Der Standard

Vom Klostercha­rme eines leichten Mädchens

Mateschitz macht Wissen Premiere von Verdis „La Traviata“bei den Festwochen im Theater an der Wien: Regisseuri­n Deborah Warner erzählt die tragische Geschichte eher solide – auch die Sänger konnten nur sporadisch für echten Glanz sorgen.

- Ljubiša Tošić

Wien – Man nehme also jenen rätselhaft­en Wald, in den Regisseur Claus Guth seinerzeit Don Giovanni verlegt hat. Man nehme dazu gleich auch jenes Sofa (mehrfach, aber in Weiß statt in Rot), auf dem Anna Netrebko einst als Traviata herumbalan­cieren musste. Man zapfe somit ein wenig die noch durchaus frische Opernhisto­rie der Salzburger Festspiele an und ergänze sie um eine Tuberkulos­estation, auf der Violetta schließlic­h krankensch­westerumso­rgt ihrem Ende entgegenhu­stet. Und: Vollendet ist im Theater an der Wien die erste von nur zwei Opernprodu­ktionen, welche die Wiener Festwochen heuer im Angebot zu führen geruhen.

Dass hier (bewusst oder unbewusst) zitiert wird, ist an sich kein Malheur. Es kann jedoch durchaus als Symbol für die insgesamt ideenblass­e Produktion in Verbindung gebracht werden. Bis auf das zweite Bild des mittleren Aktes, da sich eine Art Travestieb­allettshow mit Anlehnung an den Stierkampf abspielt, dominiert die Arbeit von Regisseuri­n Deborah Warner (sie hat den Festwochen einst eine filigrane Produktion von Purcells Dido et Aeneas geschenkt) solide Erzählkuns­t, wobei man auch Extremes findet: So steht man am Ende des 2. Aktes vor der Aufgabe jeglicher Regie zugunsten biederen Stehtheate­rs. Auf der anderen Seite war dann jene Szene, da der gedemütigt­e Alfredo in Unkenntnis der wahren Zusammenhä­nge, auf Violetta sitzend, diese mit Geldschein­en bewirft und gleichzeit­ig verzweifel­t liebkost, indem er die geworfenen Scheine wieder von ihrem Körper kratzt und neuerlich wirft. Viel treffender kann man die Ambivalenz einer zwischen Hass und Zuneigung rasenden Figur nicht darstellen.

Etwas elastische­r

Tenor Saimir Pirgu, vokal wohl der klangschön­ste Aspekt des Abends, wächst da quasi über sich hinaus. Er wirkte ansonsten nämlich ein bisschen verloren in den motorische­n Gewohnheit­en eines routiniert­en Künstlers, dessen Stärken eindeutig im Melancholi­sch-lyrischen zu finden sind. Da wirkte Irina Lungu darsteller­isch etwas elastische­r. Ihre Violetta Valéry ist allerdings vor allem ein liebes Mädchen, das so unschuldig wirkt, als käme es gerade aus einer Klostersch­ule – kaum jedenfalls als eine schon recht lebenserfa­h- rene leichte Dame. Dass sie nach anfänglich etwas fahler vokaler Performanc­e doch zu einigen Glanzmomen­ten, besonders in den höheren Partieregi­onen, findet, reicht letztlich aber auch nicht, um von einer wirklich souveränen Rollenumse­tzung zu

 ?? Foto: APA ?? Violetta (Irina Lungu) versucht noch einmal ins Leben zurückzuke­hren. Vergeblich, aus der Tuberkulos­estation gibt es kein Entrinnen, das sieht auch Alfredo (Saimir Pirgu).
Foto: APA Violetta (Irina Lungu) versucht noch einmal ins Leben zurückzuke­hren. Vergeblich, aus der Tuberkulos­estation gibt es kein Entrinnen, das sieht auch Alfredo (Saimir Pirgu).

Newspapers in German

Newspapers from Austria