Der Standard

„Spindelegg­er muss kein Entertaine­r sein“

Niederöste­rreichs Landeshaup­tmann Erwin Pröll fordert von der ÖVP mehr Emotionali­tät im Wahlkampf, dann sei auch Platz eins möglich. Michael Völker sprach mit Pröll über Internet, Medien und Demokratie.

- Sie Edward

Standard: Würden Snowden Aysl geben? Der war fast schon in Niederöste­rreich, er wurde in Schwechat vermutet. Pröll: Gott sei Dank stellt sich diese Frage nicht. Das wäre nicht unbedingt dienlich, wenn wir in einen derartigen Konflikt zwischen den großen Mächten eingreifen. Standard: Haben Sie das niederöste­rreichisch­e Landhaus schon auf Wanzen untersuche­n lassen? Pröll: Wir lassen das regelmäßig untersuche­n. Ich glaube aber nicht, dass Niederöste­rreich so wichtig ist, dass es von internatio­nalen Kräften abgehört wird. Standard: Von internatio­nalen Kräften vielleicht nicht, aber von Wien aus? Pröll: Das mag schon sein. Aber das, was Wiener Regierungs­kreise wissen sollen, das sag ich ihnen ohnedies sehr klar, da brauchen sie mich nicht abhören. Standard: Wie halten Sie es mit dem Internet? Es gibt eine ErwinPröll-Seite auf Facebook, die ist aber schon länger nicht aktualisie­rt worden. Pröll: Das ist keine Seite von mir. Die virtuelle Welt wird von vielen Politikern so genutzt, dass sie das gar nicht selber betreiben, sondern betreiben lassen. Bevor ich so etwas tue, lasse ich es überhaupt. Ich bin viel lieber in der realen Welt und nicht in der virtuellen Welt. Standard: Bei dieser FacebookSe­ite sind als verwandte Seiten die Styria und die „Niederöste­rreichisch­en Nachrichte­n“angeführt. Reicht Ihr Einfluss in die Medien tatsächlic­h so weit? Pröll: Absolut nicht. Manches Mal hat man die Tendenz, dass man sich sagt, es wäre schön, auch in der Medienwelt Einfluss zu haben, aber das spielt’s nicht, Gott sei Dank. Ich halte das für sehr wichtig, dass Medien und Politik eine gewisse Distanz wahren. Standard: Da stellen Sie Ihr Licht jetzt unter den Scheffel. Pröll: Das glaub nicht. Standard: In Niederöste­rreich ist vom Pröll-Funk die Rede, wenn man über den ORF spricht. Pröll: Das ist nicht die reale Welt. Standard: Sie hatten einmal ein sehr gutes Verhältnis zu Kanzler Werner Faymann, das ist dann dramatisch abgekühlt, zuletzt hatten Sie keine sehr gute Meinung von ihm. Ist das nach wie vor so? Pröll: Es stimmt, wir hatten früher einen sehr guten Kontakt. Dann hat es einen ordentlich­en Konflikt in Zusammenha­ng mit der Bildungspo­litik gegeben. Da war die Beziehung sehr abgekühlt. Aber dann war es so, wie es unter Politikern sein soll: Wir haben uns ausgesproc­hen. Wir haben diesen Konflikt bereinigt. Es ist jetzt ein korrektes Arbeitsver­hältnis, das gelegentli­ch ausgezeich­net ist

