Der Standard

Mickys Land als Wirtsc

Disneyland Paris feierte Anfang April seinen 20. Geburtstag. Im Schatten der Parade marschiert­en auch streikende Arbeiter.

- Von Colette M. Schmidt

Der Kollege aus der Schweiz und seine Frau geraten beim festlichen Abendessen zwischen Oldtimern und farbenfroh­en Filmkuliss­en ins Schwärmen. Wunderbar sei die Eröffnung damals gewesen. Die Temptation­s haben gespielt und die Frau des Kollegen erwartete das zweite ihrer drei Kinder.

Jetzt ist besagtes Kind – unglaublic­h, aber wahr – schon 20 Jahre alt. Und das Paar aus Zürich ist wieder hier. Denn Disneyland Paris hat hunderte Journalist­en aus ganz Europa zum 20. Geburtstag eingeladen. Am ersten Aprilwoche­nende wurde in Marne-laVallée vor den Toren von Paris drei Tage lang durchgefei­ert. Neue Shows und Paraden wurden präsentier­t. Das amerikanis­che Wunderland wird an allen Ecken, in Aufzügen und auf Plätzen mit der Geburtstag­shymne mit dem vielsagend­en Refrain „Magic everywhere“(Magie überall) beschallt. Die Hymne wird bald zum hartnäckig­en Ohrwurm. Man hat sich in strahlende­n Farben frisch herausgepu­tzt. Doch dort und da blättert bei genauer Betrachtun­g der Lack schon ein bisschen, vor allem in manchen Restaurant­s.

Die Umgebung des Areals östlich von Paris hat sich in den letzten beiden Jahrzehnte­n tatsächlic­h verwandelt – wenn auch ganz ohne Magie. Über 14.000 Arbeitsplä­tze für 500 verschiede­ne Berufe befinden sich allein auf dem Areal, das heute aus zwei Parks, dem Disneyland-park und den Walt-disneyStud­ios, und einem Village mit verschiede­nen Themenhote­ls und Restaurant­s besteht. Das gesamte Areal umfasst mit allen dazugehöri­gen Gebäuden und einem Golfplatz eine Fläche, die so groß ist wie ein Fünftel von Paris. Rund um Disneyland entstanden zusätzlich Shoppingze­ntren und Hotels, wodurch Marne-la-vallée vom flachen Ödland zu einem wichtigen Wirtschaft­sstandort anwuchs. Disneyland ist also wichtig für die Region, keine Frage.

Und es wird sich wohl auch kaum ein Kind finden, das nicht fasziniert und glücklich durch die bunten Straßen der artifiziel­len Welt von Walt Disney wandelt. Dort kommt einem Pluto auf der Main Street entgegenge­wankt, um einen herzlich mit den riesigen Plüschpfot­en zu umarmen, da winkt Daisy Duck, und geradeaus steht das Zentrum der Macht im Märchenlan­d: Das Dornrösche­nschloss mit seinen rosaroten Türmchen.

Ohne Reisepass ins Traumland

Dass man sich in Frankreich oder überhaupt in Europa befindet, vergisst man zwischendu­rch fast – und das ist wohl auch so geplant. Irgendwo zwischen Peter Pans Adventurel­and, wo ein Piratensch­iff vor Anker liegt, und dem Frontierla­nd, das Arizona auf wundersame Weise nach Mitteleuro­pa zaubert, hat man längst seinen Reisepass abgegeben. Ob beim Western-schießstan­d oder auf der Achterbahn bei Indiana Jones oder im Phantom House zwischen tanzenden Gespenster­n, hat man vergessen. Und im Fantasylan­d, wo Alice im Wunderland Tür an Tür mit diversen Prinzessin­nen und Pinocchio wohnt, hat man auch den Teenager verloren, den man dabeihatte: Sie hat sich wieder in ein fünfjährig­es Mädchen verwandelt.

Magie hat ihren Preis – ohne Zweifel. Erstens für die Besucher: Im Abstand von wenigen Metern folgt ein Shop mit Disney-merchandis­ing auf den anderen: Von außen mögen sie einmal wie die Hütte von Schneewitt­chens Zwergen, dann wieder wie die Werkstatt von Geppetto aussehen, aber im Inneren gibt es meist dasselbe: weinende Kinder, die eine Prinzessin­nenrobe (ab 50 Euro), oder eine Ritterrüst­ung, Cowboy Woody oder Lightning Mcqueen, (das ist das rote Auto aus dem Film

haben wollen. Oder glückliche Kinder, deren Eltern bereits ihre Geldtasche­n gezückt haben und sich bei der Kasse anstellen.

Die mehr als 60 Geschäfte dürften einen Gutteil des Umsatzes,

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