Das Notizbuch der Menschenhändler
Die Wiener Polizei hat einen bulgarischen Zuhälterring zerschlagen, der sich am Straßenstrich im Prater etabliert hatte. Mehr als 100 Frauen sollen mit falschen Versprechungen nach Wien gelockt worden sein.
Wien – Zwei Dutzend Handys aus der Vor-Smart-Zeit, zwei Laptops, die schon vor zehn Jahren modern waren, 6000 Euro Bargeld und zwei Sparbücher mit insgesamt rund 16.000 Euro Einlagen – was da auf dem Tisch von Gerhard Haimeder vom Landeskriminalamt Wien liegt, sind nicht gerade die Insignien einer millionenschweren Mafiaorganisation. Doch Menschenhandel und Zuhälterei blühen fast immer in tristen Verhältnissen. Und da gibt es ja auch noch das schwarze Notizbuch, das ebenfalls bei der großangelegten Razzia gegen einen mutmaßlichen Menschenhändlerring aus Bulgarien am Freitag sichergestellt wurde. Dieses Notizbuch, in dem viele Kontakte der acht Verhafteten aufgelistet sind, lässt den zuständigen Staatsanwalt von einer „dicken Suppe“sprechen.
An der Großrazzia mit mehr als 100 Einsatzkräften waren auch die Sondereinheiten Wega und Cobra beteiligt. Die Polizei geht davon aus, dass die Verdächtigen – fünf sind noch flüchtig – bis zu 100 junge Frauen aus der südbulgarischen Kleinstadt Chaskowo mit falschen Versprechungen nach Wien gelockt haben. Als Animierdamen und Tänzerinnen angeworben, endeten sie auf dem Straßenstrich beim Prater, wo sie zu allem gezwungen wurden, was Kunden verlangten. Das wenige Geld streiften die Aufpasser ein.
Das Strafausmaß für Menschenhandel wurde gerade erst empfindlich erhöht. Seit 1. Juli beträgt die Grundstrafandrohung fünf Jahre Freiheitsentzug statt wie bisher drei Jahre. Sind die Opfer unmündig (also unter 14 Jahren), kann die Strafe bis zu zehn Jahre Gefängnis betragen. Durch diese Gesetzesverschärfung ist es für die Polizei auch einfacher geworden, Telefone von Verdächtigen abzuhören.
Bulgarien und Rumänien sind die EU-Sorgenkinder im Zusammenhang mit Menschenhandel. Die Geschäftsbereiche von krimi- nellen Organisationen betreffen nicht nur Zuhälterei, sondern auch Schlepperei. Bei einer Polizeikonferenz in Nürnberg vor zwei Wochen kündigte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) für Februar 2014 eine internationale Konferenz in Wien an, bei der beraten werden soll, „wie in Bulgarien und Rumänien bei der Bekämpfung des Menschenhandels nachjustiert werden kann“.