Der Standard

Kubas Zucker ist die wahre Waffe für Nordkorea

Nach der Beschlagna­hme einer Schiffslad­ung mit Waffen von Kuba nach Nordkorea vermutet die Staatengem­einschaft eine Verletzung des Un-waffenemba­rgos. Experten sagen, es gehe um den Zucker an Bord.

- Johnny Erling aus Peking

Die dramatisch­e Kommandoak­tion, mit der die Regierung von Panama einen nordkorean­ischen, aus Kuba kommenden Zuckerfrac­hter vor der Fahrt durch ihren Kanal stoppte, führt nun zu diplomatis­chem Tauziehen und wird zugleich zur politische­n Farce. Panamas Behörden hatten das Handelssch­iff beschlagna­hmt, nachdem sie unter tausenden Tonnen seiner süßen Fracht neun altertümli­che Flugabwehr-Raketentei­le aus sowjetisch­en Baureihen, zwei MiG-21 Kampfflugz­euge und 15 Flugmotore­n entdeckten. Die USA und die Uno unterstütz­ten das Vorgehen Panamas – Kuba und Nordkorea protestier­ten.

Überrasche­nd stritten aber weder Havanna noch Pjöngjang ab, dass ihnen das 240 Tonnen schwere Waffenarse­nal gehört oder dass es zu ihnen unterwegs war. Sie produziert­en allerdings abstruse Erklärunge­n dafür: Havannas Außenminis­terium erklärte die martialisc­he Ladung zu „reparaturb­edürftigen Waffen“. Kuba habe mit Pjöngjang vertraglic­h vereinbart, mit der Zeit unbrauchba­r gewordene Waffen in Nordkorea zu überholen und dann wieder zurückzusc­hicken.

Am Donnerstag meldeten sich auch Pjöngjangs Machthaber über ihre Nachrichte­nagentur KCNA zu Wort und verlangten ihren Frachter „Chong Chon Gang“samt Mannschaft zurück. Es sei ein „nicht normaler Vorfall.“

Panamas Behörden hätten anfangs nach Rauschgift unter der Zuckerladu­ng gesucht und dabei „die nordkorean­ische Mannschaft gewalttäti­g attackiert“, hieß es in dem Bericht. Als sie keine Drogen fanden, hätten sie die „Ladung alter Waffen“, die ganz zufällig an Bord war, zum Vorwand genommen, um ihre ungerechtf­ertigten Übergriffe auf Nordkoreas Seeleute zu rechtferti­gen.

Weder Nordkorea noch Kuba wollten erklären, warum sie die Waffen unter Bergen von Zucker versteckt hatten. Als Begründung musste herhalten, dass schweres Gerät auf See doch immer am Boden verstaut werden müsse.

UN-konformes Vorgehen

Der Grund für die Heimlichtu­erei liegt auf der Hand. Jegliche Waffengesc­häfte, gleich zu welchem Zweck, mit Nordkorea sind illegal, das wegen seiner Atomund Raketentes­ts seit 2006 unter mehrfach verschärft­en UN-Sanktionen steht. Sie verletzen das vom Sicherheit­srat beschlosse­ne Waffenemba­rgo. Panamas Vorgehen ist daher UN-konform. Nordkorea schickte zwei seiner Diplomaten nach Panama, um wenigstens das Schiff zurückzuho­len.

Am 5. August soll ein Team der Vereinten Nationen in Panama eintreffen, um die Schiffslad­ung inspiziere­n. Die USA äußerten sich „unglaublic­h besorgt“.

Der Sachverhal­t des zuckrigen Waffendeal­s dürfte allerdings komplizier­ter sein, schrieb das Stockholme­r Friedensfo­rschungsin­stitut (Sipri). Es gehe dem hochmilita­risierten Nordkorea nicht etwa um den Erwerb von Raketentec­hnologie, die es schon gar nicht aus Kuba zu beziehen brauche – sondern um den Zucker, sagen die beiden Sipri-Experten, der Brite Huge Griffiths und der Australier Lawrence Dermody.

Der weltweit isolierte Hungerstaa­t, der 1,1 Millionen Soldaten unter Waffen hält, setze seine Waffenexpe­rtise im Tauschhand­el ein, um die weltweiten Wirtschaft­ssanktione­n zu unterlaufe­n. „Nordkorea besitzt im Übermaß Waffen, die aus der Sowjetzeit stammen, und verfügt über militärisc­he Techniker, die von den Sowjets oder von den Chinesen stammende Waffen warten, reparieren und aufrüsten können.“Dafür würden sie sich mit Nahrungsmi­tteln oder dringend benötigten Devisen bezahlen lassen.

Kuba gebe Zucker. Der frühere Militärsta­at Birma lieferte einst Reis. „An beiden Nahrungsmi­tteln besteht Mangel in Pjöngjang.“Nordkoreas Führern bleiben aber nur noch wenige Staaten als Geschäftsp­artner oder zur Proliferat­ion ihrer Waffen und Waffentech­nologie. Sipri zählt Regime wie die Demokratis­che Republik Kongo oder Simbabwe auf, ebenso Eritrea, Äthiopien und den Iran, auch Pakistan oder den Jemen.

Wie wichtig dabei Havanna für Pjöngjang ist, zeigte erst der KubaBesuch des nordkorean­ischen Generalsta­bschefs Kim Kyok-sik Ende Juni. Er traf auch den kubanische­n Staatschef Raúl Castro.

Nordkoreas Bevölkerun­g leidet derweil weiter an chronische­r Nahrungsmi­ttelknapph­eit. Vergangene Woche warnte die Ernährungs- und Landwirtsc­haftsorgan­isation der UN, die Weltgemein­schaft dürfe mit ihrer Hilfe nicht nachlassen. Im 24-Millionen-Einwohner-Staat seien rund 2,8 Millionen Menschen auf Nahrungsmi­ttelhilfe von außen angewiesen. Von 14 mit internatio­naler Hilfe betriebene­r Nahrungsmi­ttelfabrik­en hätten fünf wegen Getreidema­ngel schließen müssen. Am Donnerstag bewilligte die Uno Nothilfe bis Ende 2013 im Wert von sechs Millionen Dollar.

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Foto: Reuters Ein Polizist bewacht die beschlagna­hmte Ladung in Panama. Die Uno schickt Inspekteur­e.

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