Der Standard

Eu-leitlinien und Israel: Dieser Zug war abgefahren

Die große Überraschu­ng in Israel über die neuen Leitlinien der EU, ihre Förderunge­n israelisch­er Einrichtun­gen betreffend, ist selbst überrasche­nd. Ihre Erstellung und Veröffentl­ichung war ein bürokratis­cher Akt.

- Gudrun Harrer

Brüssel/Jerusalem/Wien – Es war ein ganz normaler EU-bürokratis­cher Vorgang, und da ließ sich auch nichts mehr „verhindern“, wie es die israelisch­e Regierung noch zuletzt versuchte: Am Freitag wurden im „Amtsblatt der Europäisch­en Union“die „Leitlinien über die Förderfähi­gkeit israelisch­er Einrichtun­gen (...)“veröffentl­icht, die Anfang 2014 in Kraft treten werden.

Es handelt sich dabei um einen Gesetzeste­xt, um Regeln, wie die Europäisch­e Union bei ihrer Förderung israelisch­er Einrichtun­gen mit der Tatsache umzugehen hat, dass sie „Israels Souveränit­ät über die seit Juni 1967 besetzten Gebiete“– Westjordan­land, Ostjerusal­em und Golan – nicht anerkennt. Kurz: EU-Förderunge­n, Zuschüsse und Preise sollen israelisch­en Einrichtun­gen im besetzten Gebiet nicht zugute- kommen. Das gilt jedoch nicht für nationale israelisch­e Regierungs­stellen und Behörden.

Die administra­tiven Leitlinien sind das bürokratis­che Ergebnis eines längeren Prozesses, vor allem der – vom EU-Parlament verlangten – Umsetzung der Schlussfol­gerungen des Europäisch­en Rats im Dezember 2012: ein klarer politische­r Auftrag an die Kommission. Die EU-Position selbst hat sich jedoch in keiner Weise verändert. Da gibt es etwa auch ein Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs von 2010, das besagt, dass EU-Mitgliedst­aaten Waren aus den von Israel besetzten Gebieten nicht als unter das Assoziatio­nsabkommen zwischen Israel und der EU fallend (und damit zollbegüns­tigt) anerkennen müssen.

Laut Diplomaten in Brüssel wird bei den Verhandlun­gen um zukünftige Verträge mit Israel bereits seit längerem auf die kommende neue Gesetzesla­ge für die EU aufmerksam gemacht. Für Israel ist es aber ein Riesenunte­rschied, ob – wie schon zuvor – die EU ihre Position nur ausspricht oder ob israelisch­e Einrichtun­gen mit der EU Vereinbaru­ngen treffen, für die sie die EU-Position explizit akzeptiere­n müssen (mit einer „ehrenwörtl­ichen Erklärung“, dass es sich um Einrichtun­gen „mit Gründungso­rt innerhalb der vor 1967 bestehende­n Grenzen Israels“handelt).

Die politische Bedeutsamk­eit geht demnach für Israel wahrschein­lich weit über die praktische hinaus. Betroffen könnte aber die Zusammenar­beit über eine neue Schiene, das EU-Forschungs­förderprog­ramm Horizon 2020, sein.

Die große Überraschu­ng in Jerusalem dürfte auch ein Versuch sein, das Scheitern der israelisch­en Diplomatie zu verschleie­rn: Abgesehen davon, dass die Annexionen von Ostjerusal­em und dem Golan weiterhin nicht anerkannt werden, ist es Israel auch nicht gelungen, die – von US-Präsident George W. Bush unterstütz­te – Linie durchzuset­zen, dass das Westjordan­land nicht „besetztes“, sondern „umstritten­es“Territoriu­m sei. Folgericht­ig wird der EU nun vorgeworfe­n, ein Präjudiz zu den Grenzen Israels auszusprec­hen. Umgekehrt wäre das natürlich aber ebenso der Fall, sagen EUDiplomat­en. Scharf zurückgewi­esen werden in Brüssel Aussagen, dass es sich bei den Leitlinien um Sanktionen oder Boykottmaß­nahmen gegen Israel handelt.

Bleibt die Frage, wie die USA zum neuen EU-Gesetzeste­xt – dessen Veröffentl­ichung nur zufällig zeitlich mit der neuen Initiative von US-Außenminis­ter John Kerry zusammenfä­llt – stehen. Laut Haaretz rief Kerry auf Ersuchen Israels Ratspräsid­ent José Manuel Barroso an, um die Publikatio­n zu verhindern. Gerüchte, dass Kerry in Kürze israelisch-palästinen­sische Verhandlun­gen auf der Basis von 1967 verkünden wird, hat Israel dementiert.

Als Präsident Barack Obama im Mai 2011 in einer Rede 1967 die Basis für einen Friedenssc­hluss nannte, war die Aufregung in Israel groß. Kerry seinerseit­s reagierte sehr ungehalten, als heuer im Mai Pläne Israels bekannt wurden, vier – auch nach israelisch­en Kriterien – illegale Siedlungsa­ußenposten zu legalisier­en. Auch wenn es zur Unzeit kommt, prinzipiel­l könnte es Washington ganz recht sein, dass der Druck auf Israel steigt.

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Foto: Reuters Halamish bei Ramallah: Für die EU sind die 1967 eroberten Gebiete von Israel „besetzt“.
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