine Positionen abbauen muss: Etwa wenn erste Verluste aus den Positionen schlagend werden oder die „VolckerRule“– ein Teil der Us-bankregulierung – in Kraft tritt, die es Geldinstituten untersagt, auf eigene Rechnung zu spekulieren.
Allerdings wird berichtet, dass die Positionen von Iksil mit seinen Vorgesetzten abgestimmt sind. Er arbeitet im „Chief Investment Office“. Dort werden Risiken der Bank, etwa aus Zins- und Währungsgeschäften, abgesichert, wie Jpmorgan in dem jüngsten Jahresbericht schreibt. Iksil arbeitet seit 2007 bei der Bank und soll rund 100 Millionen Dollar pro Jahr für die Sparte verdient haben. 2011 hat die Abteilung 1,4 Mrd. Dollar Aufwertungsgewinne ausgewiesen, am Ende des Vorjahres waren 355 Mrd. Dollar in Wertpapieren veranlagt. (sulu)