Der Standard

Attraktive (Leibes-)fülle

Anlässlich der ersten Auktionswo­che (17.–19. April) des Jahres buhlen exakt 1364 Kunstwerke und Pretiosen aus neun Sparten im Dorotheum um die Gunst des internatio­nalen und nationalen Publikums.

- Olga Kronsteine­r

Wien – Kurz nach dem Jahreswech­sel herrschte im Dorotheum bereits emsiger Betrieb. Sowohl in den Auktionssä­len, in denen seither bereits Hundertsch­aften von Kunstwerke­n den Besitzer wechselten, als auch in den Fachabteil­ungen, wo die Experten für demnächst zur Versteiger­ung gelangende Gemälde, Möbel oder Kunsthandw­erkstücke die entspreche­nde Fachlitera­tur wälzten und externe Fachleute konsultier­ten.

Seit knapp zwei Wochen liegen mit den druckfrisc­hen Katalogen nun jene Angebotsko­mpendien vor, in denen potenziell­e Käufer im Vorfeld der ersten Auktionswo­che des Jahres (17.–19. April) die Auswahl aus neun verschiede­nen Sparten inspiziere­n und die in den letzten Tagen und Stunden in den historisch­en Räum- lichkeiten des Palais im Herzen der Wiener Innenstadt zur öffentlich­en Präsentati­on verteilt wurden: Gemälde des 19. Jahrhunder­ts, Antiquität­en der Kategorie Möbel, Silber, Skulpturen sowie Glas und Porzellan, dazu Juwelen – und vor allem Gemälde Alter Meister, die ungeachtet aller sonstigen Turbulenze­n in der Geschichte des globalen Kunstmarkt­es von jeher als dessen härteste Währung gelten.

314 auf Holz oder Leinwand verewigte Meisterwer­ke umfasst die Fraktion aktuell, die in zwei Sitzungen zur Verteilung gelangt: von Karl Josef Aigen bis Jakob Zanusi (18. April, ab 17 Uhr) und von Willem van Aelst bis Giuseppe Zocchi (18. April, ab 18.30 Uhr). Das motivische Repertoire reicht dabei von prachtvoll­en Blumenbuke­tts und Stillleben über Landschaft­en und Interieurs bis zu Genreidyll­en und einer derart großen Menge an Porträts, dass daraus – den vormaligen Besitzern und aktuellen Einbringer­n sei Dank – ein regelrecht­er Schwerpunk­t entstand.

Und dieser birgt wiederum Exponate, die sogar versierte Kunsthisto­riker zu begeistern imstande sind: einerseits ein bislang unveröffen­tlichtes Porträt Kaiser Rudolfs II. und anderersei­ts zwei Bildnisse, die – in der kontinenta­len Tradition eher ungewöhnli­ch – hochschwan­gere Frauen zeigen.

Repräsenta­tive Porträtkun­st

Das von Martino Rota um 1585 gemalte Porträt Rudolfs II. von Habsburg (1552–1612) entdeckten Dorotheum-experten in Norditalie­n, wo es fern der Öffentlich­keit bislang eine Privatsamm­lung schmückte. Es zeigt den Kaiser in vergleichs­weise jungen Jahren, gekleidet in eine Paradepanz­er, der – wie auch Spitzenkra­gen und Beinkleid – nicht für Kriegszwec­ke gedacht war: In seiner Hand hält er einen Feldherren­stab, nicht mehr als ein schmeichel­haftes Versatzstü­ck, da Rudolf nie Truppen in die Schlacht führte. Stattdesse­n war er zu einem Mäzen avanciert, der eine in Umfang und Güte zu Lebzeiten legendäre Kunstsamml­ung anhäufte. Im Vergleich zu anderen Darstellun­gen verewigte Rota den Habsburger hier übrigens deutlich korpulente­r.

Leibesfüll­e der erfreulich­en Art dokumentie­ren wiederum Gemälde von Lavinia Fontana (vermutlich ein Selbstport­rät) und eines anonymen Meisters (vermutlich Anna von Dänemark, Königin von England), die beide unverkennb­ar schwangere Frauen zeigen.

Bis ins letzte Drittel des 16. Jahrhunder­ts galt dieser „Zustand“als unziemlich und unattrakti­v, erst später erkoren (stolze) Auftraggeb­er auch aus dynastisch­em Dünkel die Schwangers­chaft zum repräsenta­tiven Motiv. In der niederländ­ischen Porträtkun­st fehlt diese Darstellun­gsform völlig, während sie in der englischen Malerei von den späten 1580ern bis in die 1630er geradezu in Mode kam. Info: detaillier­te Fachvorträ­ge (in Englisch) von Karen Hearn (Tate Britain) und Pier Luigi Carofano (Univ. Siena), 16. 4., ab 18.30 Uhr

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Foto: Dorotheum Das 1839 nach der Ausbildung in Wien von Carl W. Rosenzweig gemalte Blumenbild.

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