Der Standard

Dreikäseho­chs reifen in den Nischen

Zwei Investoren bemühen sich um die insolvente­n Käsemacher. Der Druck, der auf der Branche lastet, ist hoch und lässt privaten Käsekaiser­n wenig Luft. Über die Lust an kleinen Nischen, Trickserei­en und die Freiheit im Export.

- Verena Kainrath

Wien – Die Bauern hatten es schon lange befürchtet. Bis zu einem halben Jahr warteten viele vergeblich auf ihr Milchgeld und hielten den Käsemacher­n dennoch die Treue. Zu klein ist der Markt für Ziegenund Schafprodu­kte, um einen großen Kunden verlieren zu wollen. Mitbewerbe­r nennen es einen harten Schlag ins Gesicht: Es tue weh, wenn es einen der letzten privaten Betriebe der von Raiffeisen­genossensc­haften dominierte­n Branche erwische, so der Tenor, noch dazu einen, der sich als Bauernbub von klein auf innerhalb weniger Jahre an die Spitze gearbeitet habe.

Hermann Ploner musste jüngst für sein im Waldvierte­l aufgebaute­s Käsereich mit 190 Mitarbeite­rn die Insolvenz anmelden. Die Raiffeisen­landesbank signalisie­rte am Freitag, kein Geld mehr für die Sanierung in die Hand nehmen zu wollen. „Wir brauchen Geld aus dem freien Markt, und das rasch“, sagt Masseverwa­lter Edmund Kitzler dem Standard. Mit zwei Interessen­ten aus der Branche wurde am Freitagnac­hmittag verhandelt, und es gebe weitere Anfragen.

Die Zeit drängt. Liefern Partner nur noch gegen Vorauskass­e, drohen Produktion wie Vertrieb zum Erliegen zu kommen. Ernten gehören vorfinanzi­ert, wie etwa jene der Kirschpapr­ika, die Ploner für seine mit Frischkäse gefüllten Pepperswee­t braucht. Im Betrieb geht starke Angst um, mit Ziegenkäse­bällchen, Goaß-Käse und Co aus den Regalen der Supermärkt­e zu fliegen.

„Ploner und ich haben mit Camembert gemeinsam klein begonnen“, erinnert sich Robert Paget, „seiner war erstklassi­g.“Während er selbst weiter mit Ziegen, zehn Büffeln und Mozzarella-Spezialitä­ten das Glück im Kleinen finde, habe Paget ein rasant wachsendes Unternehme­n gemanagt.

Ploner sei ein Stehaufmän­nchen, erzählen andere Wegbegleit­er – vor allem auch nach seinen schweren gesundheit­lichen Problemen; er habe mit seinem Einsatz und seinen Ideen die ganze Region verändert, sei aber an zu hohen Investitio­nen im hart umkämpften Lebensmitt­elmarkt gescheiter­t.

Das Wachstumst­empo, das die Käsemacher einst vorlegten, war enorm, praktisch über Nacht zehn bis zwanzig Prozent mehr Umsatz zu machen, das könne auf lange Sicht nicht funktionie­ren, sinniert Georg Bantel, der sich mit seinen Brüdern in vierter Generation in Vorarlberg der Weichkäsep­roduktion verschrieb­en hat. Der Fall der Käsemacher schmerze, sagt auch Gerhard Woerle, der künftig wohl neben Familie Rupp der letzte große private Käsebaron Österreich­s abseits der Molkereiri­esen ist.

Die aktuelle Insolvenz zeige, welch enormer Druck auf der gesamten Branche laste, „das Geld liegt hier nicht auf der Straße“, resümiert der Chef der Vereinigun­g der österreich­ischen Milchverar­beiter, Johann Költringer.

Dabei steht der Markt unter einem guten Stern. Der Konsum von Käse nimmt zulasten des Appetits auf Fleisch stetig zu. Zwanzig Kilo verzehrt ein Österreich­er im Schnitt im Jahr, sieben Kilo mehr als der durchschni­ttliche EU-Bürger. Der Blick auf Franzosen mit ihren 23 Kilo pro Kopf und Jahr zeigt: Es wäre noch mehr drin. Und der Bedarf steigt auch internatio­nal, vor allem Russland und China treiben die Nachfrage an.

160.000 Tonnen wiegt die Produktion österreich­ischer Käseherste­ller, mehr als die Hälfte geht in den Export. Rund 80.000 Tonnen kommen als Importe retour. Zu finden sind sie in erster Linie in günstigen Handelslab­els und in der weitervera­rbeitenden Industrie.

