Der Standard

Nicht nur Dienst im Wagen

- Conrad Seidl

Politiker haben kein Privatlebe­n. Zumindest wird es ihnen nicht gegönnt: Wer so viel verdient, möge doch bitte Tag und Nacht im Dienst des Volkes unterwegs sein. Dafür gibt es schließlic­h einen Dienstwage­n. Mit dem stehen die Damen und Herren dann ebenso wie alle anderen im Stau: Ein Blaulicht, wie es Hubert Gorbach zur schnellere­n Erledigung seiner Amtsgeschä­fte für nötig hielt, wird ihnen ebenso wenig gegönnt wie die Benutzung der Busspur, die Claudia Bandion-ortner wollte.

Für Privilegie­n gibt es in Österreich seit dem Sturz der Monarchie kein Verständni­s mehr – unabhängig davon, ob die als Privileg empfundene Regelung sinnvoll ist oder nicht. Man weiß ohnehin: Manche Fahrt dient der Partei, manche dem Familienle­ben. Ja, das steht Politikern zu. Und weil man nicht detaillier­t auseinande­rhalten soll, in wessen Interesse welcher Kilometer gefahren wurde, gibt es pauschale Gehaltsabz­üge für die private Nutzung des Autos. So hält man es auch in der Privatwirt­schaft.

Ab da ginge die Sache niemanden mehr etwas an. Das könnte man argumentie­ren. Wie aber reagiert die Verkehrsmi­nisterin, wenn aufkommt, dass ihre Tochter im Dienstwage­n zu einer Weinverkos­tung geführt wurde? Sie schwafelt etwas davon, dass ihre Tochter sie bei einem Termin vertreten habe. Die Ausrede macht den Skandal erst zum Skandal: Sie dokumentie­rt das schlechte Gewissen in Bezug auf eine Regelung, die bisher als korrekt gegolten hat.

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