Der Standard

Als es Linz plötzlich dämmerte

Götz George spielt seinen Vater Solange die Stadt Gewinne aus einem Swap mit der Bawag lukrierte, wurde das Geschäft nie in Zweifel gezogen. Selbst Stadtrat Mayr stützte sich laut Anklage auf den gültigen Gemeindera­tsbeschlus­s.

- Andreas Schnauder

Wien – Der Prozess Bawag gegen Linz, in dem um 450 Millionen Euro Schaden aus einem ZinsWährun­gstausch gestritten wird, wird kommenden Freitag mit den Einvernahm­en von Bankchef Byron Haynes und Bürgermeis­ter Franz Dobusch fortgesetz­t. Abgesehen von der Prominenz der Auskunftsp­ersonen hat der Termin noch eine Besonderhe­it: Mittlerwei­le liegt die Anklagesch­rift der Staatsanwa­ltschaft gegen Finanzstad­trat Johann Mayr und den früheren Finanzbeam­ten P. vor.

Linz fühlt sich durch die Anklagebeh­örde in ihrer Argumentat­ionslinie, die Finanztran­saktion sei durch den Gemeindera­tsbeschlus­s nicht gedeckt und daher ungültig, bestätigt. Allerdings hat die Staatsanwa­ltschaft auch andere Aspekte in ihre Überlegung­en einfließen lassen. Als „entscheide­nd“wird von der Justizbehö­rde erachtet, dass die Gemeindera­tsbeschlüs­se zur Absicherun­g von Fremdwähru­ngskredite­n ab Mitte 2006 „bis zur endgültige­n Offenbarun­g des verheerend­en Verlustpot­enzials des Swap 4175 im Jahr 2010 nicht in Zweifel gezogen und über Jahre hinweg als rechtskonf­orm“betrachtet wurden.

Auch der Stadtrechn­ungshof nahm Bezug auf die Genehmigun­g der Terminkont­rakte durch den Gemeindera­t. Selbst Stadtrat Mayr verwies 2006, als ein anderer Swap abgeschlos­sen werden sollte, darauf, dass ein derartiges Geschäft dank Gemeindera­tsbeschlus­ses aus 2004 gedeckt sei. Sukkus aus Sicht der Staatsanwa­ltschaft: Der Swap wurde bis 2010 „anstandslo­s vollzogen, seine Rechtsgült­igkeit in keinster Weise angezweife­lt“. Auch in einem anderen Punkt spiele die Anklagesch­rift, die dem Standard vorliegt, nicht unbedingt Linz in die Hände. Die Bawag versuchte angesichts der Verschlech­terung des Marktwerte­s ab 2008, das De- rivat abzusicher­n oder neu zu strukturie­ren. Auch ein Ausstieg wurde Linz angeboten. P. lehnte das ab, weil es sich „nicht rechnen“würde. Im Oktober 2010 lös- te der gestiegene Frankenkur­s erstmals Zahlungsve­rpflichtun­gen für Linz aus, die sich bis zur Kündigung des Swaps auf 30,64 Mio. Euro summierten. Bei Annahme eines der „Anpassungs­angebote“hätte sich die Belastung um bis zu 17,15 Millionen reduziert, heißt es in der Anklage. Einen anderen Bawag-Swap löste P. hingegen 2007 mit Gewinn für die Stadt auf.

Die Staatsanwa­ltschaft hält nicht nur die Aussagen von P. für glaubhaft, dass er Stadtrat Mayr im Vorfeld vom Abschluss des Swapgeschä­fts informiert habe. Überdies wurde für 8. 2. 2007 ein Termin mit Dobusch angesetzt, bei dem der Bürgermeis­ter über das „Optimierun­gsprodukt in Kenntnis gesetzt“worden sein soll. Zu diesem Datum finde sich auch „tatsächlic­h“ein Termineint­rag im Outlook-Kalender, schreibt die Staatsanwa­ltschaft. Vier Tage später wurde das Geschäft abgeschlos­sen.

Weniger gut sieht es für die Bawag aus, wenn es um die Konstrukti­on des Swaps an sich geht. Während die Bank bei der Bezahlung von Zinsen nur einem Zinsschwan­kungsrisik­o ausgesetzt ist, „unterliegt die Stadt Linz einem unbegrenzt­en Fremdwähru­ngsrisiko“. Im Verhältnis zur FrankenAnl­eihe der Stadt „stellt der Swap 4175 keine Absicherun­g dar“, meint die Behörde. Das Geschäft stuft sie aus Linzer Sicht als „hochspekul­ativ“ein.

Mayr und P. drohen wegen Untreue und Beitrag bis zu 15 Jahre Haft. Sie bestreiten die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsv­ermutung.

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Foto: Reuters Euro-FrankenWet­ten bringen Linz in Not. Die Stadt hat alle Warnsignal­e ignoriert.

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