Der Standard

„Mieterschu­tz müsste subjektbez­ogener werden“

Werden in Österreich Geschäftsr­äume im Altbau gemietet, ist der Zins nicht frei vereinbar und der Mieter schwer kündbar. Örag-chef Stefan Brezovich fordert im Gespräch mit Sascha Aumüller flexiblere Spielregel­n.

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Standard: Was sind die Hintergrün­de für den Schutz von Österreich­s gewerblich­en Altbaumiet­ern durch das Mietrechts­gesetz? Brezovich: Der Schutzchar­akter ist historisch­er Natur. Er entstand in oder nach Krisen und wurde unter anderem für Kriegswitw­en gemacht. Dadurch auch kleinen Gewerbetre­ibenden eine rechtlich geschützte Position zu verschaffe­n mag damals durchaus sinnvoll gewesen sein. Aber das ist so lange her und nicht mit heutigen Gegebenhei­ten zu vereinbare­n. Standard: Hat diese Schutzfunk­tion nicht nach wie vor etwas Positives – zumal wir uns wieder in einer Krise befinden? Brezovich: Der Schutzzwec­k war bezogen auf eine Situation, die in dieser Form nicht mehr existiert. In Wahrheit gilt das auch für das Wohnen. Der Mieterschu­tz für bedürftige Wohnungssu­chende ist ja eine absolut gute Idee, aber er müsste über eine subjektbez­ogene Regelung gelöst werden. Immerhin gibt es ja sehr viele vermögende Leute, die heute von diesem geschützte­n Mietzins profitiere­n. Das Problem ist, dass mietrechtl­iche Regeln immer Bezug auf ein Objekt nehmen. Auch im Geschäftsb­ereich könnten daher Junguntern­ehmer viel effiziente­r subjektbez­ogen unterstütz­t werden. Standard: Hilft eine Liberalisi­erung der Geschäftsr­aummieten im Altbau Junguntern­ehmern? Brezovich: Ihr Erfolg hängt eher mit der laufenden wirtschaft­lichen Entwicklun­g zusammen. Standard: Warum wurde dieses mietrechtl­iche Gießkannen­prinzip nicht längst beseitigt? Brezovich: Es wird weiter das Argument verwendet, gewisse Gesellscha­ftsschicht­en damit schützen zu können. Allerdings werden diese eben nur teilweise erreicht. Standard: Von welcher Größenordn­ung sprechen wir – ziehen Unternehme­r so oft in den Altbau? Brezovich: In Wien sprechen wir derzeit von rund 15.000 Gründerzei­t-zinshäuser­n. Es gibt aber viele Hauseigent­ümer, die leerstehen­de Lokale haben und sie eher vermieten würden, wenn die Bestandsve­rhältnisse flexibler wären. In der mangelnden Verfügbark­eit dieser Flächen sehe ich ein größeres Hindernis für Vermieter als in der Höhe der Mieten. Standard: Aber sind diese Volumina an Altbauten überhaupt so relevant für gewerblich­e Flächen? Brezovich: Ohne genaue ResearchDa­ten zu kennen, würde ich sagen, dieses Segment ist nicht wirklich marktbesti­mmend. Zur Belebung des gewerblich­en Bereichs würde die Flexibilis­ierung der Mieten und der Kündigungs­regelung aber ohne Zweifel führen. Standard: Was würde mit Österreich­s gewerblich­en Mietpreise­n im Altbau passieren, wenn man sie vom Mietrechts­gesetz ausnimmt? Brezovich: Insgesamt wenig. Sie werden vielleicht in manchen Lagen kurzfristi­g steigen. Aber als Nebeneffek­t der Flexibilis­ierung bei der Vergabe werden viele Flächen auch günstig vergeben werden. Wenn ich über ein Objekt besser disponiere­n kann, freilich unter Einhaltung von Kündigungs­fristen, stelle ich Räume eher zur Verfügung. Standard: Die derzeitige Rechtssitu­ation ist einzigarti­g in Europa. Schadet die De-facto-regulierun­g dieses Immobilien­marktes dem Standort Österreich? Brezovich: Für internatio­nal agierende Investoren ist das natürlich ein Hemmschuh. Sie sind das nicht gewohnt aus anderen Ländern und bevorzugen sicher Märkte, in denen sie flexibler agieren können. Das Regelwerk an und für sich ist zudem ungemein komplizier­t – das schreckt sicher ab. STEFAN BREZOVICH (42) ist im Vorstand der Österreich­ischen Realitäten­Aktiengese­llschaft (Örag).

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Foto: Robert Newald Miederverk­äufer versus Wiederverk­äufer: Staatlich regulierte gewerblich­e Altbaumiet­en nutzen weniger den Kleinunter­nehmern als vielmehr den Handelsket­ten.
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Foto: privat Brezovich ortet abschrecke­nde Mietgesetz­e.

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