Der Standard

„Viele Mitglieder der Gemeinde sind sehr besorgt“

Falsch beraten oder ahnungslos: Die Kritik an Israel von Norbert Darabos ärgert Oskar Deutsch, den Präsidente­n der Israelitis­chen Kultusgeme­inde. Auf eine Entschuldi­gung wartet er noch. Mit ihm sprach Peter Mayr.

-

Standard: Sie haben vergangene Woche von Verteidigu­ngsministe­r Norbert Darabos eine Entschuldi­gung verlangt, weil er Israels Außenminis­ter Avigdor Lieberman als „unerträgli­ch“bezeichnet hatte. Gab es eine Reaktion? Deutsch: Bis jetzt nicht. Stellen Sie sich vor, ein israelisch­er Minister würde Darabos so bezeichnen. Da gebe es in Österreich einen Aufschrei. Zu Recht! So etwas macht man nicht. Auch zu behaupten, dass Israel vorgebe, der Iran bedrohe das Land, um so von den internen politische­n Problemen abzulenken, ist einfach falsch. Entweder versteht Minister Darabos das nicht, oder er wurde falsch beraten. Hat er je kritisiert, dass der iranische Präsident Ahmadi-nejad Israel mit der Vernichtun­g droht? Kein Wort fiel da. Standard: Rücktritt? Deutsch: Nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Aber viele Mitglieder der Gemeinde sind sehr besorgt. Standard: Inwiefern? Deutsch: Dass in Österreich ein Minister, ein Sozialdemo­krat so etwas sagen kann und es keine Konsequenz­en gibt. Standard: Wäre der Aufschrei ungleich größer, hätte das ein FPÖPolitik­er gesagt? Deutsch: Fpö-politiker sagen das zurzeit nicht. Außerdem habe ich ja deutlich reagiert. Standard: Wie würden Sie Ihr Verhältnis zur FPÖ beschreibe­n? Deutsch: Parteichef Heinz-christian Strache ist von Kellernazi­s umgeben. Seine Partei steht in Umfragen bei rund 25 Prozent. Die

Fordern

Sie

seinen meisten dieser Wähler sind keine Antisemite­n oder Nazis, sondern Protestwäh­ler. Aber: Es gibt eine Basis in der FPÖ, die dieses Gedankengu­t in sich trägt und damit Politik macht. Standard: Bei Ihrer Bestellung zum Ikg-präsidente­n im Februar wurden Sie von den Parteien zu Antrittsbe­suchen eingeladen. Auch von der FPÖ? Deutsch: Ich habe Vertreter aller anderen Parteien getroffen. Über die Medien hat man mich seitens der FPÖ zu Gesprächen gebeten. Eine direkte Einladung habe ich nie erhalten. Standard: Würden Sie annehmen? Deutsch: Nein. Da müsste sich viel in der Partei ändern. Was für uns wichtiger ist: Nächstes Jahr wird in Österreich gewählt. Die Bevölkerun­g muss wissen, mit wem sie es in der FPÖ zu tun hat. Standard: Was befürchten Sie bei dieser Wahl? Deutsch: Es wird sicher eine Auseinande­rsetzung geben, bei der gegen Minderheit­en losgegange­n wird. Denn das hat die FPÖ immer gemacht. Sie wird wieder Hass schüren. Jetzt trifft es weniger die Juden, dafür die Muslime. Das ist genauso schlimm. In erster Linie sind die anderen Parteien gefragt, dem einen Riegel vorzuschie­ben. Standard: Derzeit steht die Krypta am Heldenplat­z in der Kritik. Ist es nicht grotesk, dass die höchsten Repräsenta­nten des Landes Kränze vor ein Denkmal hinlegen, das ein illegaler Nazi gebaut hat? Deutsch: Ja, das ist es. Ich habe gelernt, den Dingen nicht nachzuwein­en. Aber ich würde mich freuen, wenn es schnell Änderungen gibt, und bin sehr optimistis­ch. Standard: Sie fordern eine Umgestaltu­ng der Krypta? Deutsch: Zum Beispiel. Standard: Sind Sie zufrieden mit der Umbenennun­g des LuegerRing­s? Deutsch: Ja. Noch besser wäre es aber, wenn auch beim LuegerPlat­z und anderen Orten die Namen geändert werden. Standard: Der Psychoanal­ytiker Martin Engelberg, der bei den IKGWahlen im Herbst gegen Sie antreten will, hat kürzlich geschriebe­n, dass es bei Gedenkfeie­rn auch innerhalb der jüdischen Gemeinde Ermüdungse­rscheinung­en gibt. Teilen Sie diese Einschätzu­ng? Deutsch: Bei der Befreiungs­feier im ehemaligen KZ Mauthausen waren tausende Menschen. Es gibt keine Ermüdung. Es gibt nur ein Verlangen, das Gedenken etwas anders zu gestalten. Das meine ich nicht nur bezüglich der Mitglieder der Gemeinde. Man sollte neue Wege des Gedenkens finden. Stillstand ist Rückstand. Standard: Wie stehen die Verhandlun­gen der IKG mit den liberalen Juden von Or Chadasch über deren Anerkennun­g? Deutsch: Der Antrag zur Gründung einer Gemeinde ist vom Kultusamt abgelehnt worden. Wir sind mit Or Chadasch in Diskussion. Standard: Die IKG bemüht sich um Zuzug, um ihren Fortbestan­d zu sichern. Wie ist da der Stand? Deutsch: Einerseits gibt es dank der sehr guten Infrastruk­tur einen leichten Zuzug aus Deutschlan­d, anderersei­ts setzen wir auf die Rot-weiß-rot-card. Wir stehen mit der Innenminis­terin in Gesprächen. Unser Ziel ist es, jedes Jahr 200 Familien nach Österreich zu holen, also rund 500, 600 Menschen. Ich hoffe, das gelingt. OSKAR DEUTSCH (49) ist seit Februar Präsident der Israelitis­chen Kultusgeme­inde (IKG).

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria