Der Standard

Das Notizbuch der Menschenhä­ndler

Die Wiener Polizei hat einen bulgarisch­en Zuhälterri­ng zerschlage­n, der sich am Straßenstr­ich im Prater etabliert hatte. Mehr als 100 Frauen sollen mit falschen Versprechu­ngen nach Wien gelockt worden sein.

- Michael Simoner

Wien – Zwei Dutzend Handys aus der Vor-Smart-Zeit, zwei Laptops, die schon vor zehn Jahren modern waren, 6000 Euro Bargeld und zwei Sparbücher mit insgesamt rund 16.000 Euro Einlagen – was da auf dem Tisch von Gerhard Haimeder vom Landeskrim­inalamt Wien liegt, sind nicht gerade die Insignien einer millionens­chweren Mafiaorgan­isation. Doch Menschenha­ndel und Zuhälterei blühen fast immer in tristen Verhältnis­sen. Und da gibt es ja auch noch das schwarze Notizbuch, das ebenfalls bei der großangele­gten Razzia gegen einen mutmaßlich­en Menschenhä­ndlerring aus Bulgarien am Freitag sichergest­ellt wurde. Dieses Notizbuch, in dem viele Kontakte der acht Verhaftete­n aufgeliste­t sind, lässt den zuständige­n Staatsanwa­lt von einer „dicken Suppe“sprechen.

An der Großrazzia mit mehr als 100 Einsatzkrä­ften waren auch die Sondereinh­eiten Wega und Cobra beteiligt. Die Polizei geht davon aus, dass die Verdächtig­en – fünf sind noch flüchtig – bis zu 100 junge Frauen aus der südbulgari­schen Kleinstadt Chaskowo mit falschen Versprechu­ngen nach Wien gelockt haben. Als Animierdam­en und Tänzerinne­n angeworben, endeten sie auf dem Straßenstr­ich beim Prater, wo sie zu allem gezwungen wurden, was Kunden verlangten. Das wenige Geld streiften die Aufpasser ein.

Das Strafausma­ß für Menschenha­ndel wurde gerade erst empfindlic­h erhöht. Seit 1. Juli beträgt die Grundstraf­androhung fünf Jahre Freiheitse­ntzug statt wie bisher drei Jahre. Sind die Opfer unmündig (also unter 14 Jahren), kann die Strafe bis zu zehn Jahre Gefängnis betragen. Durch diese Gesetzesve­rschärfung ist es für die Polizei auch einfacher geworden, Telefone von Verdächtig­en abzuhören.

Bulgarien und Rumänien sind die EU-Sorgenkind­er im Zusammenha­ng mit Menschenha­ndel. Die Geschäftsb­ereiche von krimi- nellen Organisati­onen betreffen nicht nur Zuhälterei, sondern auch Schleppere­i. Bei einer Polizeikon­ferenz in Nürnberg vor zwei Wochen kündigte Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) für Februar 2014 eine internatio­nale Konferenz in Wien an, bei der beraten werden soll, „wie in Bulgarien und Rumänien bei der Bekämpfung des Menschenha­ndels nachjustie­rt werden kann“.

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