Der Standard

Fremdartig­e Riesenvire­n stellen Forscher vor Rätsel

Ihre Gene ähneln keiner der bekannten Lebensform­en

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Washington – Ihre Fundorte waren – zumindest aus mitteleuro­päischer Perspektiv­e – ziemlich abgelegen: Eines der beiden Megaviren entdeckten Nadège Philippe (Uni Aix-Marseille) in den Ablagerung­en einer Flussmündu­ng vor der Küste von Chile, das andere fand sich im Schlamm eines Teichs nahe der Stadt Melbourne.

Obwohl das eine Virus aus dem Salzwasser und das andere aus Süßwasser stammt, sind sie so ähnlich, dass die französisc­hen Forscher sie einer neuen Gattung zuordneten: Sie tauften die rätselhaft­en Partikel Pandoravir­en – nach der Büchse der Pandora, die Überraschu­ngen birgt. Und genau das erwarten sich auch Philippe und ihre Kollegen von ihren Funden, die sie in der Fachzeitsc­hrift Science vorstellen.

Viren sind winzig kleine infektiöse Partikel, die sich außerhalb von Zellen durch Übertragun­g verbreiten. Im Gegensatz zu Bakterien, die viel größer sind als Viren, bestehen sie nicht einmal aus einer Zelle, weshalb sie nicht als Lebewesen gelten.

Ein erstes Riesenviru­s entdeckten Forscher vor gut zehn Jahren in einem Kühlturm im englischen Bradford. Man suchte damals nach Bakterien und glaubten zunächst auch, eines gefunden zu haben. Doch die 0,7 Mikrometer großen Objekte waren Viren – die größten, die man bis dahin kannte und die auch die Grenze und Kriterien von Viren verschoben. Das lag nicht allein an der Größe, sondern auch an der Länge des Erbguts, das mehr als eine Million Basen umfasste – mehr als so manches Bakterien-Genom.

Weitere Großvirenf­unde folgten. Doch die beiden Pandoravir­en stellen alles Dagewesene in den Schatten: Ihre Länge liegt bei einem Mikrometer, und ein Virus hat doppelt so viele Basenpaare wie der bisherige Spitzenrei­ter. Was freilich am meisten erstaunt: „93 Prozent der Gene dieser Pandoravir­en sind völlig fremdartig, sie lassen sich auf keinen bekannten Zellstammb­aum zurückführ­en“, schreiben die Forscher. Wo sich die Pandoravir­en in den Stammbaum des Lebens einordnen und wie sie entstanden sind, ist entspreche­nd noch völlig unklar. (tasch)

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