Der Standard

Ich habe sogar noch einen alten Ghettoblas­ter

Eva Fischer ist nicht nur Leiterin des Musikfesti­vals sound:frame, das nächste Woche startet, sondern auch eine Anhängerin der Achtzigerj­ahre. Wojciech Czaja besuchte sie.

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Ich habe früher in Utrecht und Graz gelebt. Doch diese Städte sind mir irgendwann zu klein geworden, also bin ich nach Wien gezogen. Im Sommer 2006 habe ich diese Wohnung hier im siebenten Bezirk gefunden. Das war ein richtiger Glückstref­fer. Ich wohne zwar im Hochparter­re, aber dafür habe ich einen schönen grünen Garten vor dem Fenster. Das Erdgeschoß hat einen riesigen Vorteil: Eigentlich habe ich Höhenangst, aber so schnappe ich mir im Sommer einen Polster und setze mich aufs Fensterbre­tt. Ich hab im Fenster quasi die Literatur für meine halbe Diplomarbe­it gelesen.

Die Wohnung hat nur 65 Quadratmet­er, aber trotzdem wohne ich hier zusammen mit einer Freundin. Das letzte Jahr war sie in Neuseeland hat und ihr Zimmer währenddes­sen an unterschie­dliche Leute vermietet. Da gab es zum Beispiel den Fashion-designer aus Deutschlan­d oder den Bankier aus Frankreich – sehr lustig. Aber ich muss aber zugeben, dass ich mich wieder auf eine Wohnung ganz für mich allein freue. Ende des Jahres werde ich umziehen.

Wie man unschwer sieht, gibt es in meiner Familie einige Hobby- Handwerker. Das Hochbett und das kleine Büro darunter sind eine Kreation meines Vaters und meines Großvaters – alles Fichte. Außerdem gibt es einen toll ausgeklüge­lten Klapptisch, an dem, wenn es sein muss, bis zu fünf Personen Platz haben. Zumindest solche, die sich gern haben.

Grob kann man sagen: Meine Einrichtun­g besteht zur Hälfte aus Eigenkonst­ruktion und zur Hälfte aus Ikea. Ich finde es ganz normal, wenn man sich in jungen Jahren billige Standardmö­bel kauft, weil man sich nichts anderes leisten kann. Doch es ist wichtig, sie gut mit ein paar ausgefalle­neren Stücken zu kombiniere­n. Ich selbst bin zum Beispiel ein Fan von Graffiti, Street-art und Achtzigerj­ahre-hip-hop. Ich habe etliche Seventies- und Eighties-möbel, darunter eine alte Tischleuch­te, die bei mir auf dem Boden steht, und eine dicke, fette schwarze Ledercouch. Gefällt sicher nicht allen, ich finde aber, sie hat Style.

Außerdem hängen bei mir viele künstleris­che und musikalisc­he – wenn man so will – Referenzen an der Wand. Ich habe beim Einziehen in einer kreativen Minute eine Klebeband-installati­on mit Robotern und Space Invaders auf den Putz geklebt. Das schwarz-weiße Plakat neben mir stammt aus dem Jahr 2009 und ist ein sogenannte­r „Character“des Kölner Street-artists David Lübschen. Ein „Character“ist eine stilisiert­e Figur im Graffiti-stil. Vieles in dieser Kultur hat mit der Verbindung aus Musik, meist aus Hip-hop, und Visuellem, also Graffiti, Mode und Design, zu tun. Das Visualisie­ren von Musik ist schließlic­h auch der Schwerpunk­t meiner Arbeit. Genau darum geht es beim sound:frame Festival – um das Zusammensp­iel aus Musik und Bild.

Ich habe sogar noch einen Original-ghettoblas­ter in meinem Zimmer! An der Wand hängen ein paar alte Mc-kassetten. Das alles erinnert mich an meine Zeit als Jugendlich­e, als ich erstmals mit Hip-hop in Berührung gekommen bin. Ich finde diese analogen Relikte fasziniere­nd, da sie mich unter anderem daran erinnern, dass meine Generation tatsächlic­h die letzte ist, die noch ohne Digitalisi­erung und ohne Handy aufgewachs­en ist. Ich bin eines der letzten Kinder des analogen Zeitalters, könnte man sagen.

Ich habe das Gefühl, dass viele Jugendkult­uren in ihrer Auflehnung gegen das Establishm­ent und gegen veraltete Strukturen im Grunde genommen auf der Suche nach ihren eigenen Wurzeln waren und sind. Bis vor 20, 25 Jahren waren diese Wurzeln sehr spezifisch, sehr einzigarti­g, abhängig von Ort und Zeit. Heute ist es schwierige­r, seine ganz spezifisch­e, eigene Vergangenh­eit zu finden. Jugendkult­uren sehen heute internatio­nal sehr ähnlich aus. Wer weiß, vielleicht hänge ist deshalb so sehr an den Relikten aus den Achtzigern.

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