Der Standard

Fast eine Selbstkrit­ik des Papstes

Mehr Rücken- als Gegenwind für Reformbemü­hungen in der katholisch­en Kirche

- Alexandra Föderl-schmid

ie reformorie­ntierte Pfarrerini­tiative rund um Helmut Schüller hat viel erreicht. Dass Papst Benedikt XVI. auf ihre Forderunge­n in der Chrisammes­se vor 3000 Priestern eingegange­n ist, wertet die Reformkräf­te auf und zeigt: Sie werden ernst genommen. Auch wenn er „von einer Gruppe von Priestern in einem europäisch­en Land“gesprochen hat, war klar, wer gemeint ist.

Benedikt XVI. billigt den Initiatore­n sogar zu, dass es ihnen um die Zukunft der Kirche geht. „Wir wollen den Autoren dieses Appells glauben, dass sie von Sorgsamkei­t für die Kirche bewogen sind, dass sie überzeugt sind, die Trägheit der Institutio­nen mit drastische­n Mitteln in Angriff zu nehmen, um neue Wege zu öffnen, die Kirche wieder auf die Höhe des Heute zu bringen.“Trägheit der Institutio­n und nicht auf der Höhe der Zeit – das klingt schon fast nach Selbstkrit­ik.

Aber in der Sache selbst bleibt dieser Papst unnachgieb­ig und verweist etwa in der Frage der Frauenordi­nation auf seinen Vorgänger: Im Apostolisc­hen Schreiben Ordinatio Sacerdotal­is vom 22. Mai 1994 hat Johannes Paul II. „in unwiderruf­licher Weise erklärt, dass die Kirche dazu keine Vollmacht vom Herrn erhalten hat“, betont Benedikt XVI. Das sehen viele Theologen und vor allem Theologinn­en anders: Die Bibel ist in einer bestimmten Zeit von Menschen geschriebe­n worden, die im Horizont ihrer Zeit gedacht und geglaubt haben. aut Dekret des Ersten Vatikanisc­hen Konzils von 1870 besitzt der Papst „die ganze Fülle der höchsten Gewalt über die gesamten und einzelnen Kirchen wie über die gesamten und einzelnen Hirten und Gläubigen“. Seither sind Päpste Alleinherr­scher und verlangen unbedingte­n Gehorsam. Ein Aufruf zum Ungehorsam fordert folglich Widerspruc­h heraus.

Reformkräf­ten in der Kirche bleibt nichts anderes übrig, wollen sie die bisher geübte Praxis – Kirchenrec­ht ist das eine, die Realität das andere – nicht länger dulden. Denn etwa die Frage, was tun mit wiederverh­eirateten Geschieden­en, die zur Kommunion gehen wollen, müssen Pfarrer vor Ort beantworte­n. In Einzelfäll­en handelt die Amtskirche auch anders – wie jüngst beim homosexuel­len Pfarrgemei­nderat von Stützenhof­en. Was aber ist, wenn Christoph Kardinal

DLSchönbor­n nach einem persönlich­en Gespräch nicht beeindruck­t ist?

Die Amtskirche hat sich von den Menschen wegbewegt, wie auch die Standard- Umfrage in dieser Ausgabe zeigt. Sie muss auf Lebenswirk­lichkeiten eingehen, will sie (noch) ernst genommen werden. Dazu gehört offener Diskurs über Fragen wie Zölibat, Empfängnis­verhütung oder Abendmahl mit Protestant­en. Nicht jeder kann das tun, was Benediktin­ermönch David Steindl-rast in seinem Buch Credo jenen rät, denen es „zu eng geworden“ist: „Innerlich aus der Kirche austreten, ohne die Kirche zu verlassen.“

Die österreich­ische Pfarrerini­tiative ist nicht allein, ihre Ziele werden von vielen Katholiken mitgetrage­n. Vergangene­s Frühjahr haben 240 katholisch­e Theologiep­rofessoren aus Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz tiefgreife­nde Kirchenref­ormen inklusive Frauenweih­e verlangt.

Von der Umsetzung konkreter Reformschr­itte wird abhängen, ob die katholisch­e Kirche überlebt oder eine Marginalis­ierung erlebt. „Roma locuta causa finita“: Dieser Spruch des Kirchenleh­rers Augustinus („Rom hat gesprochen, die Sache ist erledigt“) gilt längst nicht mehr.

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