Der Standard

Der verulkte Tiefsinn

Premiere von Händels „Giulio Cesare in Egitto“bei den Pfingstfes­tspielen in Salzburg. Musikalisc­h toll, leidet der Abend an einigen allzu albernen Regie-ideen.

- Ljubiša Tošić

Salzburg – Keine Ahnung, ob diese Premiere von Händels Giulio Cesare in Egitto die passionier­te Verehrerin des barocken Komponiste­n, Autorin Donna Leon, die in Salzburg bei den Pfingstfes­tspielen anwesend war, zu einem neuen Krimi inspiriert hat. Wäre dem so, würde das Buch womöglich von zwei Opernregis­seuren handeln, die, von Sängern entführt, einer besonderen Folter unterzogen würden. Vor versammelt­em Entführung­sensemble müssten sich beide zunächst zum Aufwärmen in Soldatenun­iformen tanzend lächerlich machen.

Dann aber ginge es zur Sache: Die Regisseure dürften, während sie in einer Hand ein Herrenmaga­zin halten, mit der anderen heftig in Unterhosen­tiefen an sich herumfumme­ln. Auch wären sie angehalten, sich mit jenen Gedärmen, die in einer Puppe versteckt wären, zu beschmiere­n und diese natürlich auch zu verspeisen. Beide wären dabei von den Sängern jedoch nur zu jenen Aktionen gezwungen worden, die sie zuvor bei einer Produktion den Sänger abgenötigt hätten.

Derbes Theater

Frau Leon müsste für solche Ideen keinerlei Fantasie aufbringen. All die oben erwähnten Foltermeth­oden haben die Regisseure Moshe Leiser und Patrice Caurier bei den Pfingstfes­tspielen eingesetzt. Es wäre natürlich unzulässig, bei einer fünfstündi­gen Aufführung nur die paar Ausflüge ins wurstelpra­terhafte Theater hervorzuke­hren. Allein, es entfalten diese Derbheiten an markanten Stellen einer die Figuren über weite Strecken sinnvoll führenden Inszenieru­ng eine fatale Wirkung, die alles an Subtilität Aufgebaute pulverisie­rt. Als Petitesse kann man das nicht abtun.

Jedenfalls ist man hier im Nahen Osten. Krokodile (wenn es um Selbstmord­gedanken geht, steckt man den Kopf ins Krokodilsm­aul) und Ölbohrtürm­e (Bühne: Christian Fenouillat) zieren das Ambiente, in das Cesare mit einer Limousine vorfährt, auf deren Dach jene Puppe ist, die später Tolomeo (hervorrage­nd Christophe Dumaux) von ihren Gedärmen befreien wird. Es ist also eine erhitzte Kriegsgese­llschaft zu sehen, die auch versucht, sich eine neue Ordnung zunutze zu machen. Cesare ist dabei ein Ober-eu-kaiser, der gleich Ölgeschäft­e abschließt.

Oberflächl­ich und grell

Nun hat aber Händels Musik eine Tiefe und Sogwirkung, die immer wieder zu Reisen in die Psychen der auch ihre intimen Sehnsüchte und Ängste ausbreiten­den Figuren verführt. Und hier kommt auch diese mit oberflächl­ich-greller Symbolik arbeitende Regie schön in Berührung mit dem Stück, tastet für Augenblick­e seelische Abgründe ab und zeigt, was an Substanz in ihr steckt.

Also: Sollte es bei der Wiederaufn­ahme im Sommer möglich sein, jene die Wirkung der Musik auflösende­n Albernheit­en zu verbannen (der Panzer am Ende hat immerhin nicht auf das buhende Publikum geschossen!), könnte die Inszenieru­ng so abheben, wie Cecilia Bartoli in jener Szene, da sie auf einer Bombe davonschwe­bt.

Sie ist als Cleopatra eine souveräne Kokette und vokal (akzeptiert man ihr zartes Dauervibra­to) ein Wunder an Geläufigke­it und quirliger Intensität. Andres Scholl, dieser lyrische Ausnahmekü­nstler, gibt Cesare wiederum präzise als machtbewus­sten, schlauen Diplomaten. Überhaupt darf man die Gesangslei­stungen als sehr gut (besonders Philippe Jaroussky als Sesto und Anne Sofie von Otter als Cornelia) bezeichnen. Dirigent Giovanni Antonini und Il Giardino Armonico reüssieren zumindest als ausdauernd­e Advokaten des Dramatisch-motorische­n. Der Orchesterk­lang ist im Poetischen jedoch etwas fahl; somit war das Gute einseitig angelegt. Nächstes Jahr, zu Pfingsten, hört man übrigens Bartoli als Bellinis Norma.

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