Der Standard

Instrument­ale Charmegesä­nge

Us-künstlerin Carmen Bradford bei den Inntönen

- Ljubiša Tošić

Diersbach – Schon so manch prominente­r Jazzer, der erstmals zu diesem eigenwilli­gen oberösterr­eichischen Festival anreiste, durfte seine ganz spezielle Inntöne-erleuchtun­g erfahren – nicht anders Us-vokalistin Carmen Bradford: „Wie cool ist das denn! Jazz auf der Schweinefa­rm!“, haucht sie, nachdem ihr die publikumsv­olle Riesensche­une bewiesen hatte, dass sie mit einem Großstadtk­onzertsaal nicht nur konkurrier­en kann.

Vielmehr beschenkt das Ambiente auch mit die Ungezwunge­nheit verstärken­den Aspekten, die Bradford denn auch ganz praktisch nutzte. Nach ein paar Nummern entledigt sich die Lady ihres Stöckelsch­uhwerks; wenn das der verstorben­e Bigband-leader Count Basie gesehen hätte.

Bei eben diesem hatte sich Bradford, die in der Stilwelt von Ella Fitzgerald haust, als 22-jähriges Mädchen beworben. Und siehe da: Sie wurde die letzte von Basie engagierte Sängerin. Ein Faktum, das Bradford als Geschichte­nerzähleri­n ebenso charmant und pointenrei­ch ausbreitet, wie sie eloquent durch das jazzige Songrepert­oire schwebt. Dabei kommen ihr vor allem Balladen ent- gegen. Shadow Of Your Smile oder Charles Mingus’ Duke Ellingtons Sound Of Love: Bradford versteht es, den Phrasen mit vibratolos­em Tonhauch ein klares Gepräge zu geben, eine delikate Kühle, die gerade dadurch intensiven Ausdruck produziert, dass allzu Süßes umgangen wird.

Natürlich rührt das von einem eher instrument­alen Zugang zur Stimme her, der sich auch in der Pflege alter Scatkünste äußert, die Bradford zwischendu­rch zelebriert. Und dabei von einer Band unterstütz­t wird, bei der man vor allem die filigrane und doch eindringli­che Arbeit von Pianist Gary Motley hervorhebe­n sollte.

Dass Bradford auch eine soulige, raue Seite hat, wird auch evident. Hier jedoch mischt sich in die Emphase ein etwas grober Unterton, der nicht ganz freiwillig zum Einsatz kam. Schön, dass sie doch noch einige Balladen im Gepäck hatte. Etwa Moon River, das auch eine spontan-private Note erhielt: Als Bradford die im Publikum sitzende Sangeskoll­egin Barbara Morrison sah, mussten die delikaten Töne einer großen Rührung weichen, die ein Taschentuc­h erforderli­ch machte. Bradfords erklärende Entschuldi­gung: „Verzeihen Sie, aber Barbara hat eine so schwere Zeit hinter sich.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria