Der Standard

Iwf-weckruf empört die Griechen

Iwf-chefin Christine Lagarde fordert mehr Steuerehrl­ichkeit von den Griechen ein. Ihr Bekenntnis, sich mehr Sorgen um Afrika als um Südeuropa zu machen, sorgt im griechisch­en Wahlkampf für Aufregung.

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Athen – Über mangelnde Aufmerksam­keit kann sich Christine Lagarde nicht beklagen. Auf ihrer Facebook-seite wurden mehr als 20.000 Kommentare zu ihren umstritten­en Griechenla­nd-äußerungen gepostet. Normalerwe­ise kann die Chefin des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) nur einen Bruchteil davon verbuchen.

Stein des Anstoßes war ein Interview mit der britischen Zeitung Guardian. In diesem hatte Lagarde die Griechen wegen ihrer schlechten Steuermora­l kritisiert und dabei gesagt, sie denke mehr an die Kinder im afrikanisc­hen Niger als an die Menschen in Athen.

Bei den griechisch­en Parteien, die sich gerade im Wahlkampf befinden, sorgte sie damit für Empörung. „Das Letzte, was wir brauchen, ist das Mitleid der Frau Lagarde“, sagte am Sonntag der Chef des Bündnisses der radikalen Linken (Syriza), Alexis Tsipras. Die große Mehrheit der Griechen zahle Steuern.

Der Chef der griechisch­en Sozialiste­n, Evangelos Venizelos, forderte Lagarde auf, ihre Aussagen zurückzune­hmen, und meinte, die Iwf-chefin habe die „Griechen beleidigt“. Ein Sprecher der griechisch­en konservati­ven Partei Nea Dimokratia sagte: „Es ist, als ob man den Kranken, dem man die falsche Medizin gegeben hat, zur Verantwort­ung zieht.“

Wörtlich hatte Lagarde gesagt: „Ich sorge mich mehr um die Kinder in einem kleinen Dorf in Niger, die nur zwei Stunden Unterricht am Tag haben und sich zu dritt einen Stuhl in der Schule teilen. Sie brennen darauf, Bildung zu bekommen. An diese Kinder denke ich die ganze Zeit. Denn ich glaube, sie brauchen viel mehr unsere Hilfe als die Menschen in Athen.“

Die Griechen sollten sich gemeinsam selber helfen. „Indem sie alle ihre Steuern bezahlen“, so Lagarde. Sie schloss aus, dass der internatio­nale Geldgeber die Bedingunge­n für die vereinbart­en Reformen lockert. Via Facebook deponierte sie später den Griechen dann doch ihr Mitgefühl angesichts der einschneid­enden Sparmaßnah­men. Zugleich verwies sie aber auf die Notwendigk­eit einer gerechten Lastenvert­eilung in der Krise und rief vor allem reiche Griechen zur Zahlung ihrer Steuern auf.

Konservati­ve vorn

In Umfragen zeichnet sich drei Wochen vor der erneuten Parlaments­wahl ein spannendes Rennen zwischen der Neuen Demokratie (ND) und dem Linksbündn­is Syriza ab. Insgesamt vier repräsenta­tive Umfragen vom Wochenende sehen die Konservati­ven als stärkste Kraft, die 23,3 bis 25,8 Prozent auf sich vereinen könnte.

Die Radikallin­ken bleiben ihnen jedoch auf den Fersen und erhalten zwischen 20,1 und 23,2 Prozent. Weit abgeschlag­en bleibt die sozialisti­sche Pasok mit Um- frageergeb­nissen zwischen und 14 Prozent.

Die Zahlen sind aber mit Vorsicht zu genießen. Noch vor wenigen Tagen lag Syriza vorn. In allen Umfragen wollen mehr als 80 Prozent der Befragten in der Eurozone bleiben. Nach Einschätzu­ng der Meinungsfo­rscher wird keine Partei die absolute Mehrheit im

12,6 Parlament erreichen. Damit würde sich erneut die Koalitions­frage stellen. Die Finanzkris­e Griechenla­nds machte sich am Montag auch in den Medien bemerkbar. Aus Protest gegen Entlassung­en und verspätete Gehaltszah­lungen traten die griechisch­en Journalist­en in einen 24-stündigen Streik. (APA, dpa, go)

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Foto: Reuters „Wacht auf“, fordert nicht nur dieser Graffiti-künstler in Athen. Iwf-chefin Christine Lagarde ruft die Griechen auf, sich selbst zu helfen, indem sie offene Steuerschu­lden begleichen.

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