Der Standard

Langes Warten auf den Zugriff

Ermittler hatten längst Passwörter zu Neonazi- Seite

- Michael Möseneder

Wien – Aussagen der Abteilungs­leiterin für Extremismu­s im Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g im Alpen-donau.info-prozess gegen Gottfried Küssel, Felix B. und Wilhelm A. werfen interessan­te Fragen auf. Denn der Verfassung­sschutz hatte schon seit Jänner 2010 die Passwörter für die neonazisti­sche Homepage Alpen-donau.info bekommen – offline ging sie allerdings erst 14 Monate später, eine Zeit, in der weiter gehetzt und gedroht wurde.

Es ist ein heikler Zwiespalt: Einerseits brauchen die Ermittler die Möglichkei­t, mit diesen Zugriffsre­chten versuchen zu können, ob sie die Betreiber und Hintermänn­er der Seite identifizi­eren können.

Manfred Herrnhofer, Vizepräsid­ent der Richterver­einigung, versteht daher durchaus, dass aus kriminalta­ktischen Gründen abgewartet wird. Das komme durchaus auch bei Ermittlung­en im Drogenmili­eu vor. Anderersei­ts könne es aber problemati­sch werden, wenn die Exekutive monatelang dabei zusieht, wie Straftaten begangen werden.

Tatsächlic­h ist im Sicherheit­spolizeige­setz sogar eindeutig geregelt, dass ein Einschreit­en aufgeschob­en werden kann, solange keine Gefahr für Leib und Leben besteht. Allerdings müssen die Opfer anschließe­nd davon informiert und möglicherw­eise für entstanden­en Schaden entschädig­t werden – was beim psychische­n Druck nach einer gefährlich­en Drohung der Fall sein könnte.

Hinter vorgehalte­ner Hand bestätigt man in Innenminis­teriumskre­isen den zeitlichen Ablauf bei den Ermittlung­en. Das sei aber an den technische­n Schwierigk­eiten gelegen, die Verschlüss­elungstech­nologien, deren sich die Hintermänn­er der Webseite bedienten, zu knacken.

Außerdem sei ab der Gründung der Sonderkomm­ission im März 2010 ohnehin die Staatsanwa­ltschaft Wien für die Angelegenh­eit zuständig gewesen. Und die habe keine Einwände gegen das Vorgehen gehabt. Verschwund­en ist die Seite aber nicht, da Ermittler sie direkt lahmgelegt haben, sondern da die Firma in den USA, auf deren Server die Seite lag, auf Druck und aus Angst um ihr Image die Geschäftsb­eziehung beendet hat.

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Die neonazisti­sche Homepage blieb 14 Monate lang online

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