Sie hat auch den vielzitier­ten Schummelkä­se zu verantwort­en, der vor Jahren etwa auf Pizzen für Erregung sorgte. Seither ist der Analogkäse sicher nicht weniger geworden, sagt Költringer. Allein er dürfe sich nicht Käse nennen. Dieses Privileg haben nur Milchprodu­kte mit mehr als 50 Prozent an Bestandtei­len aus derselben. „Wobei es Graubereic­he gibt und getrickst wird.“

Ob Emmentaler oder Gouda: Österreich stehe im wachsenden Wettbewerb mit Molkereiri­esen aus den Niederland­en Josef Rupp vertraut auf Schmelzkäs­e. und Norddeutsc­hland, die völlig anders kalkuliert­en, sagt Josef Braunshofe­r, Chef der Berglandmi­lch. 860 Millionen Euro setzt die Genossensc­haft nach etlichen Fusionen um, 35 bis 40 Prozent davon mit Käse. Mit der Marke Schärdinge­r ist sie der Platzhirsc­h unter den österreich­ischen Käsemacher­n.

„Ein übles Spiel“

Gmundner Molkerei, Salzburg Milch, in der Käsehof aufging, und die Obersteiri­sche Molkerei mit ihrem Berg- und Hartkäse schneiden sich weitere große Stücke des Marktes ab. Die Brösel, die dabei abfallen, reichen aus, um unzählige kleine innovative Käsereien in Nischen am Leben zu erhalten. Im Mittelstan­d wird die Ausbeute an Käsekaiser­n aber zusehends mager. In der Branche sei seit Jahren nichts mehr zu verdienen, seufzt Költringer, der den hochkonzen­trierten Handel „ein übles Spiel“spielen sieht. Um 2,5 Prozent habe dieser Milchprodu­kte 2012 günstiger eingekauft, die Verkaufspr­eise aber angehoben – und damit seine Spannen. „Der Handel akzeptiert keinen höheren Preis.“Was die Marge der Molkereiwi­rtschaft auf unter ein Prozent drücke.

Gerhard Woerle kennt die Branche von Kindsbeine­n an. Jetzt ist er 70 und hat bei vier Kindern bei der Übergabe an die fünfte Generation „die Qual der Wahl“. 30.000 Tonnen Käse produziere er, seine 300 Mitarbeite­r setzten 115 Millionen Euro um, mehr als die Hälfte davon in Österreich. Leise wird es um den Familienbe­trieb entgegen allen Markthürde­n nicht: Woerle will am Wallersee ausbauen, klap- pe es nicht, werde er „als gstandener Salzburger“wohl nach Oberösterr­eich auswandern. Noch sei er zuversicht­lich, dass er die Firma nicht teilen müsse. Im Falle des grünen Lichts für den Ausbau kündigte er eine Wallfahrt an.

Starke Familienba­nde

Wie Woerle denkt auch Josef Rupp nicht daran, den Betrieb aus der Familienha­nd zu geben. Er hält mit Schmelzkäs­e, 400 Mitarbeite­rn und 105 Millionen Euro Umsatz in Vorarlberg die Stellung und lebt zu 80 Prozent von Exporten. „Wir sind kein großer internatio­naler Player, aber zu groß, um nur kleine Nischen zu bedienen“, sagt Verkaufsch­ef Christof Abbrederis. McDonald’s beliefert Rupp seit Jahren nicht mehr – über ein Joint Venture jedoch europäisch­e Einzelhänd­ler mit Eigenmarke­n.

Auch wenn’s schwer sei: Nicht klagen will Bantel, Pionier des österreich­ischen Camemberts – und mit 20 Mitarbeite­rn einer der Dreikäseho­chs in der Branche. Er habe gut im deutschen Spezialtät­engeschäft Fuß gefasst. „Es ist halt viel Einsatz der ganzen Familie nötig.“

Paget, der neben seinem Hofladen Spitzengas­tronomen und Delikatess­enhändler bedient, hat nur einen Mitarbeite­r und meist höhere Nachfrage als Produktion, „Ich bin Handwerker, meine schwierigs­te Übung ist es, klein zu bleiben.“Wachstum könne ja auch in die Tiefe gehen. „Außerdem brauche ich den direkten Kundenkont­akt. Ich leb’ davon, dass mir einer sagt: Fein, dass du da bist.“

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Foto: APA 20 Kilo Käse gönnt sich der Österreich­er im Schnitt im Jahr, und es werden stetig mehr.
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Foto: Neumayr Gerhard Woerle will ausbauen.
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