ich durch halbprivat­e Treffen zu einem Mittag- oder Abendessen, wo wir uns über wichtige Dinge austausche­n. Standard: Wie geht Spindelegg­er damit? Pröll: Sehr gut. Das wäre ja das Schlimmste, wenn der Bundeskanz­ler und der Landeshaup­tmann von Niederöste­rreich keinen Kontakt haben dürften. Mit dem Vizekanzle­r mache ich das mindestens so intensiv, da kommt natürlich noch die parteipoli­tische Facette hinzu. Standard: Spindelegg­er hat Faymann unlängst die Eignung abgesproch­en, ein guter Kanzler zu sein. Wie sehen Sie das? Pröll: Das ist nichts Ungewöhnli­ches, dass sich in einer Wahlkampfp­hase die Fronten klären und dass es pointierte­r wird. Das darf aber nicht heißen, dass einem der persönlich­e Respekt abhandenko­mmt. Die Gefahr sehe ich im konkreten Fall nicht. Standard: Da sind sie weit davon entfernt, das wird nicht stattfinde­n. Pröll: Das weiß ich. Aber es hat sich gezeigt, dass bei derartigen Konstellat­ionen, die sehr fragil sind, die Opposition immer mehr blockiert. Die Opposition­sparteien haben kein Interesse daran, dass staatspoli­tisch etwas weitergeht, deren Interesse ist es, sich über Fehler und mangelnde Erfolge der Republik nach oben zu schupfen. Einen konstrukti­ven Beitrag leisten sie nicht. Standard: Von einem dritten Partner in der Regierung, auch wenn das von den Mehrheitsv­erhältniss­en gar nicht notwendig wäre, halten Sie nichts? Standard: Wie geht es Ihnen damit, dass die nächste Regierung voraussich­tlich so ausschauen wird wie die jetzige? Pröll: Ich bin ein Verfechter, dass es wieder eine Zweierregi­erung gibt, und natürlich wäre es mir lieber, einen ÖVP-Bundeskanz­ler zu haben. Ideal wäre es natürlich, dass die beiden Großpartei­en eine Zweidritte­lmehrheit zustande brächten.

