Das Ei ist zu allem fähig
Ob seidenweich, wachsweich, kernweich, schlatzig oder halbhart: Das Ei ist und bleibt ein mythisches, rätselhaftes Objekt. Vermischte Eiergedanken zur Ostersaison.
„Die Mutter kauft Ostereier. Der Vater saugt den Teppich. Die Kinder holen Moos. Die Mutter wäscht die Wäsche. Der Vater versteckt die Eier. Die Kinder freuen sich aufs Osterfest. Die Mutter reinigt das Haus. Der Vater färbt Eier. Die Kinder pflücken Blumen. Die Mutter schmückt die Torte. Die Mutter und der Vater backen Osterkuchen.“
Ja, ja, das waren noch Zeiten, als die Väter zu Ostern Teppiche saugten und die Eltern gemeinsam Osterkuchen backten, und nicht buken. Ob es wirklich so war, damals in Timelkam, weiß ich nicht, aber so steht es zumindest in meinem „Aufsatzheft“aus dem Jahr 1964.
Und heute? Heute habe ich vorösterliche Albträume. Ausgerech- net in der Nacht vor Inkrafttreten des Gesetzes über die Vorratsdatenspeicherung in unserem ach so schönen Land träumte ich nämlich, dass Johanna Mikl-leitner von Michael Spindelegger ein Kind bekam, das sich bei genauerem Hinsehen als Osterhase entpuppte, der noch dazu den Kopf von Karlheinz Kopf hatte. Schweißgebadet wachte ich auf und fragte mich, ob ich diesen sittenwidrigen Albtraum gleich bei der Behörde melden müsse und was er wohl bedeuten könnte.
Bei Freud wurde ich nur insofern fündig, als er den Hasen ganz allgemein mit irgendeinem Fruchtbarkeitsdingsbums in Verbindung bringt, was mir im konkreten Fall aber auch nicht weiterhilft. Laienpsychologisch könnte man den Traum vielleicht dahingehend deuten, dass sich in den Namen aller drei genannten Politiker und -innen ein Ei versteckt, wobei man bei Spindelegger den Umweg über das englische „egg“machen müsste, was angesichts der österlichen Eierlawine aber durchaus legitim wäre, denn immerhin verspeisen die Österreicherinnen und Österreicher zu Ostern nicht weniger als 50 Millionen Eier, und irgendwelche Spuren muss dieser Eierwahnsinn ja hinterlassen. Vielleicht steht der Traum aber auch bloß als Metapher für die Angst, von der Regierung zu Ostern wieder einmal ein paar faule Eier ins Nest gelegt zu bekommen.
Beim Eierpecken (Spitz auf Arsch ist immer gut) ist heuer also besondere Vorsicht geboten, denn nichts stinkt bekanntlich grauslicher als ein faules Ei. Jeder, der einmal Schwefelwasserstoff gerochen hat, weiß, wovon ich spreche. Faules Ei heißt auf Englisch übrigens nicht „spindel egg“, sondern „rotten egg“, was die Bewohner der oberösterreichischen Gemeinde Rottenegg (PLZ 4112) wahrscheinlich ebenso wenig freuen wird wie die Bewohner der Ortschaft Fucking die Tatsache, dass ihr Ort eben Fucking heißt. Interessant ist auch, dass es im Englischen nur wenige Worte gibt, in denen sich ein egg versteckt, während im Deutschen in tausenden Wörtern ein Ei vorkommt. Hier ein paar Beispiele: Eiter, Schleim, Schweiß, Seicherl, Scheiße, Speibe, Meischberger usw. usf.
Weil wir uns bereits in mediis rebus bzw. in medio ovo befinden, könnten wir auch gleich einmal die Frage klären, was zuerst war: das Ei oder der Hase. In PapuaNeuguinea würde man auf diese Frage sofort antworten: natürlich das Ei. Nach dem Schöpfungsmythos des Volks der Ischullani hat nämlich die Göttin Erdei die Erde erschaffen, indem sie ein Ei gelegt hat, nachdem sie vom Riesen Eschkigal geschwängert wurde. Mir gefällt das, wenngleich ich auch gegen die christliche Schöpfungsgeschichte nichts einzuwenden habe, zumal auch dort das Ei eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Am siebten Tag soll Gott beim Betrachten seines Werks ja gesagt haben: „Ei, wie schön.“Oder sagte er: „Ei, wie schiach.“?
Allerdings wundert mich ein bisschen – und damit machen wir einen kurzen Abstecher zum Osterhasen –, dass Gott seinen Propheten Moses Vorschriften verkünden ließ, die ein wenig eigenartig klingen. So trommelte Moses einmal seine Leute zusammen, um sie über die folgenden Speiseverbote in Kenntnis zu setzen: „Von den Großtieren, die wiederkäuen oder ganz gespaltene Klauen haben, dürft ihr aber diese nicht essen: Kamel, Hase, Klippdachs. Sie sind zwar Wiederkäuer, haben aber keine gespaltenen Klauen. Sie sollen euch als unrein gelten.“
Dass das Kamel ein Wiederkäuer ist, ist allgemein bekannt. Aber der Hase und der Klippdachs? Die Dogmatiker unter den Bibelexegeten kommen bei solchen Passagen natürlich ordentlich ins Schwitzen, weil sie ja nichts anderes bedeuten, als dass Gott anscheinend doch nicht ganz so allwissend ist, wie es immer wieder heißt. Also argumentieren sie damit, dass man das Original im Alten Testament richtigerweise mit „Hinaufbringen von Gekautem“übersetzen müsse. Demnach wäre der Hase also kein „Wiederkäuer“, sondern ein „Hinaufbringer von Gekautem“. Womit wir wieder beim Speiben wären.
So, und jetzt stelle ich mir gerade vor, wie dieser Tage zehntausende Osterhasen damit beschäftigt sind, „Gekautes wieder hinaufzubringen“, während sie gefärbte Eier in Osternestern verstecken. Gut, ich gebe zu, dass dieser Gedankengang ein bisschen eiert, denn schließlich weiß ja jedes
Fortsetzung auf Seite A 2