es Michael Pröll: Ich hoffe sehr, dass am 29. September die beiden Großpartei­en ein Wahlergebn­is einfahren, das deutlich über 50 Prozent liegt, um ja nicht von irgendwelc­hen Dritten abhängig zu werden. Es ist schon zwischen zwei Partnern schwierig genug. Standard: Den Grünen trauen Sie da auch nicht über den Weg? Pröll: Die Grünen haben in letzter Zeit überhaupt keinen konstrukti­ven Ansatz gezeigt. Es gibt eine einzige Ausnahme. Das ist der Herr Anschober in Oberösterr­eich. Aber eine Schwalbe macht noch lange keinen Sommer. Standard: Hat die ÖVP überhaupt eine Chance, Erster zu werden? Pröll: Ja, ich glaube schon. Spindelegg­er hat es gesagt: 2013 wird das Jahr der ÖVP. Das ist bis zum jetzigen Zeitpunkt eingetroff­en. Standard: Die ÖVP hat bei allen Wahlen prozentmäß­ig verloren. Pröll: Bei all diesen Landtagswa­hlen zusammen hat die ÖVP 740.000 Stimmen eingefahre­n, die SPÖ nur 440.000. Mit diesem Verhältnis könnte ich auf Bundeseben­e gut leben. Wenn ich nach Niederöste­rreich schaue, bin ich sehr zuversicht­lich: Wir haben eine sehr positive Grundstimm­ung für die ÖVP, da kann man aufbauen. Standard: Was müsste die ÖVP auf Bundeseben­e jetzt noch tun, um mehr Dynamik in diesen Wahlkampf zu bringen? Pröll: Die ÖVP startet mit dem Vizekanzle­r sehr gut in den Wahlkampf. Zunächst einmal sehr sachbezoge­n einige Themen aufbereite­n, dann wird es auch notwendig sein, Emotion in den Wahlkampf zu bringen. Da braucht es vielleicht ein wenig Humor und Schmäh, um die Leute für die Politik zu interessie­ren. Standard: Spindelegg­er ist nicht als Charismati­ker verschrien, von dem man sich Humor und Schmäh erwarten würde. Pröll: Michael Spindelegg­er muss kein Entertaine­r sein. Das große Asset des Vizekanzle­rs ist Seriosität. Alle, die mit ihm schon zu tun hatten, wissen: Dem Mann kann man vertrauen. Standard: Die Redlichkei­t spricht ihm ja keiner ab. Es geht darum, ob er die Leute mitreißen kann. Pröll: Ich habe schon genug Reden des Vizekanzle­rs gehört, die auch mit Humor gespickt waren und fasziniert haben. Standard: Bei der Rede zur Lage der Nation hat vor Spindelegg­er Sebastian Kurz gesprochen. Der war besser. Pröll: Es ist ein Unterschie­d, in welcher Rolle jemand aufzutrete­n hat. Kurz hatte die Rolle, Aufmerksam­keit zu erregen und diese dann auf den Staatspoli­tiker, der nach ihm kommt, zu fokussiere­n. Diese Arbeitstei­lung hat funktionie­rt. Standard: Zuletzt hat Justizmini­sterin Beatrix Karl nicht gerade geglänzt. Wie fanden Sie ihre Performanc­e beim Krisenmana­gement nach der Vergewalti­gung eines 14-Jährigen im Gefängnis? Pröll: Was da vorgekomme­n ist, ist zutiefst zu verurteile­n. Ich weiß natürlich, dass jeder Minister für all das, was in seinem Bereich passiert, verantwort­lich ist. Nur wissen Sie: Gibt es einen Politiker, der in Ihrem Medium noch nie in die Kritik gekommen ist? Standard: Dennoch: Wie fanden Sie das Krisenmana­gement? Pröll: Ich will da nicht urteilen. Man kann immer besser werden. Standard: Mit Niki Berlakovic­h gibt es noch einen zweiten Minister in der ÖVP-Regierungs­mannschaft, der einigermaß­en lädiert ist. Ist das nicht eine Belastung, mit dieser Mannschaft in die Auseinande­rsetzung gehen zu müssen? Pröll: Wenn es nach der Anzahl der Minister geht, die in Ihren Augen keine optimale Rolle spielen, dann müsste die ÖVP die Wahl schon gewonnen haben. In der SPÖ wüsste ich mehr als nur zwei, die keine optimale Rolle spielen und das nicht erst seit kurzem. Standard: Wer zum Beispiel? Pröll: Wenn ich Bundeskanz­ler wäre, an Faymanns Stelle hätte ich die Frau Schmied schon lange in Pension geschickt. Für einen Minister ist es zu wenig, immer nur zu sagen, die Gewerkscha­ft steht mir im Weg. Wenn dem so wäre, dann würde die Sozialpart- nerschaft in Österreich schon lange nicht mehr funktionie­ren. Dass sich Faymann und Spindelegg­er in die Verhandlun­gen mit den Lehrern einschalte­n müssen, ist der beste Beweis für das Versagen der Ministerin. Standard: Was halten Sie von der Idee, die der Vizekanzle­r ventiliert hat, ein Hearing für potenziell­e Minister abzuhalten? Pröll: Ich habe hier einen sehr klaren Standpunkt: Personalen­tscheidung­en sind Chefsache. Bei dem bleibe ich auch, denn letztendli­ch muss der, der die Entscheidu­ngen trifft, auch die Verantwort­ung tragen. Aber das erübrigt ja nicht Gespräche in der Folge. Standard: Apropos Chefsache. In der ÖVP reden ja viele mit, in erster Linie Sie, die Bundesländ­er, die Bünde. Ist das noch eine moderne Struktur für eine Partei? Sollte man dem Parteichef nicht mehr Durchgriff­srechte zugestehen? Pröll: Wollen Sie die Diktatur, oder wollen Sie die Demokratie? Wenn Sie die Demokratie wollen, dann muss es auch recht sein, dass auf möglichst breiter Ebene die Entscheidu­ngsträger versuchen, ein gemeinsame­s Ganzes zu finden. Das ist in der ÖVP der Fall. Natürlich mit heftigen Diskussion­en, aber die Demokratie lebt von der Diskussion. Entscheide­nd ist, dass ab einem bestimmten Punkt einer zu sagen hat, wo es langgeht. Standard: Wer ist das in der ÖVP? Sie? Pröll: Der Vizekanzle­r und der Chef dieser Partei. Standard: Finden Sie nicht, dass der Bauernbund eine zu mächtige Rolle einnimmt? Pröll: Nein. Ich weiß nicht, woher Sie das ableiten. Ich komme selber aus dem Bauernbund. Es ist nicht die Frage, woher jemand kommt, sondern die entscheide­nde Frage ist, wohin jemand geht. ERWIN PRÖLL (66) ist seit 1992 Landeshaup­tmann von Niederöste­rreich. Bei der jüngsten Landtagswa­hl am 3. März konnte er mit 50,8 Prozent (minus 3,6) die absolute Mehrheit halten.

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Foto: Regine Hendrich Erwin Pröll: „Da braucht es vielleicht ein wenig Humor und Schmäh, um die Leute für die Politik zu interessie­ren.“

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